Über den Umgang mit Zuwanderern aus Rumänien in Köln

Stadt auf Stimmungsmache

Der Kölner Stadtrat fordert von der Bundesregierung Geld für die Unterstützung von Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien. Es gehe um die »Sicherung der sozialen Balance«.

Viel Lärm, gut platzierte Böller und geschickt geworfene Tomaten – die Teilnehmer einer antifaschistischen Busfahrt überlassen der rechtsextremen Wählervereinigung »Pro Köln« nicht den Platz vor Flüchtlingsunterkünften. Die Ultrarechten haben für den Samstag vor dem langen Osterwochenende zur Abschlussveranstaltung ihrer »Kundgebungsserie gegen Asylmissbrauch« vor drei »skandalträchtigen Einrichtungen der Asylindustrie« aufgerufen. In den Wohnheimen in den Kölner Stadtteilen Poll, Weiden und Zollstock leben viele Roma. Rund 500 Gegendemonstranten zeigen den Flüchtlingen ihre Solidarität und versuchen, »Pro Köln« so wenig wie möglich zu Wort kommen zu lassen. Die »linksextreme Szene Kölns« habe mal wieder ihre »hässliche Fratze« gezeigt, geifern die Rechten nach der Aktion. Zur ihr gehört unter anderem der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck. »Pro Köln« bringt an diesem Samstagvormittag gerade einmal 40 Leute auf die Beine. Noch wenige Tage vor den Kundgebungen konnten sich die Rechtsextremen mit ihrer Abneigung gegen Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien hingegen als Teil einer ganz großen Koalition fühlen.

Der Kölner Stadtrat hat eine Resolution verabschiedet und an die Bundesregierung geschickt. Vordergründig geht es darum, dass die Stadt mehr Geld von der Bundesregierung haben will, um Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien unterstützen zu können. In der ursprünglichen, von den Fraktionsgeschäftsführern von SPD, CDU, FDP und Grünen unterschriebenen Fassung des Resolutionsentwurfs fordert der Stadtrat die Bundesregierung auf, für eine Reduzierung der Migration aus diesen Ländern zu sorgen. Als wäre so eine Aufforderung nötig: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nutzt ohnehin jede Gelegenheit, um gegen den Zuzug von Migranten aus Südeuropa mobil zu machen. Ab 2014 soll für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien innerhalb der Europäischen Union Freizügigkeit gelten. Nicht nur Rechtsextreme wollen das verhindern.

Die Stimmungsmache richtet sich speziell gegen Roma. »Antifaschistische Bewegung, Linke und Gewerkschaften sollten die Sprengkraft der derzeitigen Kampagne gegen die Zuwanderung vor allem von Roma nicht unterschätzen«, warnt Claus Ludwig, Mitglied der Linksfraktion im Kölner Stadtrat. »Diese Propaganda trifft auf ein sattes rassistisches Grundrauschen in der Gesellschaft und knüpft zudem an reale Problemlagen vor Ort an, die meistens auf der menschenunwürdigen Unterbringung und der Chancenlosigkeit der Zuwanderer beruhen.«
Nach der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl vor 20 Jahren haben viele Kommunen ihre Kapazitäten zur Unterbringung von Flüchtlingen reduziert. Gleichzeitig gibt es in allen Großstädten zu wenig günstigen Wohnraum. Gerade Roma haben aufgrund der Vorurteile gegen sie Probleme, Wohnungen zu finden. Deshalb werden sie Opfer von Miethaien, die zu extrem hohen Preisen schlechten Wohnraum abgeben. Für die verfehlte Wohnungspolitik allerdings sind die Kommunen verantwortlich und nicht die Opfer dieser Politik, die als Sündenböcke herhalten müssen. Genau das geschieht in der Kölner Resolution. Schon heute stelle die Zuwanderung von Menschen aus Bulgarien und Rumänien die »davon betroffenen Städte« vor außerordentliche Herausforderungen, die sie aus eigener Kraft nicht bewältigen könnten. »Der Rat appelliert daher eindringlich an die Bundesregierung, auf deutscher wie auch auf europäischer Ebene Rahmenbedingungen zu schaffen, die diese Migration deutlich reduzieren und die soziale Balance in den Städten erhalten«, ist in dem Ursprungsentwurf zu lesen, der für große Empörung sorgte. Dieser Satz sei rassistisch, befand die Linkspartei: »Hier werden Zuwanderer für eine soziale Spaltung in unserer Gesellschaft verantwortlich gemacht, die die herrschende Politik verursacht hat.«
Das sieht auch der Verein Rom e. V. so, der für die Rechte von Roma und Sinti eintritt. »Es ist richtig, dass die Stadt von der Bundesregierung Mittel verlangt, um die Versorgung und Integration der Zuwanderer zu garantieren«, sagte der Vorsitzende Kurt Holl. »Es ist aber verlogen, dass der Antrag so tut, als seien die Zuwanderer für ›Probleme‹, ›Überlastung‹, Gefährdung der ›sozialen Balance‹ etc. verantwortlich.« Auch bei den Grünen sind viele entsetzt über den Resolutionsentwurf. »Kommunen dürfen nicht mit (rechtem) Populismus oder der Dramatisierung der Zustände auf ihre finanziellen Engpässe aufmerksam machen«, erklärte die Grüne Jugend. Die Mutterpartei reagierte. Auf Betreiben der Grünen wurde der monierte Satz ersetzt.
»Eine aus struktureller Not entstehende Mi­gration lässt sich nur vermindern, wenn die Menschen bessere Lebensperspektiven in ihren Herkunftsländern vorfinden«, heißt es nun. Und: »Kurzfristig muss zur Sicherung der sozialen Balance ein Sofortprogramm für die Kommunen aufgelegt werden, um die Städte, die besonders von dem Zuzug betroffen sind, mit zusätzlichen Ressourcen zu unterstützen.« Der FDP ist das nicht mehr deutlich genug. Sie zog ihre Unterstützung zurück. Das ist erstaunlich, denn der Subtext ist gleich geblieben. »Auch in Köln häufen sich die Probleme im Zusammenhang mit dem Zuzug der Menschen aus diesen Ländern«, heißt es in der unveränderten Begründung. Mit Inkrafttreten der vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit werde der Zuzug wahrscheinlich noch zunehmen. Die Kommunen seien mit der Verpflichtung überfordert, »den Zuwanderern Unterkünfte und Wohnungen zur Verfügung zu stellen, für die medizinische Grundversorgung aufzukommen sowie weitere Sozialleistungen zu übernehmen«. Damit dürften die Kommunen und Bundesländer nicht alleine gelassen werden. Und: »Bereits jetzt ist abzusehen, dass die Stadtgesellschaft mit der Umsetzung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürgerinnen und Bürger aus Rumänien und Bulgarien ab Januar 2014 überlastet sein wird.«

Es findet sich das gleiche rechtspopulistische Argumentationsmuster wie in der Asylrechtsdebatte zu Beginn der neunziger Jahre: »Die jähr­liche Zahl der Zuwanderung aus diesen beiden Staaten hat sich in den vergangenen vier Jahren bundesweit von 64 000 auf rund 147 000 mehr als verdoppelt. Im ersten Halbjahr 2012 stieg die Zahl im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um 24 Prozent.« Die Zahlen dienen nicht zur Erhellung eines Sachverhalts, sondern zum Aufbau eines Bedrohungsszenarios. Dabei zeigt ein Blick in den Migrationsbericht der Bundesregierung, dass Rumänen nach Polen die zweitgrößte Abwanderergruppe stellen. Die Netto-Zuwanderung ist gerade einmal halb so hoch, wie in der Begründung suggeriert wird.
Verabschiedet wurde die Resolution mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen – und der rechtsextremen Fraktion »Pro Köln«. »Das ist ein Schritt in die richtige Richtung«, begründete deren Fraktionsvorsitzende Judith Wolter die Zustimmung. Den Ultrarechten gibt die ganz große Kölner Koalition eine hervorragende Gelegenheit, ihre parlamentarische und außerparlamentarische Arbeit zu verknüpfen. Hetze gegen Roma und Sinti gehört zu den politischen Schwerpunkten der selbsternannten »Bürgerbewegung« und ihrer Vorläuferorganisationen. In Köln unvergessen ist eine Steckbriefaktion der »Deutschen Liga für Volk und Heimat« von 1993 gegen eine Romni, die ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland lebte. Solche Aktionen sind auch heute noch nicht mehrheitsfähig – das Verabschieden stigmatisierender Resolutionen aber schon.