Schön war die Zeit

Es lohnt sich nicht, eine Bar­auszahlung zu fordern. Auf jeden Bürger der EU entfielen weniger als 0,2 Eurocent, wenn man das Preisgeld gleichmäßig verteilen würde. Doch auch wenn die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU den Europäerinnen und Europäern keinen unmittelbaren Nutzen bringt, ist das nun aus der Linken zu vernehmende Genörgel, dass die EU nicht friedlich genug und daher nicht preiswürdig sei, fehl am Platz. Schließlich wird der Preis von gutwilligen Honoratioren verliehen, die in der Tradition Alfred Nobels der Ansicht sind, dass sich alle Probleme friedlich lösen lassen, wenn gutwillige Honoratioren nur lange genug über sie reden. Deshalb legte Nobel so großen Wert auf die »Förderung von Friedenskongressen«, und im Hinblick auf die Dialogbereitschaft kann man der EU wenig Vorwürfe machen, mag es auch etwa unter den Taliban an gutwilligen Honoratioren mangeln, die mitspielen wollen. Und Pazifisten waren ja auch andere Preisträger wie Henry Kissinger nicht. Das liegt in der Natur der Sache, denn um Frieden schließen zu können, muss man erstmal Krieg führen.
Man kann sich aber auch, wie Yassir Arafat es sechs Jahre nach seiner Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis tat, erneut für den Krieg entscheiden. So etwas ist derzeit zwar innerhalb Europas nicht zu erwarten, dennoch erscheint die Verleihung des Friedensnobelpreises als eine Abschiedsrede auf eine nicht in jeder Hinsicht sympathische, aber im Vergleich zu ihren Vorgängern viel umgänglichere Kollegin, die nun in Rente geht. Man weiß nicht, wie der Neue so sein wird, ahnt aber, dass es bald wieder mehr Streit gibt. Also erinnert man sich an die schönen Zeiten, die man mit ihr verbracht hat. Das ist nur fair, man würde der Oma beim Besuch im Altenheim ja auch nicht vorhalten, dass sie früher die Weihnachtsgans immer hat anbrennen lassen. Und eine hübsche Schlussanekdote für den Eintrag »Beginn und Ende der europäischen Einigung und Demokratisierung« in zukünftigen Geschichtsbüchern ist es auch. Der nächste Eintrag könnte dann »Bismarck 2.0.: Die deutsche Ordungspolitik und die Entmachtung der Parlamente« heißen und mit den vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble nun offiziell vorgebrachten Vorschlag beginnen, einen Währungskommissar die Haushaltspolitk überwachen zu lassen. Denkbar wären aber auch Titel wie »Die K-Frage: Der katalonische Separatismus und die Auflösung der EU« oder »Nicht ohne meinen Turul: Die Orbanisierung Europas und das Ende der Demokratie«. Optimisten können natürlich auch auf »Räte statt Ratlosigkeit: Wie nach der Krise der Sozialismus erkämpft wurde« hoffen. Sicher ist derzeit nur, dass die EU ihr fortschrittliches Potential erschöpft und die Krise Renationalisierung und antidemokratische Tendenzen gefördert, aber nicht hervorgebracht hat. Die Ära der gutwilligen Honoratioren ist vorbei.