Westfernsehen

Die Öffentlich-Rechtlichen haben einen Lauf. Nach Mahmoud Ahmadinejads Holocaustleugnung im ZDF vor zwei Wochen kam am Montag in der ARD die Gattin des »letzten Diktators Deutschlands« zu Wort. Eric Friedlers Dokumentation »Der Sturz – Honeckers Ende« verzeichnete 4,2 Millionen Zuschauer und somit mehr als die zur gleichen Zeit auf RTL gezeigte Reportage über Gaddafis sexuelle Aktivitäten. Margot Honecker plauderte aus dem Nähkästchen. Während zwei andere Ossis die beiden höchsten Staatsämter bekleiden, lebt die ehemalige Ministerin für Volksbildung von 1 500 Euro Rente im Monat in Chile. Das sei unverschämt wenig, findet sie, und klagt zudem über die geringe Anerkennung, die ihr zuteil wird. »Ich habe mein ganzes Leben für die DDR gearbeitet, und es ist eine Tragik, dass es dieses Land nicht mehr gibt.« Und gearbeitet hat sie fleißig. Schließlich war sie unter anderem mitverantwortlich für die Jugendwerkhöfe, in denen politisch unliebsame Jugendliche im sozialistischen Geiste umerzogen werden sollten. Ihre Opfer diffamiert Honecker als »bezahlte Banditen«. Den bürokratischen Jargon beherrscht sie immer noch perfekt: »Es gab keinen Schießbefehl, sondern nur Waffengebrauchsbestimmungen.« Sie erklärt munter: »Die brauchten ja nicht über die Mauer zu klettern und diese Dummheit mit dem Leben zu bezahlen.« Die Darstellung der DDR in den Westmedien hält sie für imperialistische Propaganda: »Sollen die sich doch dafür entschuldigen, über Jahrhunderte die Menschheit ausgebeutet, in Kriege gestürzt und bombardiert zu haben.« Inzwischen scheint der Rentnerin Coca-Cola zu schmecken. Sowas, räumt sie ein, habe sie in der DDR nicht getrunken. Zu Wort kommen in dem Film auch Michail Gorbatschow und, wie sollte es im Westfernsehen anders sein, Helmut Schmidt. Dieser sagt: »Im Jahr 2030 werden nicht einmal mehr die Kinder in der Schule lernen, wer Erich Honecker war.« Das dürfte zum Glück allerdings auf beide zutreffen: die Honeckers und Schmidt.