Steinbrück als Kanzlerkandidat

With a little help from his friends

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat gerade erst die Hälfte ihrer Legislaturperiode hinter sich. Einigen Medien scheint nun der Zeitpunkt gekommen, demonstrativ nach einem neuen Kanzlerkandidaten Ausschau zu halten.

Wenn Politiker ihnen bislang unbekannte Kommunikationsstrategien testen, wird es in der Regel peinlich. Dank Twitter und Facebook ist das Archiv für missglückte Versuche der Selbstvermarktung beinahe unüberschaubar groß. »Bratwurst ich komme«, twitterte der SPD-Politiker Christoph Matschie einmal, um die Wählerschaft auf seine Teilnahme an einem Grillabend hinzuweisen. Hat der eigentlich keinen Medienberater, fragten sich die Leser angesichts dieser substantiellen Botschaft genervt. Doch spätestens seit ein paar Tagen weiß man: Mit der Hilfe sogenannter Medienprofis wird beim Marketing der Fremdschäm-Faktor erst wirklich garantiert.
Cross-Marketing heißt die Strategie, die man für Peer Steinbrück und Helmut Schmidt gewählt hat. »Er kann es«, prangt auf dem Cover der aktuellen Ausgabe des Spiegel. Die Titelgeschichte ist mit Bildern geschmückt, die symbolträchtiger kaum sein könnten. In Daumenkino-Ästhetik überreicht der Ex-Kanzler Schmidt dem Ex-Finanzminister Steinbrück seinen Spazierstock. Der Stab geht weiter, vom früheren zum künftigen Kanzler, lautet die visuelle Botschaft. Mit dem Typus des »Medienkanzlers« hat das Magazin bereits Erfahrungen gesammelt, und politisch sind die Unterschiede zwischen Steinbrück und dem bisher letzten SPD-Kanzler, Gerhard Schröder, ohnehin marginal. Nun schwärmt der Spiegel vom »Paarlauf Richtung Kanzleramt«, mit dem »ein neues Kapitel in der Geschichte des politischen Marketings der Bundes­republik« beginne. Gemeint ist die von »einem Mentor geförderte Kanzlerkandidatur«. Steinbrück scheint sich nicht allein auf den betagten Schmidt als »Kanzlermacher« verlassen zu müssen. Die Leitmedien Spiegel und ARD stehen längst parat, um eifrig mitzuwirken. In der Talkshow von Günther Jauch wurden die beiden SPD-Politiker als rührseliges Vater-Sohn-Duo inszeniert. Vermutlich, um dem 64jährigen Kandidatenanwärter einen Hauch von Jugendlichkeit zu verpassen.
Offizieller Anlass für das Spiegel-Interview und den Fernsehauftritt war die Veröffentlichung des Buches »Zug um Zug«, das Schmidt und Steinbrück zusammen verfasst haben. Ein Buch, ein Interview und eine Talkshow – angesichts dieser konzertierten Marketingoffensive könnte man glatt vergessen, dass der künftige Kanzlerkandidat der SPD nicht von den Medien und Verlagen, sondern tatsächlich von der SPD gekürt wird. Zumindest deren Parteivorsitzender Sigmar Gabriel zeigte sich denn auch unbeeindruckt vom Werbespektakel und teilte lapidar mit, die Entscheidung sei ohnehin erst 2012 fällig. Als ehemaliger Popbeauftragter der Partei scheint er zu wissen, dass das Cross-Marketing den Erfolg immer nur kurzfristig befeuert.