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Stickige Luft, kein Tageslicht, viel reden, viel trinken, schlecht essen und unglaublich wenig schlafen. Nein, die Rede ist nicht von der letzten WG-Party, bei der alle in der Küche abhängen, die Alkoholreste austrinken und den Kühlschrank plündern. Die Rede ist von der Frankfurter Buchmesse. Wir waren auch da und präsentierten unsere Zeitung mit einem Stand. Es soll immer noch Leute geben, die glauben, auf einer Buchmesse gehe es vor allem um Bücher. Aber das Wichtigste sind die Abendveranstaltungen. Da trifft man alle. So geschehen am Samstag beim Martin-Büsser-Gedenkabend in der Knobbe Bar, zu dem illustre Gäste wie Sonja Eismann, Jörg Sundermeier, Thomas Meinecke und Roger Behrens Texte, Filme und Musik mitbrachten. Ein würdiger Abend im Gedenken an unseren vor einem Jahr verstorbenen Autor. Bis spät in die Nacht floss der Apfelwein in Strömen.
Da fragt man sich am nächsten Morgen: Warum mache ich das eigentlich? Nicht das Apfelweintrinken natürlich, sondern am nächsten Tag wieder am Stand stehen. Es kommt aber auch vor, dass andere die Frage stellen: Warum macht ihr das eigentlich? Dies geschah am Freitag vergangener Woche. Die Phase 2, der wir an dieser Stelle zu ihrem zehnten Geburtstag gratulieren möchten, hatte zu einer Diskussion über linke Medienprojekte eingeladen. Neben den Kolleginnen und Kollegen von Phase 2, Straßen aus Zucker und Opak saß auch ein Repräsentant der Jungle World auf dem Podium. Man wurde sich darüber einig, dass es nicht so einfach ist, mit einer Zeitung eine Revolution zu entfachen.
Geht es nun trotzdem endlich los mit der Revolution? Unsere Autoren haben da Zweifel, und wir auch. Aber es gibt ja unterschiedliche Ansprüche an so eine Bewegung. »Wenn keine Titten zu sehen sind, ist es nicht meine Revolution«, könnte man die Ansicht des Welt-Kommentators Ulf Poschardt zusammenfassen. Er urteilt ausnahmsweise milde über die Linke, denn er hat seine Uschi Obermaier in New York gefunden: »Die verhaftete junge Dame, die aussieht, als hätte sie Sandro Botticelli gemalt und Raf Simons eingekleidet, wurde weltweit zum Pin-up der neuesten Antiglobalisierungswelle. (…) Wie ergreifend wirkt da ein Engel mit Idealmaßen, der sich – den Blick pathetisch nach oben gerichtet, die Lippen sinnlich aufeinandergepresst – von der Polizei abführen lässt.« Wir haben da natürlich andere Kriterien, und ob aus der Bewegung was wird, wissen wir noch nicht. Unklar bleiben auch die Folgen der Exmatrikulation des letzten linken Studenten auf die revolutionäre Bewegung. Nach seinem elfjährigen Studium verabschieden wir ihn in dieser Ausgabe. Möge er in New York die neue schönste Studentin kennenlernen.