Über nervöse Parteien nach der Wahl in Bremen

Angst vor der Stadt

Nach der Wahl in Bremen geben sich die Grünen selbstbewusst, alle anderen Parteien sind nervös.

Der regierende Bürgermeister in Bremen kommt von der SPD. Das ist schon seit 1946 so, und daran hat auch die Landtagswahl am Sonntag nichts geändert. Jens Böhrnsen wird vier weitere Jahre der Präsident eines rot-grünen Senats im kleinsten Bundesland sein. Wäre Böhrnsen nicht vor fast genau einem Jahr kurz Bundespräsident gewesen, würden viele Menschen ihn vermutlich nicht kennen. Als Horst Köhler (CDU) am 31. Mai 2010 von seinem Posten zurücktrat, war Böhrnsen gerade turnusmäßig Präsident des Bundesrats geworden und wurde kommissarisch zum obersten Repräsentanten der Republik. Böhrnsen erledigte den Job mit diskreter Zurückhaltung, öffentliche Auftritte absolvierte er mit einem Hauch von Ironie. Damit bildete er einen Kontrast zu Köhler, der wie ein trotziges Kind sein Amt geschmissen hatte, und einer Bundesregierung, die sich im Dauerstreit befand. Ohne die Krise von Schwarz-Gelb wäre Böhrnsen nie genötigt worden, einen Monat lang Bundespräsident zu spielen.

Die Ergebnisse der Landtagswahl in Bremen dürften sich für CDU und FDP wie ein Déjà-vu mit der Krise anfühlen. Die FDP ist an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, die CDU ist zum ersten Mal nur drittstärkste Kraft in einem westdeutschen Parlament geworden, sie liegt hinter der SPD und den Grünen. Für beide Parteien könnte es noch schlimmer kommen. Umfragen zufolge droht der FDP bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September das Gleiche und für die CDU zeichnet sich ab, dass sie sich in Berlin mit dem vierten Platz begnügen muss. Entsprechend schmallippig waren am Sonntag die Reaktionen, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verzichtete auf einen Auftritt vor Fernsehkameras und auch der FDP-Parteivorsitzende Philipp Rösler ließ sich nicht blicken. Angesichts der abstrusen Äußerungen, mit denen FDP-Politiker das Bremer Wahlergebnis kommentierten, kann man den Eindruck gewinnen, dass die Partei sich mittlerweile mit der eigenen Bedeutungslosigkeit abgefunden hat. Oliver Möllenstädt, der Bremer Spitzenkandidat der FDP, kommentierte das desaströse Wahlergebnis von 2,5 Prozent mit der originellen Formulierung, es sei kein Grund, »die Ohren hängen zu lassen«. Christian Lindner, Generalsekretär der FDP, interpretierte die Niederlage als Beleg dafür, dass die Bürger sich von der FDP mehr »Gestaltungsehrgeiz« wünschten. Wenn das der Fall wäre, dann hätten die Wähler in Bremen und Bremerhaven vermutlich dafür gesorgt, dass die FDP im Senat vertreten wäre.
Bei der CDU bemühte man sich am Wahlabend um zumindest einigermaßen sachlich klingende Erklärungen für das Debakel in Bremen. Peter Altmaier, parlamentarischer Geschäftführer der Unionsfraktion, sprach über Griechenland und den Euro. Er nannte die Wirtschafts- und die Bankenkrise als Gründe für den Misserfolg. Dass die schwarz-gelbe Bundesregierung seit Monaten verkündet, die Krise sei überwunden, ignorierte er geflissentlich. Der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kam zu dem Ergebnis, dass es noch nie eine Bundesregierung gegeben habe, die »vor so großen Herausforderungen stand«. Was das mit der Wahl in Bremen zu tun hat, blieb offen. Es ist verständlich, dass man sich angesichts der Niederlage bei der Union darum bemüht, das Thema Landtagswahl in Bremen schnellstmöglich zu verdrängen. Dass sich die Grünen, die mit einem sensationellen Ergebnis von 22,7 Prozent die CDU überholten, die nur auf 21,2 Prozent der Wählerstimmen kam, sich kaum Zeit dafür nahmen, die Bremer Spitzenkandidatin Karoline Linnert zu würdigen, wirkte dagegen irritierend.

Der Parteivorsitzende Cem Özdemir nutzte den Wahlabend, um sich zu Vorwürfen zu äußern, mit denen die CDU während des Landtagswahlkampfes in Baden-Württemberg Stimmung gegen die grüne Konkurrenz gemacht hatte. Özdemir wertete das Bremer Ergebnis als Beleg dafür, dass es den Grünen nicht um Protest, Schönwetter und Opposition gehe. Schließlich sei man für die Regierungsarbeit in der Bremer Koalition belohnt worden. Begeistert zeigte sich Özdemir vor allem von dem Posten, den die grüne Kandidatin dort innehatte. Mit Linnert als Finanzsenatorin hätten die Grünen zum ersten Mal ein klassisches, ein »hartes« Ressort besetzt. Nach dieser Feststellung unterlief Özdemir eine freudsche Fehlleistung: Anstatt die Bremer Wahlkämpfer zu loben, bedankte er sich bei den Freunden in Berlin. Deutlicher konnte er kaum zeigen, dass die Grünen nun stärkste Partei im Berliner Abgeordnetenhaus werden wollen. Mit seinem Versprecher gelang es Özdemir, CDU, SPD und Linkspartei in Nervosität zu versetzen. Schon am Tag nach der Wahl wollte niemand mehr über Bremen reden, sondern nur darüber, welche Bedeutung Bremen für die Wahl in Berlin haben könnte.

Man habe Probleme, im großstädtischen Milieu Wähler zu finden, stellte die CDU plötzlich voller Sorge fest. Dass sie bei jungen Frauen in großen Städten keine Chance hat, dürfte der CDU eigentlich schon lange bekannt sein. Schließlich versucht Merkel seit Jahren mit dem Prestigeprojekt »Elterngeld« ihrer Partei ein modernes Image zu verpassen und die weibliche Großstadtbevölkerung für sich zu gewinnen. Dieser Versuch ist missglückt. In Bremen waren erstmals auch 16- und 17jährige Teenager wahlberechtigt, die Mädchen wählten grün. Die CDU war nur bei den Bremer Rentnern beliebt. Am Montag kündigte die CDU eine »Großstadtoffensive« an.
Die Linkspartei, die trotz Verlusten weiter im Bremer Parlament sitzt, hofft darauf, dass in Berlin »linke« Themen wie Mietpreise entscheidend werden. Und auch Berlins SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit zeigte sich ungewohnt angespannt. Er warnte eindringlich vor einer schwarz-grünen Koalition. Diese Sorge ist nicht unberechtigt. Wenn Renate Künast in Berlin Bürgermeisterin würde, hätte sie gegen eine CDU als Juniorpartner vermutlich wenig einzuwenden.