Kinder, die Bücher essen

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Der Sinn der Leipziger Buchmesse besteht bekanntlich darin, sich auf 28 702 Quadratmetern Ausstellungsfläche die Füße wundzulaufen und mit stumpf gewordenem Blick alle kostenlosen Druck­erzeugnisse einzusacken, die man nur kriegen kann. Wer das nicht tut, sondern sich vorwiegend an einem Fleck – wie zum Beispiel dem Stand der Jungle World – aufhält, wird dennoch nicht schlecht unterhalten. So machen wir etwa Bekanntschaft mit einem Kleinkind, das sich von Büchern ernährt. »Gestern hat sie ›Mein Freund Klaus‹ aufgegessen«, erzählt ihr Vater mit gequältem Lächeln und versucht dabei, dem unschuldig dreinblickenden Wesen auf seinem Arm eine der Neuerscheinungen des Verbrecher-Verlags zu entreißen. Währenddessen findet auf der »Leseinsel« direkt gegenüber ein Marathon der neuen deutschen Literatur statt. Bilanz des ersten Tages: Unter den jungen Autoren und Autorinnen befinden sich hauptsächlich Männer, die über Frauen schreiben, sowie Frauen, die über Landschaften, Familie und Natur im Allgemeinen schreiben. Das ist so originell, dass sich einem vor lauter Gähnen der Kiefer verkantet. Weitaus spannender ist die Entdeckung einer Damentoilette mit Pissoirs zwischen den Hallen eins und drei. Wenn es ihn gäbe, bekäme die Leipziger Buchmesse daher auf jeden Fall den Genderfuck-Award 2011 verliehen. Rätselhaftestes Highlight der Buchmesse: einer der Kaffeestände im hintersten Winkel der Ausstellungshalle. Für nur 2,50 Euro kann man dort Gesprächsfetzen wie diesen aufschnappen: »Ja, und da dachte ich, dass ich’s jetzt mal wieder mit Blond versuche – bei dem 25jährigen Gesicht …« Interessant, denkt man sich, aber: Was genau macht ein 25jähriges Gesicht aus? Wie wirken sich blonde Haare darauf aus? Und warum überhaupt sollte irgendjemand etwas gegen 25jährige Gesichter unternehmen wollen? Ein schier endloses Feld an Fragen tut sich da auf. Vielleicht kann sich mal jemand darüber Gedanken machen und das bei der nächsten Buchmesse auf der Leseinsel vortragen.