Schwarz-Grün in Hamburg in der Krise

Keine schlagende Verbindung

Der schwarz-grüne Senat in Hamburg kämpft mit schlechten Umfragewerten.

Hamburgs schwarz-grüne Koalition kann als gescheitert betrachtet werden. Das Bündnis, hat 2008 als bundesweit beachtetes Pilotprojekt begonnen. Derzeit würde laut einer repräsentativen Umfrage der vergangenen Woche die SPD mit 40 Prozent deutlich stärkste Partei. Die CDU verliert über sieben Prozentpunkte und liegt bei 35 Prozent, die Linkspartei verharrt bei sechs Prozentpunkten. Erstaunlicherweise kann die Grün-Alternative Liste (GAL) zwar ein Plus von drei Prozent verbuchen und erreicht zwölf Prozent, damit liegt sie aber weit hinter den Umfragewerten der Bundesgrünen. Die knappe rechnerische Mehrheit des amtierenden schwarz-grünen Senats dürfte realpolitisch allerdings folgenlos sein. Denn unübersehbar sind die Zerfallserscheinungen, die sich seit dem spektakulären Rücktritt des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust (CDU) im Juli dieses Jahres zeigen.

Schon die Personalie des Nachfolgers und vormaligen Innensenators Christoph Ahlhaus (CDU) war Zeichen einer beginnenden Entfremdung zwischen CDU und GAL. Es bedurfte des drängenden Werbens der grünen Führungsspitze, Ahlhaus, der Mitglied einer schlagenden Verbindung ist und erzkonservative Ansichten vertritt, zum wählbaren neuen Bürgermeister schönzureden. Rückblickend dürften es viele innerhalb der GAL bedauern, nicht schon im August anlässlich der Wahl von Ahlhaus das Ende der Koalition erklärt zu haben. Die Koalitionäre verwalten nun ein politisches Projekt, dessen Inhalte aus jeweils entgegengesetzten Gründen den Beteiligten längst nicht mehr ins Konzept passen. Je vehementer die CDU neuerdings auf Kosten der GAL ihr konservatives Profil schärft, umso weniger Lust verspürt man dort, stillzuhalten. Schon im Oktober empfahl die Vorsitzende der GAL, Katharina Fegebank, ohne konkrete Koalitionsaussage in den nächsten Bürgerschaftswahlkampf zugehen. Anfang November erklärte sie dann öffentlich: »Im Moment kann niemand sagen, ob die Koalition hält.«
Keine zwei Tage nach Fegebanks Äußerungen verlieh Jens Kerstan, der Fraktionsvorsitzende der GAL in der Hamburger Bürgerschaft, den Forderungen nach einem Rücktritt von Dirk Jens Nonnenmacher Nachdruck. Gegen den Vorstandsvorsitzenden der landeseigenen HSH-Nordbank wird wegen des Verdachts der illegalen Bespitzelung von Bankmanagern ermittelt. Kerstan drohte mit dem Bruch der schwarz-grünen Koalition. Zu den tagespolitischen Problemen kommt die Tatsache, dass sich kaum eines der zentralen grünen Wahlkampfversprechen durchsetzen ließ. Die Verhinderung des Moorburger Kohlekraftwerks hatte sich schon mit dem Abschluss des Koalitionsvertrags erledigt. Die Schulreform für längeres gemeinsames Lernen wurde im Sommer durch einen Volksentscheid verhindert. Und die Wiedereinführung einer Straßenbahn, eines der letzten wichtigen Projekte der GAL, ist angesichts prognostizierter Kosten von 330 Millionen Euro mehr als fraglich, zumal sich bereits ein erstes Bürgerbegehren dagegen formiert. In der Flüchtlingspolitik wird die GAL mit dem Vorwurf konfrontiert, vor allem die skandalöse Sammelunterbringung von Familien weit außerhalb von Hamburg nicht beendet zu haben. Dazu sagte die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller im Gespräch mit der Taz: »Auch wenn ich flüchtlingspolitisch ganz andere Vorstellungen habe, haben wir ganz realpolitisch die Situation für viele Flüchtlinge verbessert.« Tatsache bleibt jedoch, dass sich unter der politischen Verantwortung des grünen Justizsenators Till Steffen bereits zwei Flüchtlinge in Abschiebehaft das Leben genommen haben. Ähnlich hilflos präsentiert sich die GAL auch in den Debatten um fehlenden bezahlbaren Wohnraum in Hamburg und die Sparbeschlüsse, die von der Partei widerspruchslos mitgetragen werden. Es ist vor allem der Springer-Presse zu verdanken, dass der Protest von 16 000 Menschen Anfang Oktober gegen die Sparpolitik des Senats nahezu totgeschwiegen wurde.

Letztlich können sich die Grünen damit trösten, dass ihr Regierungspartner derzeit nicht wesentlich besser dasteht. Christoph Ahlhaus scheint sichtlich überfordert mit seinem Amt und ist umzingelt von CDU-Senatoren, die durch Peinlichkeiten, Pleiten und Pannen auffallen. Gegen den Finanzsenator Carsten Frigge läuft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue, das sogar zu einer Hausdurchsuchung des LKA Hamburg geführt hat. Er soll mit seiner Beratungsfirma bis zu 400 000 Euro veruntreut haben. Noch können der Finanzsenator und der Bürgermeister mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Unschuldsvermutung die Forderung nach einem Rücktritt abwehren. Der Wirtschaftssenator Ian Karan, der als Selfmade-Millionär mit migrantischem Hintergrund kurzfristig als neuer Shooting-Star des schwarz-grünen Senats galt, ist grund­legenden Anforderungen seines Jobs nicht gewachsen. Der von Bürgermeister Ahlhaus neu berufene Kultursenator Rainhard Stuth gilt schon nach wenigen Wochen im Amt als politischer Totalausfall. Eigentlich sollte die Kulturbehörde abgeschafft werden, als Konzession an die Grünen wurde mit Stuth dann doch ein neuer Senator berufen. Es ist Stuths zweiter Versuch in der Behörde, denn als Kulturstaatsrat war er wegen Überforderung erst vor einem Jahr entlassen worden.
In Hamburg gibt es neben der Opposition nur einen Menschen, der von dem schwarz-grünen Desaster profitiert. Das ist der neue Innensenator Heino Vahldieck (CDU), der sich unauffällig in die Position für eine Spitzenkandidatur bringt. Zwar gilt er als stramm rechts, aber seit seinem Amtsantritt als Innensenator gibt er sich betont moderat und scheint präsentabler als Ahlhaus. Vor der Hamburger Innenministerkonferenz legte er eine Neuregelung des Bleiberechts für bisher geduldete Flüchtlinge vor, die leichter einen dauerhaft gesicherten Status erhalten sollen. Gleichzeitig sollen aber »integrationsunwillige Ausländer« leichter abgeschoben werden. Diese Doppelstrategie, sowohl eine konservative wie auch eine liberale Klientel zu bedienen, hat bereits Ole von Beust vor acht Jahren in das Amt des Bürgermeisters gebracht.