Berlin Beatet Bestes, Folge 71

Frohsinn mit E-Gitarre

Berlin Beatet Bestes. Folge 71. George Barnes And His Octet: »Love Is Just Around The Corner« (1957).

Love Is Just Around The Corner« heißt einer von vier Titeln auf dieser EP des deutschen Manhattan-Labels, eines für Jazz zuständigen Unterlabels von Ariola. Die anderen Titel sind durchschnittliche amerikanische Swingnummern. Dieser eine Titel allerdings sticht heraus, denn es ist die swingende, ja geradezu fröhliche elektrische Gitarre, die den Song so besonders macht. Ich kenne nicht viele Jazzsongs, die so klingen. Und dies ist Jazz, trotz des flotten, rockigen Tempos.
Obwohl ich diese Platte schon seit einigen Jahre besitze, habe ich mir erst vor ein paar Tagen die Mühe gemacht, nach Informationen zum Interpreten zu suchen. Es überraschte mich nicht, dass George Barnes, geboren 1921 in Chicago, gestorben 1977 in Kalifornien, ein bekannter Swing-Jazz-Gitarrist gewesen ist. Dass jedoch dieser George Barnes, von dem ich zuvor noch nie gehört hatte, nach eigener Aussage der erste war, der 1931 auf einer elektrischen Gitarre spielte, bevor diese regulär in den Handel kamen, ist bemerkenswert. Die Sessions, in denen der Weiße George Barnes 1938 die schwarze Blues­legende Big Bill Broonzy begleitete, waren zumindest die ersten Aufnahmen einer elektrischen Gitarre. Warum kennt man diesen Mann, der einen so bedeutenden Teil der Pop-und Rockgeschichte geschrieben hat, dann nicht?
Es liegt wohl daran, dass er sich in seiner mehr als 40 Jahre währenden Karriere lieber im Hintergrund hielt. Obwohl er bereits 1940 seine erste Platte unter eigenem Namen veröffentlichte und ab 1946 mit seinem Oktett für das Mercury-Label aufnahm, arbeitete er doch hauptsächlich als Studiomusiker für das Label Decca. So begleitete er in den fünfziger Jahren Ella Fitzgerald, Dinah Washington, Frank Sinatra oder Teen-Stars wie Connie Francis oder Janis Martin, die als weiblicher Elvis galt. Äußerlich eignete George Barnes sich nicht zum Popstar, und er hatte auch keinen Sinn für die Drogeneskapaden der Bebop-Szene. Stattdessen arbeitete der am Swing geschulte Gitarrist an seinem ganz eigenen Stil. Der Klang seines Gitarrenspiels war heller als der anderer Jazzgitarristen und offenbarte seinen fröhlichen Ansatz.
Auf »Love Is Just Around The Corner«, das der Grand-Award-LP »Guitar in Velvet« entnommen ist, spielt Barnes eine an der Klarinette orientierte Melodielinie. Hier ist auch das für seine Improvisation typische call and answer-Spiel zu hören. Er spielte eine Phrase in einer Oktave (call) und wiederholt sie in einer anderen Oktave (answer). Die Klarheit, die Leichtigkeit und die atemberaubende Präzision, mit der er Gitarre spielt, sind auf allen seinen Aufnahmen sofort wiedererkennbar. Trotz der langen Diskografie sind bis heute nur drei CDs von George Barnes regulär wiederveröffentlicht worden. Seine eher rockenden Alben der Fünfziger, »Country Jazz«, »Guitar In Velvet« und »Guitars … By George!«, finden sich nicht mal im Internet.