Wir sind Sicherheitsrat!

Wer zahlt, will auch sitzen

Deutschland wurde in den UN-Sicherheitsrat gewählt. Wie es dazu kam, wird gar nicht erst gefragt.

Einst fragte US-Außenminister Henry Kissinger: »Wen soll ich anrufen, wenn ich Europa sprechen will?« Mittlerweile hätte er eine offizielle Ansprechpartnerin, Catherine Ashton ist die »Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik«. Ein etwas sperriger Amtstitel, der in den Medien meist mit »EU-Außenbeauftragte«, weit seltener mit »EU-Außenministerin« abgekürzt wird.
Denn obwohl »die Gemeinsame Außen- und ­Sicherheitspolitik« im Vertrag von Lissabon großgeschrieben wird, vertreten die Regierungen der Mitgliedsstaaten weiterhin nationale Interessen. Bei der Bewerbung um den Sitz als nicht ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat kandidierte Deutschland in der vergangenen Woche nicht nur gegen Kanada, sondern auch gegen Portugal. Der SPD-Abgeordnete Martin Schulz hielt die Konkurrenz zweier EU-Staaten »eher für eine Belastung«, aber der Mann sitzt ja auch im Europäischen Parlament. In Deutschland hingegen wurde die patriotische Freude darüber, dass »wir« nun bald wieder im Sicherheitsrat sitzen dürfen, nicht von kritischen Debatten getrübt.
Mit bräsiger Selbstgefälligkeit behaupten Politiker und Kommentatoren, dass Deutschland als drittgrößtem Beitragszahler der Uno mehr Einfluss gebühre. An sich aber sind die Vereinten Nationen keine Aktiengesellschaft. Kanada, das bereits sechs Mal in den Sicherheitsrat gewählt wurde, unterlag zunächst gegen Deutschland und dann bei der Wahl des zweiten westlichen Ratsmitglieds gegen Portugal. Viele kanadische Kommentatoren führten dies auf »die starke Unterstützung für Israel« zurück, berichtet die Tageszeitung Ha’aretz. Aber auch andere Motive könnten ausschlaggebend gewesen sein.
Die Wahl ist geheim, doch darf man annehmen, dass nicht nur lupenreine Demokraten sich für Deutschland entschieden haben, das 128 von 192 Stimmen erhielt. Dass der deutsche Sieg nicht dem vorgelegten Programm zu verdanken ist, kann ebenfalls als sicher gelten. Außenminister Guido Westerwelle nannte die Schwerpunkte Frieden, Sicherheit und Krisenbewältigung, Themen von globaler Relevanz, humanitäre Anliegen sowie Transparenz und Offenheit. Selbst von ihm hat man schon originellere Äußerungen zur Außenpolitik gehört. Konkreter wird es nur beim Thema UN-Reform. Deutschland möchte einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat, damit die lästigen Wahlen entfallen.
Was Deutschland besser kann als Mikronesien oder Ghana, muss hierzulande nicht erörtert werden. Gerne wird behauptet, zahlreiche Staaten wünschten sich eine ständige deutsche Mitgliedschaft. Als vor fünf Jahren die Reform der Uno diskutiert wurde, stellte sich jedoch heraus, dass etwa die Afrikanische Union die deutschen Pläne ablehnte. Überdies gedenken Briten und Franzosen nicht, ihre ständigen Sitze aufzugeben, und solange das so bleibt, hat Deutschland keine Chance, als dritter europäischer Staat dauerhaft in den Sicherheitsrat aufgenommen zu werden. Kissingers Nachfolgerin Hillary Clinton wird wohl Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und vielleicht noch David Cameron anrufen, wenn sie »Europa« sprechen will. Das ist auch besser so, denn die Stimme Europas wäre ansonsten wohl die des größten Beitragszahlers.