Der Bär, der nach Disneyland wollte

Kim Jong-il versteht es, die Weltöffentlichkeit in Atem zu halten und zu unterhalten. Zuletzt gab es am 10. Oktober zum 65. Jahrestag der Partei der Arbeit Koreas Paraden und Volkstänze zu bewundern. Seine Verdienste machen den »geliebten Führer« Kim Jong-il zwar unsterblich, doch hält er die Zeit für gekommen, seine Nachfolge zu regeln. Deshalb wurde anlässlich der Feier sein jüngster Sohn Kim Jong-un als künftiger Führer aufgebaut. Gewöhnlich erbt in einer Dynastie der älteste Sohn den Thron. Doch das war es nicht, was eben dieser älteste Sohn, Kim Jong-nam, in China am Dienstag voriger Woche in einem Interview mit dem spanischen Fernsehsender TV Asahi sagen wollte. »Persönlich bin ich gegen eine erbliche Nachfolgeregelung über drei Generationen. (…) Aber ich denke, es gibt einen internen Grund dafür. Wenn das so ist, müssen wir das wohl befolgen.« Das mag als eine dezente Kritik erscheinen, der eine demütige Relativierung folgt, doch in Nordkorea darf das Wort »gegen« nie im Zusammenhang mit Entscheidungen des »geliebten Führers« geäußert werden. In der südkoreanischen Presse wurde gemutmaßt, dass die chinesische Regierung das Interview eingefädelt habe, um über Kim Jong-nam Kritik an Nordkorea zu artikulieren. Im Gegenzug garantiere China wohl für dessen Sicherheit. Nur so lasse sich erklären, dass Kim Jong-nam so deutlich geworden sei.
Aufgefallen war Kim Jong-nam bereits im Jahr 2001, als er mit einem gefälschten Pass bei der Einreise nach Tokio erwischt wurde. Ausgestellt war der Pass auf den chinesischen Namen Pang Xion – »fetter Bär«. Im Verhör gab er an, er habe Disneyland Tokio besuchen wollen. Es folgten Berichte über Besuche von Bordellen und Popkonzerten, ein ausschweifendes Leben in der Glücksspiel-Metropole Macau und einen Schmuggelskandal. Kim Jong-nam hatte immer Journalisten im Nacken, sein Lotterleben wurde für den gestrengen Vater zum Ärgernis. Allgemein bekannt ist zwar, dass auch der »geliebte Führer« ein großer Freund edler Spirituosen und unbekleideter Tänzerinnen ist. Doch er achtet auf Diskretion. Kim Jong-nam sagte bereits im vergangenen Jahr, dass er »eigentlich kein Interesse« daran habe, Nachfolger seines Vaters zu werden. Immerhin erhielt er bislang angeblich 500 000 Dollar pro Jahr. Ob sein Vater das Taschengeld nun gestrichen hat, ist nicht bekannt.