Ab in die Mitte. Die Junge Freiheit will groß rauskommen

Ab in die Mitte

Höhere Auflage, größere Redaktion, teure Werbekampagne: Die Junge Freiheit will ganz groß rauskommen.

Der deutsche Volkskörper geht der demografischen Apokalypse entgegen, dem christlichen Abendland droht der Untergang – die Lieblings­themen der extrem rechten Wochenzeitung Junge Freiheit haben derzeit Konjunktur. Das scheint die Blattmacher anzuspornen. Alimentiert von »großzügigen Spendern und Freunden«, wie es der Chefredakteur und Geschäftsführer Dieter Stein formulierte, gönnte sich die Zeitung einen aufwendigen Relaunch und eine kostspielige Werbekampagne mit halbseitigen Anzeigen in der FAZ und der SZ.
Ende September hatte die Junge Freiheit zudem ein Übernahmeangebot für die katholische Traditionszeitung Rheinischer Merkur vorgelegt. Den Zuschlag erhielt zwar die Zeit, dennoch konnte Stein öffentlich finanzielle Stärke und Expansionswillen demonstrieren. Der Mann hegt aber nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Ambitionen. In der Phantomdebatte um eine »Sarrazin-Partei« sieht es die Junge Freiheit als ihre »Aufgabe an, dass sich das deutsche Parteienspektrum hier ergänzt«, und will »zweifellos dazu beitragen, dass sich da etwas tut«.

Stein hatte die Junge Freiheit im Jahr 1986 in Freiburg als Schüler- und Studentenzeitung mit einer Auflage von 400 Stück gegründet. Auf einer Pressekonferenz im Berliner Westin Grand Hotel präsentierte er Ende September stolz das neu gestaltete Blatt. Nach dem Ende des Rheinischen Merkur beansprucht die Junge Freiheit den Rang der zweitgrößten politischen Wochenzeitung in Deutschland und der einzigen »mit einem dezidiert konservativen Profil«. Der Umfang der Jungen Freiheit hat sich um 20 Prozent vergrößert, die Redaktion wurde nach eigenen Angaben verstärkt und die Auflage angeblich von 18 000 auf 40 000 Exemplare erhöht. Man könnte durchaus die Frage stellen, ob sich die augenscheinliche Euphorie der Zeitungsmacher derart auf die Leser überträgt, dass sich deren Zahl innerhalb kürzester Zeit mehr als verdoppeln kann. Doch für Stein besteht die Gewissheit: »Der Überdruss an einer fast ausschließlich links bis linksliberal ausgerichteten Medienlandschaft wächst. Die Junge Freiheit ist die Antwort darauf.«
Fast 25 Jahre nach ihrer Gründung hat es die Wochenzeitung tatsächlich geschafft, sich als Stammpostille der intellektuellen Rechten zu etablieren. Obwohl der Inhalt nicht nur Rechtskonservatives, sondern auch Rechtsextremes bietet, konnte sich das Blatt öffentlich von den Schmuddel-Nazis der NPD und der Freien Kameradschaften distanzieren. Im Jahr 2005 sah das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen die Pressefreiheit darin, dass die Junge Freiheit im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen als rechtsextreme Publikation geführt wurde. Mittlerweile pflegen nicht mehr nur die üblichen rechten Hardliner der CDU wie ehemals Heinrich Lummer oder Jörg Schönbohm Verbindungen zu der Zeitung. Auch andere Figuren haben ihre Berührungsängste verloren und sorgen mit ihren Interviews dafür, dass die Junge Freiheit auch in der sogenannten bürgerlichen Mitte nicht mehr anrüchig erscheint. In der vorletzten Ausgabe der Zeitung forderte beispielsweise der Professor Peter Brandt, der Sohn von Willy Brandt und ein Mitglied der historischen Kommission der SPD, seine Partei zu einem »positiven Verhältnis zu Volk und Nation« auf.

Den Rheinischen Merkur zu übernehmen, wäre ein wahrer Coup gewesen, der der Jungen Freiheit nicht nur zunächst 65 000 zusätzliche Leser einer besonders unter deutschen Konservativen und Katholiken angesehenen Zeitung, sondern auch eine größere Akzeptanz beschert hätte. Dass das Geschäft nicht zustande kam, der Merkur eingestellt und ab Januar nur noch als sechsseitige Beilage der Zeit erhältlich sein wird, kommentierte Stein in einem Brief an Erzbischof Robert Zollitsch, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, die den Merkur maßgeblich finanzierte: »Der Verlust eines vor Jahren noch dezidiert christlich-konservativen Titels ist beklagenswert genug. Die quasi Auslieferung der Leser, die zu einem Teil noch glaubten, ein konservativ-katholisches Blatt abonniert zu haben, an eine Wochenzeitung, die aus ihrer Gegnerschaft gegenüber der Kirche selten einen Hehl gemacht hat, ist jedoch ein Skandal.«
Als Beleg dafür, dass die Übernahme durch die Junge Freiheit der einzige logische Schritt gewesen wäre, wird neben der gemeinsamen konservativ-christlichen Ausrichtung auch die Tatsache angeführt, dass Autoren wie Jürgen Liminski, Martin Lohmann und Günter Zehm ohnehin schon »den Weg vom Rheinischen Merkur zur Berliner Wochenzeitung fanden«. Zehm, auch als der Kolumnist »Pankraz« bekannt, wechselte jedoch nicht einfach die Redaktionen, sondern verließ die katholische Zeitung, nachdem sich deren damaliger Chefredakteur geweigert hatte, einen geschichtsrevisionistischen Beitrag des Autors zu veröffentlichen. »Pankraz« wurde zu einem prominenten Autor der Jungen Freiheit und machte neben seiner Tätigkeit als Kolumnist unter anderem mit einem Essay in einer Festschrift für den Holocaust-Leugner David Irving auf sich aufmerksam.
Das Ziel, sich inhaltlich treu zu bleiben und dennoch die rechte Nische zu verlassen und neue Leser zu gewinnen, verfolgt die Junge Freiheit auch mit einer insgesamt mehr als 500 000 Euro teuren Werbekampagne. Die Wochenzeitung schaltete unter anderem Anzeigen in der FAZ und der SZ. Die am Wochenende der Einheitsfeierlichkeiten veröffentlichte Annonce hat sich mittlerweile besonders für die als linksliberal geltende SZ zu einer peinlichen Angelegenheit entwickelt. Wenn es um die Grundsätze der Anzeigenschaltung geht, verweist die SZ an den stellvertretenden Chefredakteur Wolfgang Krach, der jedoch auf entsprechende Anfragen per E-Mail keine Auskunft gibt.
Nicht weniger peinlich geriet die Weigerung der Zeitung, einen von zahlreichen Politikern, Gewerkschaftern, Wissenschaftlern und antifaschistischen Gruppen unterzeichneten Leserbrief zu veröffentlichen, in dem die SZ aufgefordert wird, dem »Normalisierungsprozess völkischer und extrem rechter Positionen nicht auch noch Vorschub zu leisten und bei der Auswahl ihrer Anzeigenkunden künftig etwas sensibler zu Werke zu gehen«. Dass die SZ bisweilen ein eher unverkrampftes Verhältnis zur Jungen Freiheit pflegt, machte auch ein im Juli erschienener Artikel deutlich. In diesem nimmt der Autor Marc Felix Serrao das extrem rechte Blatt als lediglich »biederes rechtskonservatives Organ« gegen die angeblich zensurwütigen Initiatoren einer »Kampagne gegen rechte Zeitungen« in Schutz, über die er sich als »Bund der Vertreibenden« mokiert.

Der Anzeigenabteilung der SZ dürfte aber einfach gleichgültig sein, wer die stattlichen Summen für die Annoncenplätze bezahlt – Hauptsache, der Umsatz stimmt. Der SZ-Shop verfolgt anscheinend dieselbe Verkaufspolitik. Er bietet Bücher, DVDs und CDs des Winkelried-Verlags an, der von Eric Kaden, einem Mitarbeiter der Mecklenburger Landtagsfraktion der NPD, geführt wird. Der Shop führt einen großen Teil des Verlagsprogramms: unter anderem »Mein Kriegstagebuch« des Nazi-Fliegers Hans-Ulrich Rudel, die Memoiren des belgischen Nazi-Kollaborateurs Léon Degrelle und die CD »Lieder, die wir einst sangen« mit musikalischer Landser-Unterhaltung. Der Buchdienst der Jungen Freiheit führt hingegen keine Titel des Winkelried-Verlags – man will wahrscheinlich um des guten Rufs willen auch beim Bücherverkauf nicht mit der NPD in Verbindung gebracht werden.