Vergewaltigungen in der katholischen Kirche

Das Gesetz des Schweigens

Nur öffentlicher und staatlicher Druck kann die katholische Kirche zwingen, gegen geistliche Vergewaltiger vorzugehen.

Von einer »Erziehung, die es erlaubt, nicht nur körperliche Beziehungen einzugehen, fehlt im Verhalten der minderjährigen Vergewaltiger jede Spur«, urteilte die Mailänder Richterin Bianca La Monica Anfang Februar. Die Eltern mehrerer Jugendlicher müssen nun insgesamt 450 000 Euro Schadenersatz zahlen. Ein fragwürdiges Urteil, zumal allein aus den Verbrechen der Jugendlichen geschlossen wurde, es müsse Versäumnisse bei der Erziehung gegeben haben.
Etwas anderes wäre es gewesen, wenn die Eltern von den Vergewaltigungen gewusst und das Opfer unter Druck gesetzt oder ihm Schweigegeld aufgedrängt hätten, oder wenn sie ihre Söhne, nachdem sich Gerüchte über deren Taten in der Nachbarschaft verbreiteten, an einen anderen Ort in unmittelbarer Nähe neuer potentieller Opfer gebracht hätten. Wenn sich die Eltern also so verhalten hätten, wie es die katholische Kirche immer wieder getan hat und wahrscheinlich weiterhin tut, würde man zu Recht von Komplizenschaft und Behinderung der Justiz sprechen.
Jeder Enthüllung eines Vergewaltigungsfalls, ob im Berliner Canisius-Kolleg oder in der Erzdiözese Dublin, folgt unweigerlich die Erkenntnis, dass es sich nicht um nur einen Täter handelte. Ebenso unweigerlich folgt den ersten Reuebekundungen die Behauptung, dass man nicht verallgemeinern dürfe und das Problem nichts mit der Hierarchie und der Doktrin der Kirche zu tun habe.
Doch außerhalb der Familie gibt es wohl keinen Ort, an dem die Gefahr für Kinder, vergewaltigt zu werden, größer ist als in katholischen Einrichtungen. Der Grund dafür ist nicht das Zölibat, Vergewaltiger sind keine Triebtäter. Dass der spanische Kardinal Antonio Cañizares und andere hohe Geistliche meinen, Abtreibung sei ein viel schlimmeres Verbrechen als Vergewaltigung, trägt jedoch ebenso wie die Duldsamkeit der Vorgesetzten dazu bei, den Tätern ihre Verbrechen als lässliche Sünden erscheinen zu lassen.
Die katholische Kirche nutzte systematisch ihre Privilegien, um eine Aufklärung zu verhindern. Als Mittel gegen die Kultur der Straflosigkeit bleiben nur öffentlicher Druck und juristische Ermittlungen. Zwar konnte die katholische Kirche in den USA durch außergerichtliche Vergleiche oft Prozesse vermeiden, doch immerhin ist die Summe der Ablasszahlungen mit bislang 1,2 Miliarden Dollar so hoch, dass einige Diözesen Insovenz anmelden und andere ihren Immobilienbesitz veräußern mussten.
Der kalifornische Kardinal Roger Mahony, der jahrzehntelang geistliche Vergewaltiger gedeckt haben soll, wurde im Januar fünf Stunden lang von der Staatsanwaltschaft verhört. Ein solches Vorgehen wäre im vermeintlich säkularen Europa undenkbar, zumal auch die Aussage Benedikt XVI. von Interesse wäre, der vor seiner Ernennung zum Papst als Präfekt der Glaubenskongregation für den kirchenrechtlichen Umgang mit mutmaßlichen Vergewaltigern zuständig war.

Zum Rapport
Irland. Zu einem Krisentreffen hat Benedikt XVI. in dieser Woche die irischen Bischöfe einbestellt. Denn nach der Veröffentlichung des Murphy-Reports, der belegte, dass die Kirche Dutzende geistlicher Vergewaltiger schützte, mussten nicht nur vier Bischöfe zurücktreten. Es drohen auch Schadenersatzklagen, Operschutzgruppen wie One in Four wollen sich nicht mit üblichen Reuebekundungen zufrieden geben. Bereits zuvor war bekannt geworden, dass es in katholischen Heimen und Schulen auf der Insel zu schweren Misshandlungen gekommen war. Viel Neues werden die Bischöfe dem Papst jedoch nicht berichten können. Als Kardinal Ratzinger sei er »über die gesamte Angelegenheit sehr gut informiert« gewesen, sagte Bischof Joseph Duffy.   js