Über die Affäre um Tiger Woods

Eine schwer beschädigte Marke

Tiger Woods hat seine Frau betrogen. Nun bangen Sponsoren ums Image und der Golfsport um Einnahmen.

Tiger Woods sei »gegen einen Baum gefahren, aus dem dann eine ganze Menge Frauen heruntergefallen« seien, umschrieb Seth Meyers, einer der Comedians in der renommierten amerikanischen Show »Saturday Night Live«, das, was derzeit weltweit die Schlagzeilen beherrscht. Nach einem Ehekrach wegen einer Affäre an Thanksgiving hatte der Golfer sich in sein Auto gesetzt und einen Unfall gebaut. Woods war dabei zwar weitgehend unverletzt geblieben, allerdings wurden in der Folge immer mehr außereheliche Affären des Sportlers bekannt.
Meyers’ nächster Witz zum Thema ist mittlerweile überholt. »Seine Sponsoren halten weiter zu ihm«, hatte er gesagt, »das ist ein klares Zeichen: Frauen gucken kein Golf.«
Mittlerweile hat allerdings bereits der zweite Sponsor den Vertrag mit Woods gekündigt. Accenture, eine der weltgrößten Consulting-Firmen, beendete nach sechs Jahren die Zusammenarbeit. »Go on. Be a Tiger« hatte es seit 2003 in den Anzeigenkampagnen des Unternehmens geheißen. Damit ist nun Schluss: »Herr Woods ist nicht länger der bestmögliche Repräsentant«, erklärte Accenture am Sonntag lapidar. Dabei handele es sich, so die New York Times, um ein gutes Beispiel dafür, »wie riskant es für Unternehmen sein kann, ihr Marketing auf eine einzige bekannte Person zu gründen, vor allem in Zeiten, in denen Blogs, Handycams und die digitalen Spuren, die von diesen Cele­brities hinterlassen werden, ganz schnell die Schwächen eines Stars öffentlich machen können.«
Mit Michael Phelps hatte in diesem Jahr schon ein anderer Sportler seinen Hauptsponsor verloren. Nachdem der Schwimmer auf einer Party heimlich dabei gefilmt worden war, wie er einen Bong rauchte, hatte der Cornflakes-Hersteller Kellogg’s mit einer ähnlichen Begründung wie jetzt Accenture die Zusammenarbeit beendet: Phelps’ Verhalten passe nicht länger zum Markenimage, hieß es kurz und bündig.
Dass Tiger Woods für seinen Sponsor so schnell zu einem Problem wurde, erkläre sich auch daraus, dass »die meisten Menschen eigentlich keine Ahnung haben, was diese Firma namens Accenture überhaupt macht«, schrieb die New York Times, »Woods war zum Gesicht des Unternehmens geworden«. Nun werde dieses Gesicht mit Untreue und Vertrauensmissbrauch in Zusammenhang gebracht, sagte David Arluck, ein Fachmann für Sport-Marketing, »und davon muss man sich natürlich ganz schnell distanzieren«.
Tiger Woods war schließlich durch immer neue Seitensprung-Enthüllungen innerhalb weniger Tage vom gefeierten Star zu einer verachteten Person geworden: »Dies ist das schnellste Absinken auf der Beliebtheitsskala, das wir jemals gesehen haben«, sagte Al DiGuido, CEO von Zeta Interactive. Die Werbeagentur hat sich auf die Beobachtung von Internetforen, Blogs und Postings bei Social-Media-Angeboten spezialisiert, Tiger Woods brauchte demnach nach seinem Unfall nur wenige Tage, um von einem sensationell guten Wert (91 Prozent positive Erwähnungen) auf einen negativen zu fallen.
Was auch an den Witzen liegen könnte, die Comedians wie Meyers über den Golfer rissen. Diese führten wohl außerdem mit dazu, dass Woods seine Sponsoren verlor. Die auf das Messen von Werbeerfolgen spezialisierte Nielsen IAG stellte fest, dass bei vielen Gags über den Golfer auch die Unternehmen genannt wurden, für die er warb. In Telefonumfragen stellte sich dann heraus, dass sich 55 Prozent der befragten Zuschauer an die Namen dieser Unternehmen erinnern konnten – normalerweise tun dies nur 39 Prozent. Elf Prozent gaben überdies an, dass sie die jeweiligen Marken negativ beurteilten, durchschnittlich liegt dieser Wert bei sechs Prozent.
»Tiger Woods wird aus der ganzen Geschichte als schwer beschädigte Marke herauskommen, er wird sich restrukturieren müssen, ein paar Monate lang wird es für ihn sehr hässlich werden«, beurteilt der Public-Relations-Fachmann Ben Porritt die Auswirkungen der Affären auf den Sportler.
Die größten Auswirkungen dürften Woods’ Affären allerdings auf die PGA, die Professional Golfers Association, haben. Steve Stricker, die Nummer Drei der Weltrangliste, sagte Ende vergangener Woche: »Wir brauchen ihn, nicht nur wegen der Sponsoren, sondern generell wegen der Aufmerksamkeit, die die Tour durch ihn erhält.« Nick Price, seit 2003 in der World Golf Hall of Fame und immer noch einer der größten Konkurrenten von Woods, äußerte sich ebenfalls sehr eindeutig: »Wir wissen doch alle, wie es ist, wenn er nicht spielt, die Golfwelt wird ihn vermissen.«
Im Jahr 2008, als Tiger Woods wegen einer schweren Knieverletzung nur an sechs Turnieren teilnehmen konnte, waren die Auswirkungen enorm. Wenn der Star nicht an den Start ging, sank die Zahl der Fernsehzuschauer bei den Übertragungen der PGA um glatte 50 Prozent. Acht Monate lang musste der Golfer damals pausieren, die Namen derjenigen, die in dieser Zeit Turniere gewinnen konnten, blieben dem größeren Publikum unbekannt, dafür wurde seine Rückkehr von der Nachrichtenagentur Associated Sports als eine »der am meisten erwarteten des Sports« bezeichnet.
Bereits 1996, als Woods in der PGA Tour zu spielen begann, zeigte sich, wie wichtig er für seine Sportart ist. Als weltweit über den ersten schwarzen Superstar des Golfs berichtet wurde, stellte sich prompt das ein, was fortan als der »Tiger Effect« bezeichnet wurde: »No Woods, no ratings« – wenn Woods nicht spielt, schaut auch niemand zu.
Und so ist es auch nicht besonders erstaunlich, dass die Konkurrenz die annoncierte Pause vom Golfsport nicht als große Chance sieht, sondern sich mehrheitlich besorgt über Woods’ Zustand äußert und sich wünscht, dass er möglichst bald wiederkommt. Die anderen Spieler wissen schließlich ganz genau, wie viel sie ihm zu verdanken haben: Seit 1996, also dem Jahr, in dem das damalige Supertalent zur PGA stieß, haben sich die Preisgelder vervierfacht, von rund 70 Millionen Dollar auf in diesem Jahr 278 Millionen. Das Sponsoring der Turniere war immer attraktiver geworden, denn die Geldgeber konnten sicher sein, dass ihre Marken nicht nur in Golf-Publikationen, sondern weltweit auch in den auflagenstarken Illustrierten gezeigt wurden, wenn Tiger Woods wieder einmal gewonnen hatte.
Folgerichtig äußert sich auch die PGA nur sehr zurückhaltend über die Affären ihres gefallenen Idols. Dessen temporärer Rückzug fiel in eine ganz besonders ungünstige Zeit. Gerade in diesen Wochen verhandelt die Professional Golfers Association mit ihren Sponsoren über die Verträge für die Saison des nächsten Jahres, und da Woods vermutlich mindestens die ersten Turniere 2010 nicht bestreiten wird, werden die potenziellen Geldgeber in Zeiten der Weltwirtschaftskrise äußerst zurückhaltend sein.