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Am Ende blieb nur ein Kandidat übrig. Das ist eine schlechte Voraussetzung für Wahlen, und am Montag sagte die afghanische Wahlkommission die für den kommenden Samstag geplante Veranstaltung ab. Nur unter starkem internationalem Druck hatte sich Präsident Hamid Karzai bereit erklärt, sich dieser Stichwahl zu stellen, die notwendig geworden war, weil in der ersten Runde am 20. August nach Schätzungen unabhängiger Wahlbeobachter mehr als ein Viertel der Stimmzettel »verdächtig«, also wahrscheinlich gefälscht war. Doch Karzais Gegenkandidat Abdullah Abdullah wollte nicht mitmachen, am Samstag erklärte er seinen Verzicht auf die Teilnahme an der Stichwahl. Er hatte gefordert, die für den Wahlbetrug maßgeblich verantwortlichen Spitzenbeamten und Minister zu entlassen oder zu suspendieren. Man mag bezweifeln, ob er sich als Präsident anders verhalten hätte als Karzai. Denn auch Abdullahs einflussreiche Anhänger haben manipuliert, wo sie die Möglichkeit dazu hatten. Doch seine Forderung, die Wahl nicht mit den gleichen Betrügern an der Spitze der Bürokratie zu wiederholen, war berechtigt.
Die einzig vernünftige Reaktion wäre gewesen, mit einer Interimsregierung zu überwintern, die Wahlkommission und –bürokratie zu reorganisieren und nach der Schneeschmelze von vorne zu beginnen. Stattdessen hat die »internationale Gemeinschaft« den Wahlbetrug, den ihre Beobachter aufdeckten, nachträglich legitimiert. »Wir gratulieren Präsident Karzai zu seinem Sieg in dieser historischen Wahl«, heißt es in einer Stellungnahme der US-Botschaft in Kabul. Auch der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gratulierte und fügte hinzu, dass »Lektionen gelernt werden müssen«. Die Lektion, die afghanische Demokraten und alle anderen, die in der islamischen Welt und anderswo gegen Diktatur und Autokratie kämpfen, lernen müssen, ist, dass sie nicht auf die Hilfe der »internationalen Gemeinschaft« zählen können. Doch auch die Bundesregierung, die einmal mehr so tut, als ginge sie das alles gar nichts an, kann sich auf unerfreuliche Lektionen gefasst machen. Denn Abdullahs Machtbasis liegt im Einsatzgebiet der Bundeswehr. Wenn sich Abdullah nicht doch noch mit Posten und Pfründen abfinden lässt, könnten die dortigen Machthaber Karzais Regierung offen die Gefolgschaft verweigern.