»Californication«

Gott hasst uns alle und schenkte uns doch Hank Moody

Serie über Serien. Angefixt von der ersten Staffel, wartet unsere Autorin dringend auf die Fortsetzung

Californication« ist wie der große Bruder von »Sex and the City«, also nicht ironisch, sondern zynisch, nicht anspielungsreich, sondern schmutzig, Fashion spielt auch nicht die große Rolle, dafür sieht man viel Nacktheit, und die wichtigste Figur, mit der man sich identifiziert und mit der man die gesamten Beziehungsdramen miterlebt, ist kein Girl, sondern ein Mann.
Hank Moody wird von dem ein paar Jahre älter gewordenen und nicht mehr so verdammt glatt wirkenden »Akte X«-Darsteller David Duchovny gespielt, der zugleich auch Mitproduzent der Serie ist und sich die Figur des sexsüchtigen, unproduktiven Schriftstellers hat auf den Leib schneidern lassen. Es ist die Rolle seines Lebens, buchstäblich. Jedenfalls wurde die Selbsteinweisung des Schauspielers in eine Therapie für Sexaddicts in den Boulevardmedien breitgetreten und war auch Teil der Spielhandlung in einer »Sex and the City«-Folge, in der Duchovny einen Gastauftritt hatte und die Rolle des Ex-Schulfreunds von Carrie spielte, der ihr plötzlich wieder über den Weg läuft, aber keine Beziehung mit ihr haben kann, weil er gerade in einer Suchttherapie steckt und sich ganz darauf konzentrieren muss.
In »Californication« ist er weniger therapiewillig. Das Familienglück ist gescheitert, kaum dass er mit seiner großen Liebe Karen und der gemeinsamen 12jährigen Tochter Becca von New York nach Los Angeles gezogen ist, wo sein Buch mit dem genialen Titel »God hates us all« verfilmt und zu einer Hollywood-Schmonzette mit dem blödsinnigen Titel »A stupid little thing called love« verwurstet wurde. Karen wirft Hank vor, Freuds Es in Menschengestalt zu sein und ständig nach »Muschi« zu riechen. Hank leidet in und an L.A., vor allem an der Trennung von Karen und an einer Schreibblockade, und damit werden die Probleme des im Haifischbecken Hollywood gestrandeten Autors existenziell. Erniedrigender Tiefpunkt seiner Schriftstellerkarriere ist der Job bei dem zum Medienim­perium von Karens zukünftigem Gatten gehörenden Hell A Magazine, wo Hank (»Computer sind Wichsmaschinen für Analphabeten!«) als Blogger-Hure beschäftigt wird. Höhepunkt ­aller Komplikationen in der ersten Staffel (»Fucking and Punching«) ist der folgenreiche One-Night-Stand mit einer Lolita namens Mia, von der sich nachträglich herausstellt, dass sie erst 16 und zudem die Tochter des Medientycoons ist, den seine Karen demnächst heiraten wird. Hanks Blockade löst sich, er schreibt sich die verhängnisvolle Affäre von der Seele, Mia klaut ihm das Manuskript, erpresst Hank, veröffentlicht es unter eigenem Namen in Vaters Verlagsimperium und kommt als emanzipierte Lolita-Version mit Paris-Hilton-Allüren ganz groß raus. Eigentlich hätte sein Agent Charlie eingreifen müssen, der aber verstrickt sich in eine SM-Affäre mit seiner Sekretärin und verliert den Überblick über die realen Machtverhältnisse in seinem Office.
»Californication« schockt mit dreckiger Sprache und pornografischen Szenen und ist die nihilistischste unter den schwarzen Komödien, die das Fernsehen bisher ausgespuckt hat. Gnadenlos ausgespielt werden der hemmungslose Egoismus und die alles durchdringende Manipulation karrieregeiler Aufsteiger.
Der Gegensatz zwischen New York als Ort mit Kultur, Style, Geist und dem Sündenpfuhl Los Angeles, wo die schlauen Bücher, die in Manhattan geschrieben, gelesen und debattiert werden, zu hirnlosem Hollywoodschrott verarbeitet werden, ist inzwischen Thema vieler US-Serien, von »Sex and the City« bis »Curb«. In keiner Serie aber wurde die »Kalifornisierung« der Kultur bisher in grelleren Farben ausgemalt als hier. Von der guten alten Traumfabrik ist nichts mehr geblieben, Hollywood ist Fake Factory geworden, ein Ort, wo man einer 16jährigen Tycoon-Tochter ein geniales Buch abkauft, von dem im Grunde jeder weiß, dass dahinter ein wie auch immer geartetes »Lektorat« steht, das die reale Arbeit verrichtet.
Kein Wunder also, dass Gott sie alle hasst, die Filmindustrie, die Sternchen und das Publikum. Aber imerhin hat er uns doch Hank Moody geschenkt, und dafür: danke.