Die Entlassung von Christian Klar

Legal, illegal, scheißegal

Die Empörung über Christian Klars Entlassung zeigt, was einige Politiker vom Rechtsstaat halten.

CDU-Politiker zeigten sich empört, die Bild-Zeitung meldete, Jürgen Vietor, Co-Pilot der 1977 entführten Lufthansa-Maschine »Landshut«, habe sein Bundesverdienstkreuz zurückgegeben – aus Protest dagegen, dass die restliche Haftzeit des ehemaligen RAF-Terroristen Chris­tian Klar zur Bewährung ausgesetzt wird – nachdem er immerhin 26 Jahre in Haft gesessen hat. 1982, als Klar inhaftiert wurde, war das Handy noch nicht erfunden und Franck Ribéry noch nicht einmal geboren.
Aber es bedarf keiner Gnade, keines Mitleids, keines Erbarmens – die vorzeitige Entlassung Klars, die am Montag verkündet wurde, ist schlicht die Anwendung der geltenden Gesetze, alles andere wäre ein Rechtsbruch. Mit einem solchen sympathisiert Bild-Kolumnist Franz-­Joseph Wagner: »Wir kommt ein Mensch klar mit dieser Rechtsprechung? Ich nicht.« Und auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, der von einer »unverständlichen Missachtung des Rechtsempfindens« sprach, offenbarte, dass sein »Rechtsempfinden« nicht mit dem geltenden Recht korrespondiert.
Christian Klar darf wie jeder andere Mensch auch eine kritische oder auch ablehnende Meinung zu geltendem Recht haben, ein Innenminister aber darf das nicht. Doch auf die Idee, Herrmanns Rücktritt zu fordern, weil er nicht auf dem Boden der Verfassung steht, kommt interessanterweise niemand, obwohl die Medien-Kommentatoren im großen und ganzen Klars Entlassung als »Sieg des Rechtsstaats« (Die Zeit) werteten.
Mit Christian Klar kommt der letzte inhaftierte Angehörige der zweiten RAF-Generation frei. Ab Januar sitzt dann nur noch ein ehemaliges RAF-Mitglied im Gefängnis, Birgit Hogefeld aus der dritten Generation. Das heißt jedoch nicht, dass mit ihrer Entlassung eines Tages die Geschichte abgeschlossen sein wird. Denn es wird weiter ermittelt. Mehrere Mitglieder der letzten RAF-Generation sind flüchtig, und die Auswertung genetischer Spuren geht weiter. Die Bundesanwaltschaft hat sich auf Daniela Klette und Ernst Volker Staub als zu ergreifende RAF-Mitglieder festgelegt. Die beiden sind heute 54 und 58 Jahre alt.
»Wir können uns nicht in Luft auflösen«, schrieben die letzten RAFler 1996 in einem Leserbrief, und es klang fast so, als wenn sie sich das eigentlich wünschen würden. 1998 erklärten sie das »Projekt RAF« für beendet, 1999 sollen sie, darauf weisen angeblich DNA-Spuren hin, noch einmal bei einem Raubüberfall auf einen Geldtransporter in Erscheinung getreten sein, also quasi um ihre Rente abzuheben. Das ist nun bald zehn Jahre her.
Ihre Aussteigerprogramme und ihre Resozialisierung hat sich die RAF immer selbst organisiert, ob in jener Weise oder zuvor mit Hilfe der Stasi. Die staatlichen Verfolger waren in dieser Hinsicht wenig erfolgreich, ihnen blieb immer nur die Organisierung der Rache. Erst wenn dieses Denken Geschichte ist, ist auch die RAF Geschichte.