4. November 2008: Morning in America

Morning in America 2: Real Change

Barack Obama ist gewählt. Der 4. November war für viele in den USA ein historischer Tag. Eine kleine Geschichte aus New Hamp­shire.

Der Wahlkampf schien nie zu enden. Andererseits bin ich für sein Ende noch nicht bereit. Können wir das alles nicht noch ein paar Tage aufschieben?
Nach zwei Jahren und Milliarden von Dollars bedeuten Tausende Meinungsumfragen nichts mehr; jetzt zählt nur noch eine Abstimmung.
Ich bin sehr nervös. Karl Rove sagt einen deutlichen Sieg Barack Obamas voraus, aber was weiß er schon? Ich bin überzeugt, vor vier Jahren dachte er, John Kerry würde gewinnen.
Habe ich schon erwähnt, dass ich nervös bin? Bringe die Unterrichtsstunden irgendwie hinter mich, stürze mich dann auf das Wahllokal. In einem Dorf kann man sich nicht verstecken. Die Wahlhelferin erinnert mich daran, dass ich ihr die Fotos nicht geschickt habe, die ich im Januar von ihr gemacht habe. Dann treffe ich einen meiner Studenten, der zu krank war, um zum Unterricht zu ­erscheinen, aber es irgendwie zur Wahl geschafft hat. Hm.
Mache Fotos von den letzten Wahlkämpfern draußen (# 8, # 9). Ich will gerade wählen, als mir klar wird, dass ich nicht möchte, dass mein fünfjähriger Sohn das historische Ereignis versäumt. Fahre nach Hause und mit Ethan wieder zurück. Wie sich herausstellt, können historische Ereignisse ziemlich langweilig sein, zumindest wenn Papa eine Million Bilder davon machen muss, obwohl die Zeitung dann nur eines braucht (# 2). Ab einem bestimmten Punkt ist selbst der rot-weiß-blaue »New Hampshire wählt/Ich habe gewählt«-Anstecker kein Trost mehr (# 1).
Fahre zurück nach Hause. Esse, sitze vor dem Computer. Mache mir Sorgen wegen der ersten Ergebnisse. Wieso bekommt Obama in Virginia so wenige Stimmen? Craig kommt herüber, um fernzusehen, und er betont, dass sie immer wieder nach Chicago schalten, wo sich die Unterstützer auf Obamas Siegesfeier vorbereiten. Es stimmt, zwar erklärt niemand die Wahl für gelaufen, aber die Sender wissen bestimmt mehr als wir. Andererseits dachten wir 2000 und 2004 auch, wir wüssten etwas.
Fahre nach Manchester zur großen Feier. (Okay, zugegeben, zur großen Feier, die kleiner ist als die Hauptfeier in Chicago, aber immerhin größer als diejenige in meinem Wohnzimmer). Mache Fotos (# 4 bis # 6), habe einen Kloß im Hals. Ein Demokrat im Weißen Haus? Ein schwarzer Präsident? Passiert das wirklich? Es passiert wirklich. (Puh!)
McCain gesteht seine Niederlage ein, Obama verkündet seinen Wahlsieg. Die Leute verweilen noch einen Moment. Dokumentiere die Aufräum­arbeiten (# 10 bis #12), fahre nach Hause und schlafe einen siegesbewussten Schlaf.

Aus dem Amerikanischen von Martin Schuster