Wie Weiße zur Minderheit in den USA werden

Wer weiß, wer noch weiß ist?

Früher als erwartet werden die Weißen in den USA zu einer Minderheit, errechnete das Zensusbüro. Doch Arbeit für antirassistische Guppen wird es weiterhin geben.

In diesem Wahlkampf ist es noch ein zentrales Thema, dass mit Barack Obama erstmals ein Schwarzer eine gute Chance hat, Präsident der USA zu werden. Ein Kind, das in diesem Jahr ­geboren wird, könnte schon ganz andere Verhältnisse vorfinden, wenn es mit Mitte 30 das Alter ­erreicht, in dem ein potenzieller Präsident seine Karriere im Kongress begonnen haben sollte.
Denn bereits im Jahr 2042, acht Jahre früher als bislang angenommen, werden die weißen Amerikaner eine Minderheit sein. Das US-Zensusbüro geht nun davon aus, dass 2050 nur noch 46 Prozent der US-Amerikaner europäischer Herkunft sein werden. Derzeit liegt ihr Bevölkerungsanteil knapp unter 65 Prozent. Vor allem der Anteil der »Hispanics« wird wachsen, der­zeit sind 16 Prozent der US-Bevölkerung latein­amerikanischer Herkunft, 2050 sollen es gut 30 Prozent sein. Statt fünf Prozent wird es etwas mehr als neun Prozent Asian Americans geben, während der Bevölkerungsanteil der Afroamerikaner, der ursprünglich größten Minderheit in den USA, nur leicht von 13 auf 15 Prozent steigt.
Doch bevor man die Schwächung der traditionellen weißen Dominanz feiert oder prophezeit, dass race und Rassismus mehr und mehr an Bedeutung verlieren werden, ist es notwendig, sich mit den Veränderungen zu befassen, die es in der Definition der Bevölkerungsgruppen gab. Vor 100 Jahren, als die Masseneinwanderung der Süd­europäer in die USA im Gang war, zählte man diese nicht unbedingt zu den »weißen« Amerikanern. Längst gelten auch Sizilianer als Weiße, ebenso Einwanderer spanischer, nicht jedoch lateinamerikanischer Herkunft.

Race und Rassismus sind in der politischen Kultur so tief verankert, dass sie nicht so schnell verschwinden werden, auch wenn sich die Definitionen ändern. Die Prognosen beruhen auf den Angaben der Amerikaner, die Kategorien sind ideologisch im Fluss. Leider werden sich antirassistische Gruppen in den USA wohl nicht mangels Arbeit auflösen können.
Welche neuen Vereinigungen und Spaltungen aufkommen könnten, ist noch ungewiss. Es ist möglich, dass die Hispanics, die wegen ihrer gemeinsamen Sprache und ihrer relativ kurzen Migrationsgeschichte als einheitliche ethnic group dargestellt werden, in den kommenden Jahrzehnten in mehrere Bevölkerungsgruppen zerfallen. Ein Amerikaner lateinamerikanischer Herkunft mit perfekten Englischkenntnissen könnte dann auch in den USA als weiß gelten, während ein Lateinamerikaner aus einer indigenen Familie einer neuen Minderheit zugerechnet wird.

Für die Befürchtung, weiße Rassisten könnten einen Migrationsstopp durchsetzen, gibt es jedoch auch keinen Grund. Es ist gesellschaftlich akzeptiert, dass die USA ein Einwanderungsland sind. Dass die Gesellschaft sich durch die Einwanderer und ihren Nachwuchs verändert, ist ein integraler Bestandteil der amerikanischen Erfahrung. Man kennt die großen Verschiebungen in der US-Bevölkerungsstruktur seit der Einwanderung einiger Millionen Iren und Deutscher Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie wurden zunächst häufig als gefährliche Fremde betrachtet, doch die Angst legte sich, und aus den O’Malleys und Schmidts wurden anerkannte Amerikaner. So wird es auch mit den Garcias und Lopez’ sein, selbst wenn der american dream dann häufiger als sueño americano bezeichnet werden wird.