Symbolische Öffnung auf Zypern

Spaziergang zum ehemaligen Feind

Auf Zypern wurde die symbolträchtige Ledrastraße nach 45 Jahren wieder ge­öffnet. Die momentanen Verhandlungen sind wohl die letzte Möglichkeit, eine endgültige Teilung der Insel zu verhindern.

Ein Monat ist seit der Wahl des Kommunisten Dimítris Christófias zum Staatspräsidenten Zyperns vergangen. Die wenigen Tage haben genügt, die Verhandlungen zur Lösung des Zypernproblems entscheidend voranzubringen. Die symbolträchtige Ledrastraße wurde am 3. April mit einigem Brimborium für den Publikumsverkehr geöffnet. Tausende türkische und griechische Zyprioten nutzten am Wochenende den neuen Grenzübergang zu einem Spaziergang im jeweils anderen Teil Nikosías, das erste Mal seit beinahe 45 Jahren.
Die Straße verbindet in der seit 1974 geteilten zyprischen Hauptstadt den griechischen mit dem türkischen Teil des Landes. Im Dezember 1963 war es in der Ledrastraße zu den ersten erbitterten Kämpfen zwischen den auf der Insel lebenden Griechen und Türken gekommen. Danach wur­de sie gesperrt.
Schon das erste Treffen zwischen Christófias und Mehmet Ali Talat, dem Regierungschef im türkisch besetzten Nordzypern, führte am 21. März zu einem Ergebnis. Ohne die Anwesenheit von Beratern und internationalen Vermittlern verstän­digten sich die langjährigen politischen Gefährten – der Kommunist Christófias und der Sozialist Talat stammen beide aus einer kleinen Stadt im türkischen Teil – auf die Wiederaufnahme von Verhandlungen. Danach einigten sich die Unterhändler beider Seiten schnell auf die Zusammen­setzung der thematischen Arbeitsgruppen, was zuvor in unzähligen Treffen über Jahre nicht gelungen war. Die Arbeitsgruppen sollen »zyprische Lösungen ohne internationalen Druck« er­arbeiten. Zuerst, so lautet wenigstens der Plan, werden die einfach zu lösenden Probleme behandelt und Beschlüsse sofort in die Tat umgesetzt, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Was so einfach und logisch erscheint, scheiterte bisher am nicht vorhandenen politischen Willen des nationalistischen Vorgängers von Christó­fias, Tássos Papadópoulos.
Christófias und Talat wissen, dass es sich um die wahrscheinlich letzte Chance zur Wiedervereinigung Zyperns handelt. Sollten die Verhandlungen nicht von Erfolg gekrönt sein, wäre die endgültige Teilung der Insel wohl unabwendbar. Unter diesen Vorzeichen kann das persönliche Vertrauensverhältnis der beiden von unschätzbarem Wert sein.
Die politische Krise in der Türkei belastet die Ver­handlungen nicht unmittelbar. Wirklich weitreichende Entscheidungen, wie der Abzug der türki­schen Besatzungstruppen oder die Rückgabe des enteigneten Besitzes, stehen noch nicht zur Debatte. Sie werden jedoch zu gegebener Zeit kei­nesfalls ohne die Zustimmung der türkischen Regierung getroffen werden können.
Sollte es tatsächlich zur Absetzung der Regierung durch eine offene Intervention des Militärapparats und zum Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen kommen, wäre dies gleichzeitig das Ende der Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung Zyperns.