Die Krise der NPD

Führer gesucht

Gegen den Vorsitzenden wird ermittelt, und viele meinen wieder, die gesamte Partei müsse verboten werden. Die NPD hat schon bessere Zeiten erlebt. Ihr Vorsitzender auch.

Erst wenige Wochen ist es her, dass der Bundesschatzmeister der NPD, Erwin Kemna, verhaftet wurde. Nun droht dem Bundesvorsitzenden, Udo Voigt, Ungemach. Und zwar gleich von mehreren Seiten. Da ist die Berliner Staatsanwaltschaft, die gegen ihn und zwei Parteikollegen Anklage wegen Volksverhetzung in zwei Fällen und wegen Beleidigung erhoben hat. Weiterhin sind da parteiinterne Querelen und ein neuerlich drohendes NPD-Verbotsverfahren. Von den leeren Kassen und Wahlniederlagen einmal ganz zu schweigen. Die Berliner Staatsanwaltschaft wirft Voigt, Klaus Beier, dem Bundespressesprecher der Partei, und Frank Schwerdt, dem Thüringer Landesvorsitzenden, vor, verantwortlich für die Herausgabe eines »WM-Planers« gewesen zu sein. In dem Machwerk war ein Trikot mit der Nummer 25, welche damals dem dunkelhäutigen Nationalspieler Patrick Owomoyela zugeordnet war, neben dem Schriftzug »Weiß – Nicht nur eine Trikotfarbe« abgebildet. Der Anklage nach sollte damit zum Ausdruck gebracht werden, dass Spieler nicht weißer Hautfarbe unwürdig seien, das Trikot der Nationalmannschaft zu tragen und damit Deutschland zu repräsentieren. Nach einer Durchsuchung der Berliner Parteizentrale und der Beschlagnahmung der WM-Planer im April 2006 soll später, wieder unter der Verantwortung der Beschuldigten, ein neuer WM-Planer erstellt worden sein. Darauf war ein Piktogramm abgebildet, welches einen weißen und zehn schwarze Nationalspieler zeigte. Darunter stand: »Nationalelf 2010?« Udo Voigt, der Politologe und ehemalige Hauptmann der Bundeswehr, hatte bereits mehrfach Probleme mit der Justiz. Doch nur selten kam es zu Strafverfahren. Die meisten Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt. Im August 2005 verurteilte das Landgericht Stralsund ihn zu einer viermonatigen Haftstrafe, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ihm war vorgeworfen worden, im Jahr 1998 im vorpommerschen Greifswald zum bewaffneten Kampf gegen das politische System in Deutschland aufgerufen zu haben. Voigt ging in Revision, und das Urteil wurde aufgehoben. Als Begründung wurde die zu lange Verfahrensdauer genannt. Eine Vorstrafe hätte ihm aber kaum geschadet. Frank Schwerdt, der auch im Bundesvorstand sitzt, wurde bereits mehrfach zu Haftstrafen verurteilt. Das Landgericht Berlin verurteilte ihn etwa 1996 wegen des gemeinschaftlichen Verbreitens von Propagandamitteln, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung zu einem Jahr Freiheits­strafe. Später wurde das Strafmaß auf neun Monate gesenkt. In den bei Schwerdt gefundenen »Schulungsmaterialien« hieß es unter anderem: »Das 25-Punkte-Programm der NSDAP sowie die weltanschauliche Gesetzgebung des Nationalsozialistischen Deutschland haben ohne Einschrän­kung Gültigkeit.« Weil Schwerdt als Geschäftsführer des rechtsextremen Verlages »Vortrag-Buch-Reise« 2 500 gewaltverherrlichende CDs der Rechtsrock-Band »Volksverhetzer« vertrieben hatte, wurde er im Oktober 1998 vom Berliner Landgericht zu sechs Monaten Haft verurteilt. In dem Titel »Blutrausch« hieß es unter anderem: »Du bist im Blutrausch, ja, ja, im Blutrausch, deine Bestie kommt jetzt raus. Du hast ihn vor dir liegen, hilflos und am Boden, da nimmst du noch mal Anlauf und springst ihm in den Hoden.« Weitere Mitglieder des Bundesvorstands der NPD wurden in der Vergangenheit rechtskräftig verurteilt: Stefan Köster wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung, Peter Marx wegen Wahltäuschung und Manfred Börm wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, eines Banküberfalls und eines Überfalls auf ein Waffendepot der Nato. Der für die Verbindung zu den »Freien Kameradschaften« zuständige Thorsten Heise hatte gleich mehrfach Ärger mit der Justiz. Auf der Liste seiner Vergehen finden sich ein Verstoß gegen das Waffengesetz, Nötigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und mehrere Körperverletzungen. Zuletzt wurde Heise im Dezember 2007 vom Göttinger Landgericht wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, auf Bewährung, zu 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit und einer Geldstrafe von 15 000 Euro verurteilt. »Eine Zusammenarbeit mit Gruppen, von denen Gewalt ausgeht oder die totalitäre Systeme kopieren, ist ein parteischädigendes Verhalten«, lautete ein Beschluss des NPD-Parteivorstands aus dem Jahr 1992. Unter Voigt wurde der Unvereinbarkeitsbeschluss zurückgenommen. Die Öffnung der Partei für militante Neonazis könnte Voigt nun den Parteivorsitz kosten. Denn die einst eher als willfährige Unterstützer bei der Jagd nach neuen Wählerschichten benötigten »freien Kame­raden« gewinnen zusehends an Einfluss. In Mecklenburg-Vorpommern etwa traten, recht­zeitig vor den Landtagswahlen, im Herbst 2005 rund 50 Mitglieder der »Freien Kameradschaften« in die NPD ein. Nach dem Scheitern des Verbotsverfahrens und dem Einzug der Partei in densäch­sischen Landtag, der maßgeblich von den freien Kräften vorbereitet wurde, schien die Partei geradezu etabliert und vom Bundesverfassungsgericht quasi auch demokratisch legitimiert. Man rechnete sich Chancen für einen Einzug in den mecklenburg-vorpommerschen Landtag aus. Auf dem Landesparteitag 2006 brachte es der frisch gekürte Spitzenkandidat Udo Pastörs auf den Punkt: »Unsere Ausgangslage ist gut, weil die Lage der Menschen schlecht ist.« Immerhin acht der 15 Kandidaten auf der Landesliste entstammten kameradschaftsähnlichen Gruppierungen. Auch unter den Mitarbeitern der sechsköpfigen Fraktion finden sich auffallend viele Mitglieder der Kameradschaftsszene. Kein Wunder, dass sich mit Udo Pastörs und Andreas Molau zwei Figuren als potenzielle Nach­folger Voigts ins Gespräch gebracht haben, die die Zusammenarbeit mit militanten Neonazis und Kameraden propagieren. Der Fraktionsvorsitzende der NPD im mecklenburg-vorpommerschen Landtag, Udo Pastörs, gilt in der rechten Szene als eine Art neue Lichtgestalt. Denn der ehema­lige Schmuckhändler traut sich was. In einem Internetforum geraten seine Anhänger nahezu ins Schwärmen und bescheinigen ihm: »In seinem Auftreten, seinem Redetalent und seiner Erscheinung erinnert Pastörs stark an einen bedeutenden deutschen Staatsmann des letzten Jahrhunderts.« Mit seinen Hetz-, Blut- und Boden­reden ist er zweifellos einer der maßgeblichen Ideologen der rechtsextremen Szene. In einem Interview mit der Berliner Zeitung behauptete Pastörs, von vielen gedrängt worden zu sein, mehr Verantwortung zu übernehmen. Im Notfall stünde er auch für den Parteivorsitz zur Verfügung. Im Gespräch mit der taz sagte Andreas Molau, der als Spitzenkandidat der NPD bei der Landtagswahl in Niedersachsen scheiterte und inzwischen Pressesprecher der mecklenburg-vorpommerschen Landtagsfraktion ist: »Weil die Idee an mich herangetragen worden ist, über­lege ich, für das Amt des Parteivorsitzenden zu kandidieren.« Pastörs wie Molau stellten auch das Abkommen mit der DVU, den so genannten Deutschlandpakt öffentlich in Frage. Es ist ein Lieblingsprojekt Voigts. Das Neonazi-Portal »Alter­media« heizte die Debatte um den Parteivorsitz weiter an. Die Entscheidung wird auf dem Bundes­parteitag in Bamberg Ende Mai fallen. Zuvor, auf der Innenministerkonferenz vom 16. bis 18. April in Bad Saarow, wollen Wolfgang Schäub­le (CDU) und die Innenminister der Länder über ein neues NPD-Verbotsverfahren beraten. Bis dahin können die Länder weitere belasten­de Materialien über die rechtsextreme Partei liefern. Der Innenminister Mecklenburg-Vorpom­merns, Lorenz Caffier (CDU), hat bereits einen Prüfbericht erstellt. Dieser basiert ausschließlich auf bereits veröffentlichten Materialien und öffentlichen Aussagen von NPD-Anhängern. Der Be­richt »zeichnet auf eindrucksvolle Weise und mit einer Vielzahl von Belegen das Bild einer Partei, die in aggressiv-kämpferischer Weise darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen«. Wie ernst die NPD selbst ein neues Verbotsverfahren nimmt, zeigt ihr Aufruf zu einer Demonstration und zu »Mahnwachen« während der Innenministerkonferenz.