»Nichts ist so sicher wie der Tod«

Kerstin Gernig, Bundesverband Deutscher Bestatter

In den Lucky-Luke-Comics steht der Totengräber bei jeder Schießerei in der Nähe und freut sich schon auf Kundschaft. Auch das deutsche Bestattungsgewerbe hat sich etwas einfallen lassen, um mehr Särge verkaufen zu können. Für den Trauermonat November ist der Start des weltweit ersten »Trauerkanals« Etos TV geplant. Der Sender wird in Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Bestatter gestaltet und will das Netzwerk von über 3 000 Bestattungsunternehmern »synergetisch voranbringen«. interview: doris akrap

Nach wie vor gibt es einige rechtliche Schwierigkeiten für den Start des Trauerkanals. Wie sicher ist es, dass es ihn wirklich geben wird?

Nichts ist so sicher im Leben wie der Tod.

Zielen Sie vor allem auf Zuschauer, denen der Tod kurz bevorsteht?

Nein, wer würde denn schon so einen Sender einschalten? Wir avisieren tatsächlich eine ältere Zielgruppe, weil diese Menschen enorme Berührungsängste mit Problemen haben, die mit dem Alter auf sie zukommen. Die Scheu, ein Bestattungsunternehmen zu betreten, ist sehr groß und hat häufig mit dem Aberglauben zu tun, dass, wenn man zum Bestatter geht, der Tod vor der Tür steht. Wir wollen die Möglichkeit bieten, sich seriös und anonym über Probleme zu informieren, die das Alter betreffen, dazu gehören auch Sessellifte für zuhause oder Inkontinenzprobleme. Das ist kein Sender, vor dem die Menschen 24 Stunden kleben bleiben, sondern ein Sender, bei dem sich die Zuschauer nur das anschauen werden, was für sie interessant ist.

Das hört sich an, als würden Sie mit allerlei Werbepartnern Ihren Kanal finanzieren, die über Ihren Sender ihre Waren verkaufen wollen.

Nein. Etos TV wird weder ein Verkaufs- noch ein Werbesender werden. Es geht um einen seriösen Aufklärungssender. Vielleicht ließe sich sogar eine Zertifizierung der angebotenen Dienstleistungen in Verbindung mit der Stiftung Warentest vornehmen. Alte Menschen sind dankbar, wenn man sie beispielsweise über Vor- und Nachteile von kostengünstigeren oder teureren Alteneinrichtungen unterrichtet. Finanzieren wird sich der Sender über filmische Nachrufe. Das gibt es bereits für Prominente, aber für die breite Masse gibt es so etwas bisher noch nicht. So wie heute bei einer Trauerrede nicht mehr der Jenseits­gedanke im Vordergrund steht, sondern eher die Biografie des Verstorbenen, entspricht auch der filmische Nachruf den heutigen Individualisierungstendenzen.

Wenn jeder solche Trauerreden verfassen darf, werden dann auch Nachrufe auf den tapferen Nazi-Opa gesendet?

Sie sprechen einen sensiblen Punkt an. Es wird ein ethischer Beirat gegründet werden, der überprüft, ob die Nachrufe den von uns aufgestellten ethischen Kriterien entsprechen. Diffamierungen werden wir beispielsweise nicht zulassen.

Ihr Verband ist sehr bemüht, das Image der Totengräber zu verbessern …

Das Wort Totengräber sollten wir überhaupt nicht mehr benutzen. Heute schaufelt nicht der Totengräber das Grab, sondern moderne Friedhofsbagger. Der Tod wird wieder Teil des Lebens, das begrüße ich. Er ist ein Randphänomen, das jeden betrifft. TV-Serien wie »Six Feet Under«, wo thanatopraktische Handlungen vorgeführt werden, haben sicherlich auch ihren Anteil daran. Seit 2003 gibt es die Ausbildung zum Thanatopraktiker. Die meisten wissen gar nicht, wie umfangreich und abwechslungsreich diese Ausbildung ist. Um für eine angemessene Beerdigung zu sorgen, müssen wir eine persönliche, fachliche und ethische Voraussetzung gewährleisten, und dafür vergibt der Bundesverband Deutscher Bestatter ein Markenzeichen, dessen Voraussetzung die staatliche geprüfte Ausbildung zum Bestattermeister ist. Das heißt nicht, dass jemand, der diese Ausbildung nicht hat, nicht auch ein guter Bestatter sein kann. Aber es hat sich in der Bestattungsbranche in den vergangenen Jahren sehr viel verändert, weswegen auch Qualitätsprüfungen notwendig sind.

Ihr Verband hat zugegeben, dass die Familie des kürzlich verstorbenen Schauspielers Ulrich Mühe bereits vor dessen Tod von einem Bestatter belästigt wurde, der seine Beerdigungs­angebote offeriert hat. Offensichtlich kann das Gütesiegel nicht verhindern, dass das Geschäft mit dem Tod harter Konkurrenz unterliegt.

So etwas können wir nicht vermeiden. Aber wenn ein Bestatter dem zuwiderhandelt, wird ihm das Gütesiegel auch umgehend aberkannt. Der Bundesverband kann nicht überwachen, was ein Bestatter vor Ort tut. Aber er kann ethische Regeln verbindlich aufstellen und diese auch mit der Verleihung bzw. Aberkennung des Markenzeichens für die Öffentlichkeit dokumentieren.

Ein Unternehmen wie das Berliner Bestattungsinstitut »Berolina-Sarg-Discount« hat so ein Gütesiegel nicht, weil es in seinem Programm eine kostengünstige Einäscherung in tschechischen Krematorien anbietet. Was haben Sie gegen eine billige Beerdigung?

Unsere Kritik zielt nicht auf Kosten, sondern darauf, wie mit Verstorbenen umgegangen wird. Es gibt so etwas wie eine Totenruhe und eine Würde des Verstorbenen über den Tod hinaus, die nicht gestört werden darf. Damit ist nicht vereinbar, dass ein Verstorbener, nur weil in einem Nachbarland eine Kremation etwas preisgünstiger ist, über Hunderte von Kilometern transportiert wird.

In Deutschland gibt es aber seit der Abschaffung des Sterbegeldes 2004 keinen staatlichen Zuschuss mehr für eine Beerdigung. Wie sorgen Sie dafür, dass auch arme Menschen eine würdige Beerdigung erhalten?

Die Vorsorgeeinrichtungen des Bundesverbandes bieten schon seit Jahren Bestattungsvorsorgen an, bei denen mit ganz geringen Monatsbeiträgen die Kosten für eine Beerdigung hinterlegt werden können. Die einzige Möglichkeit, nicht von hohen Bestattungskosten bei einem Trauerfall überrascht zu werden, besteht darin, vorher Preise zu vergleichen. Wir haben Bestattungspakete aufgelegt, die von 2 400 Euro bis 12 500 Euro gehen. Dafür geben wir eine Preis-Leistungsgarantie. Mehr kann man nicht machen. Es wird immer wieder gesagt, die Bestattungskosten seien zu hoch. Schauen Sie sich doch mal an, wofür viele Menschen viel Geld ausgeben. Die vorletzte Reise, der Mallorca-Urlaub, ist den Menschen wichtiger als die letzte Reise, die Bestattung. Was dabei unterschätzt wird, ist die Bedeutung der Abschiedsrituale ebenso wie die letzte Würdigung eines Menschen in einer Gemeinschaft.

Ihr Verband wirft Vereinigungen wie beispielsweise der Verbraucherinitiative Aeternitas vor, aus dem Bestattungsgewerbe eine Geldabzocke zu machen. Auf Ihrer Homepage bieten Sie Vorsorgeversicherungen an und veranstalten Weiterbildungen für Versicherungsvertreter für Sterbegeldversicherungen. Worin besteht der Unterschied zu den in Ihrem Verband nicht organisierten Bestattern?

Das alles wird nicht vom Bundesverband Deutscher Bestatter angeboten, sondern von unseren Partnern, der Deutschen Bestattungsvorsorge Treuhand AG und dem Kuratorium deutsche Bestattungskultur. Es ist immer die Frage, ob ein Verein, der sich als Verbraucherschutzorganisation bezeichnet, auch rechtlich ein solcher ist, und da gibt es eben Differenzen.

In Deutschland herrscht immer noch ein weitgehender Friedhofszwang. Das 1934 von den Nazis erlassene und immer noch gültige Feuerbestattungsgesetz verbietet es, sich eine Urne mit der Asche eines Verstorbenen zu Hause ins Regal zu stellen. In anderen Ländern wie den Niederlanden ist das nicht so. Warum hält man hier daran fest?

Das hat etwas mit Identitätsvorstellungen und Menschenwürde zu tun. Zwang klingt fürchterlich. Aber es geht um Folgendes: Wenn jemand eine Urne mit nach Hause nimmt und der Bruder der Schwester verweigert, die Urne des verstorbenen Vaters aufzusuchen, haben wir ein Problem. So etwas soll in Deutschland verhindert werden. Jeder hat ein Recht, an den Ort des Verstorbenen zu gehen, um zu trauern. Wir wollen nicht missionieren, aber über die Folgen wichtiger Entscheidungen aufklären, damit die Menschen wissen, was sie tun. Während man einen Friedhof beispielsweise aufsuchen und auch wieder verlassen kann, steht die Urne im Bücherregal, ohne dass man den heilsamen Trennungsprozess vollziehen kann.

Sollte auch in Deutschland irgendwann einmal die Kryonik, also das Einfrieren der Toten erlaubt werden, würden Sie diese Form der Bestattung auch in Ihre Ausbildung aufnehmen?

Die Kryonik gehört zu den skurrilen Randphänomen, die mit einer Bestattung im eigentlichen Sinne nichts zu tun haben. Über solche Verrücktheiten muss ich mir heute nicht den Kopf zerbrechen. Das ist Zukunftsmusik.