Mehdorns Global Player

Mit dem Börsengang könnte sich die Deutsche Bahn AG zu einem Logistikkonzern entwickeln, der mit Personenbeförderung nicht mehr allzu viel zu tun hat. Die Gegner der Privatisierungspläne mehren sich. Sogar in der Großen Koalition. von richard rabensaat

Nicht ganz pünktlich, ganz wie die Deutsche Bahn, setzte ein lautes Pfeifen, Klappern und Scheppern im Berliner Hauptbahnhof an. Nachdem sich am Freitag bereits die Bundestagsabgeordneten die Köpfe über den Gesetzentwurf zum Börsengang der Bahn heiß geredet hatten, artikulierten sich einen Tag später die außerparlamentarischen Privatisierungsgegner. Bei einer zweiminütigen »Flash Mob«-Aktion veranstalteten sie einigen Radau mit Trillerpfeifen, Töpfen und Pfannen und hielten Schilder mit der Aufschrift »183=13« in die Höhe. Die Zahlen sollten auf das eklatante Missverhältnis zwischen dem erwarteten Gewinn aus dem Verkauf der Aktien der Deutschen Bahn in Höhe von 13 Milliarden Euro und dem an­genommenen realen Wert des noch im Bundesbesitz befindlichen Unternehmens hinweisen.

Nachdem die meisten Bundestagsabgeord­neten den Börsengang der Bahn zunächst mehr oder weniger verständnislos abgenickt hatten, ist inzwischen eine Diskussion entstanden. Der Gesetzesentwurf sei »noch nicht beschlussreif«, heißt es sogar aus der Unionsfraktion, es müsse ein neuer Zeitplan für den Börsengang erarbeitet werden. Überhaupt sei es bedenklich, die Bahn beliebigen Privatinvestoren zu überlassen, wurde in der Bundestagsdebatte angemerkt.

Die Kritikpunkte an dem Plan, den der Vorstands­vorsitzende der Bahn AG, Hartmut Mehdorn, unabdingbar für das weitere Gedeihen seines Unter­nehmens hält, sind zahlreich. Entsprechend hat sich ein Bündnis, das von Attac über den BUND und die Grüne Liga bis zum Verkehrsclub Deutsch­land reicht, zusammengefunden, um die Gegner des Kabinettsbeschlusses im Bundestag zu unterstützen. Stimmt die Mehrheit im Parlament gegen das Gesetz, so dürfte es vorerst nichts werden mit der Privatisierung. Denn keine der Parteien wäre glücklich, sich mit dem unbequemen Thema im nächsten Wahlkampf herumschlagen zu müssen.

Die Bahn gilt als Eigentum aller, und ihr Verkauf wird von vielen als Enteignung gewertet. »Wir müssen die Pläne der Bundesregierung zur Plünderung öffentlichen Eigentums verhindern«, beschloss Attac. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, findet das vorliegende Privatisierungsgesetz aus ökologischer Sicht bedenklich. Sogar die Regierung hatte in den vorigen Koalitionsverhandlungen in Frage gestellt, ob die Aktien des privatisierten Unternehmens überhaupt frei gehandelt werden sollten. Etwaige Vorbehalte gerieten aber in Vergessenheit.

Vielen Politikern scheint es nur noch darum zu gehen, möglichst zügig zum Verkauf zu gelangen. Die Staatssekretäre, die den Gesetzesentwurf gefertigt haben, schielen zu Gazprom, Lufthansa oder diversen Hedge Fonds, die als Käufer für den 49prozentigen Anteil, der zum Verkauf steht, in Frage kommen.

Eigentlich sieht es gar nicht so aus, als wäre mit der Minderheitsbeteiligung ein gutes Geschäft zu machen, denn die Deutsche Bahn ist beileibe kein renditeorientiertes Vorzeigeunternehmen. Sie hat seit ihrer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 20 Milliarden Euro Schulden angehäuft, ihr Schienennetz kann sie nur mit Hilfe von Zuschüssen des Bundes in Höhe von wenigstens zwei Milliarden Euro jährlich funktionstüchtig halten, und lediglich mit Hilfe von allerlei Finanz­tricks gelingt es ihr, steigende Gewinne auszuweisen. In der Bilanz für das erste Halbjahr 2007 verkündet der Großbetrieb einen Betriebsgewinn von 1,35 Milliarden. Dabei nicht berücksichtigt wurden allerdings die beachtlichen Zinsen, die sich aus der Verschuldung ergeben, und auch die Schulden sind unterschlagen. »Die Braut wird für den Börsengang schön gerechnet«, stellte Win­fried Hermann, der verkehrspolitische Sprecher der grünen Fraktion, fest.

Damit hat er nicht so ganz Recht. Tatsächlich weiß die Deutsche Bahn durchaus mit einigen beachtlichen Anreizen zu locken. Das Bundesverkehrsministerium berechnete das Anlagevermögen der Bahn für das Jahr 2005 immerhin auf den Betrag von 181,4 Milliarden Euro. Die Bahn ist eine der größten Immobilieneigentümerinnen Deutschland. Steigende Umsatzzahlen und steigende Bilanzgewinne lassen eine hoffnungsvolle Zukunft vermuten. Die hinter den Verkaufsabsichten stehende Logik erscheint daher auf den ersten Blick wenig plausibel, könnte der Bund als Eigentümer doch profitieren, behielte er Aktien des anscheinend prosperierenden Konzerns.

Allerdings ist die Deutsche Bahn mittlerweile ein völlig anderes Unternehmen als jenes, von dem kleine Jungen früher einmal geträumt haben, wenn sie mit glänzenden Augen an der Modelleisenbahn bastelten. So wenig, wie den Lokführern noch der Wind um die Nase weht, ist das Bild vom benutzerfreundlichen Massenverkehrsmittel angebracht. Trotz steigender Fahrgastzahlen der Deutschen Bahn ist das Auto Verkehrsmittel Nummer eins, und der Güterverkehr wird in Europa hauptsächlich auf den von LKW verstopften rechten Spuren der Autobahnen erledigt. Immer weiter steigende Fahrkartenpreise und die Stilllegung von Nebenstrecken der Bahn sind nicht dazu angetan, den Umstieg von der Straße auf die Schiene zu fördern.

Das weiß auch Hartmut Mehdorn. Zwar beteuert er, dass er mit Leib und Seele Eisenbahner sei, sonderlich glaubhaft klingt das aber nicht. Von ihm erarbeitete Preiskonzepte für die Bahnfahrkarten ließen vermuten, dass er Züge allenfalls für die etwas umständliche Alternative zum Taxi hält, das ihn eigentlich zum Flugplatz bringen sollte.

So verwundert es nicht, dass die Bahn unter seinem Management vor allem zu einem global agierenden Logistikkonzern geworden ist. Das Konkurrenzunternehmen Schenker wurde einverleibt, eine dänische Busgesellschaft gekauft und für 1,1 Milliarden US-Dollar ein kalifornisches Speditionsunternehmen erworben. Für Mehdorn sind das erklärtermaßen erst die Anfänge, die Bahn soll ein weltweit führendes Logistikunternehmen werden. Hierfür benötigt sie nach seiner Ansicht Kapital, deshalb der Börsengang. In dem Gutachten zur Bahnprivatisierung, das die Bundestagsabgeordneten erhielten, waren erheb­liche Teile geschwärzt. Aus diesen sei ersichtlich gewesen, dass nach dem Börsengang erhebliche Streckenstilllegungen geplant seien, sagte Winfried Hermann.

Entsprechend dem bisher vorliegenden Gesetz wäre es aus mit der Bahn als einem an Personen und Gütern orientierten Beförderungsunternehmen. Sie würde zu einem beliebigen Global Player, deren Managern das Gesetz trotz staatlicher Beteiligung sehr weit gehende Entscheidungsfrei­heit einräumt. Die Leitung der Bahn AG würde mit dem ihr zur Verfügung stehenden Kapital Rendite orientiert arbeiten, dabei wäre dann egal, ob ihre Waren Züge, Zwieback oder Erdölraffinerien sind.