»Hier im Osten gibt es keine Massenübertritte«

Nach der Vereinigung der Wasg mit der Linkspartei zur Partei »Die Linke« wechselten wieder mehr SPD-Mitglieder zur Konkurrennz. In der vorigen Woche trat der Fraktions­geschäftsführer der SPD in Sachsen zur »Linken« über. Ein Gespräch mit Dirk Panter, dem neuen General­sekretär der sächsischen SPD.

Was bedeutet der Übertritt des Fraktionsgeschäftsführers der SPD, Leo Stefan Schmitt, zur Partei »Die Linke«?

Gar nichts. Es handelt sich um einen Einzelfall, gerade was die Funktionärsebene anbelangt. Der Arbeitsvertrag von Leo Stefan Schmitt als Frak­tionsgeschäftsführer war sowieso ausgelaufen, er wurde nicht verlängert. Schmitt war Mitarbeiter und hatte den Wechsel langfristig vorbereitet.

Konnte man in der alltäglichen Zusammen­arbeit spüren, dass sich bei ihm etwas in diese Richtung tat?

Das konnte man, es gab Probleme. Er war einfach nicht mehr sonderlich konstruktiv. Außerdem ist er ein alter Freund von Oskar Lafontaine. Sie kommen beide aus dem Saarland und saßen lange Zeit gemeinsam im dortigen Parlament. Auch das hat sicher eine Rolle gespielt.

Schmitt ruft Mitglieder der SPD auf überzutreten. Wie finden Sie das?

Es hat bei uns bisher keine weiteren Übertritte gegeben. Wir setzen uns in Sachsen bereits seit 17 Jahren mit der PDS auseinander. Wer zu uns kommt, hat seine Gründe.

Wir wollen uns kritisch mit den Inhalten anderer Parteien befassen, auch mit der »Linken«. Wir haben das bisher getan, und wir werden das weiter tun.

Wie finden Sie den Umgang Ihrer Partei mit der »Linken« und mit Lafontaine? Ist die Kritik nicht manchmal etwas unbeholfen, etwa wenn man Lafontaine immer wieder als »Verräter« und »Populisten« bezeichnet? Das scheint ihm doch gar nicht zu schaden.

Es geht nicht um einzelne Personen, es geht um Inhalte. Wir wollen unsere Inhalte als die besseren vermitteln.

Man muss allerdings sehen, dass manche Probleme, die die SPD heute hat, mit dem früheren Auftreten von Lafontaine zu tun haben. Wie er etwa 1995 auf dem Parteitag in Mannheim Rudolf Scharping weggeputscht hat, das hat bei einigen zu einem Schock geführt. Und wie er 1999 abtauchte, oder wie er heute nichts mehr wissen will von dem, was er früher gesagt hat - da kann man schon das Wörtchen Verrat in den Mund nehmen.

Fakt ist, dass Lafontaine gewisse Themen aufwirft, und wenn ihm da nicht inhaltlich widersprochen wird, trifft er auf Zuspruch in der Bevöl­kerung. Ich bevorzuge die sachliche Aus­ein­ander­setzung mit der »Linken«. Und in dieser Auseinandersetzung wird sich herausstellen, wer die besseren Antworten hat.

Wird diese inhaltliche Auseinandersetzung in ausreichendem Maße geführt?

In Sachsen mit Sicherheit.

Selbst unter Mitgliedern der CDU erhält Lafontaine bei bestimmten Fragen Zuspruch, etwa bei der Rente mit 67. Verteidigen Sie weiter die­ses Konzept?

Wir müssen die Politik, die wir machen und gemacht haben, immer einer kritischen Prüfung unterziehen. Man muss überprüfen, was sinnvoll war und was nachjustiert werden muss. Der Min­destlohn ist da auch ein wichtiger Punkt oder die Frage der Kampfeinsätze im Ausland.

Muss die SPD ihre Meinung zum Afghanistan-Einsatz überprüfen, oder sollte sie die Beteiligung der Bundeswehr offensiver vertreten und erklären, warum das nötig ist?

Wir stehen als Sozialdemokraten im Unterschied zur »Linken« hinter Einsätzen mit UN-Mandat oder im Verteidigungsfall der Nato. »Die Linke« lehnt Kampfeinsätze grundsätzlich ab. Wir hingegen wollen uns nicht international isolieren.

Sind Sie zuversichtlich, dass die SPD die Aus­einandersetzung mit der »Linken« gewinnen kann und aus dem Umfragetief auch wieder herauskommt?

Wir müssen die Diskussion auf die Sachebene zu­rückholen, um unsere Ansichten deutlich zu machen und zu zeigen, dass es um mehr geht als um einen wortreichen Populismus, nämlich um die Umsetzung von Ideen. »Die Linke« ist eine Oppositionspartei. Als solche geriert sie sich auch. Wir sind im Bund eine Regierungspartei, und das ist schon ein großer Unterschied.

In der vorigen Woche traten 60 Gewerkschafter unter dem Motto »Jetzt geht’s los« gemeinsam der »Linken« bei. Vollzieht sich da nicht ein Wandel, der schon in den vergangenen Jahren zu verfolgen war? Hat die SPD zu sehr Po­litik gegen das eigene Milieu, gegen die Gewerk­schafter, gemacht?

Eine sehr polemische Frage.

Sie ist nicht polemisch gemeint.

Die SPD muss ihre Politikansätze konkret und stringent verfolgen, um an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Die momentane Diskussion hat auch absurde Züge. Wir reden ja nicht über eine neue Partei, sondern über die Westausdehnung der PDS. Im Osten verläuft die Debatte völlig anders. Hier gibt es keine Massenübertritte. Es gab Übertritte, aber das ist alles schon längst Vergangenheit. Das, was Leo Stefan Schmitt gemacht hat, mag für den Westen eine große Sache sein. Für den Osten ist das nichts Besonderes.

Hat sich im Osten das Verhältnis der SPD zur »Linken« bereits geklärt?

Vollständig geklärt nicht, aber es existiert eben schon ein Verhältnis, manchmal auch ein Nicht-Verhältnis.

Ihre Partei diskutiert die Frage möglicher Koalitionen mit der »Linken«. Der Berliner Bürger­meister Klaus Wowereit will sie nicht ausschlie­ßen, andere sprechen davon, dass sie nicht mal im Jahr 2017 möglich sein werden. Was meinen Sie, auch im Hinblick auf die schlechte Lage der SPD in der Großen Koalition?

In der Tat muss die Bundeskanzlerin auch einmal an der Sachpolitik gemessen werden und nicht nur am außenpolitischen Schaulaufen. Aber davon abgesehen: Hier in Sachsen sind Koalitionen mit der »Linken« nicht vorstellbar, solange sie sich nicht kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt. Und das tut sie nicht, wenn man die Fälle Volker Külow und Klaus Bartl anschaut, beides Landtagsabgeordnete, die Stasi-belastet sind.

Oder den Fall Porsch.

Eben. Genauso wie Porsch ist Külow ein ganz unangenehmes Thema für die PDS, weil er noch zwischen 1988 und ’89 ganz üble Berichte über Kommilitonen an der Leipziger Universität geschrieben hat. Davon will die Partei selbstverständ­lich nichts wissen, und deswegen will sie sich in Sachsen als Partei der Aufklärung zeigen. Solange sie sich aber nicht kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt, brauchen wir gar nicht erst über Koalitionen nachdenken.

Interview: Stefan Wirner