»Bei mir rief nie jemand von den großen Plattenfirmen an«

Funny van Dannen wurde 1958 in Tüddern geboren, lebt seit 1978 in Berlin, ist verheiratet, hat vier Kinder. Für seine Stücke »Als Willy Brandt Bundeskanzler war«, »Gutes tun« und »Nana Mouskuri« wird der mit südholländischem Belcanto singende Musiker verehrt. 2007 ist sein Jahr. Ein neues Buch mit Kurzgeschichten ist erschienen. Im August kommt dann das neue Album. Und im Herbst greift er zur Gitarre und geht auf Tournee. Ein Gespräch über Kunst und Kampftechniken der Liebe

Auf einem Ihrer Konzerte ärgerte sich der Herausgeber der Zeitschrift konkret, Hermann Gremliza, einmal darüber, dass das Publikum Ihre Lieder mitsingt. Mögen Sie es, wenn die Besucher mitgehen?

Wenn die Leute ihre Freude haben, ist das für mich okay. Es gibt natürlich schon Momente, wo ein bisschen Zurückhaltung angebrachter wäre. Die Deutschen neigen jedoch dazu, den Rhythmus mitzuklatschen und zu schunkeln.

Holland oder Deutschland, zu wem halten Sie beim Fußball?

Wenn es nicht gerade gegen die Deutschen geht, bin ich schon für die Holländer – wenn sie okayen Fußball spielen.

Warum gibt es kein Lied über die WM im letzten Jahr?

So wichtig war das nicht. Ist ja nur Sport.

Was ist wichtig? Aus welchen Quellen schöpfen Sie Ihre Energie?

Im schönsten Fall ist es die zwischenmenschliche Energie.

Wie geht’s Ihnen auf Tournee?

Der Zuspruch des Publikums tut zwar gut, aber das hält nie lange vor. Ich bin nicht glücklich auf der Bühne.

Das merkt man Ihren Auftritten nicht an.

Manche Musiker gehen auf der Bühne auf wie Hefe, ich dagegen bin immer froh, das dann erledigt zu haben.

»Trotzdem Danke« ist das zehnte Album. Eine Art Jubiläum?

Einfach nur das zehnte Album.

Bei wem bedanken Sie sich?

Es geht um dieses Grundgefühl, dass man mit vielen Sachen vielleicht schon hadert und doch immer wieder Momente hat, wo man das Leben schön findet und sich dafür bedanken möchte. Diesen Zwiespalt mochte ich.

Vielleicht das schönste Stück auf dem Album ist »Tanja Schmidt«, über eine Deutsche, die sich in einen chinesischen Investmentbanker verliebt und sich in Berlin ins Flugzeug setzt, um ein neues Leben an der Seite des Bankers in Asien anzufangen. Alle haben ihr davon abgeraten, wegen der kulturellen Unterschiede, aber Tanja lässt sich nicht beirren und fliegt. Heißt Tanja im richtigen Leben »Christian«?

Nein. Das ist Tanja.

Wirklich?

Wirklich.

Die Geschichte erinnert an die des ehemaligen Titanic-Redakteurs Christian Y. Schmidt, der sich in eine chinesische Investmentbankerin verliebt hat und von heute auf morgen mit ihr nach Peking ging. Sie machten noch Zwischenstation in Singapur und leben jetzt in China.

Tanja tauchte schon in einem Song über eine Fußballspielerin von Bayern München auf, die irgendwie mit ihrem Leben unzufrieden war. Über das alte Stück bin ich dann wieder auf den Namen gekommen, und »Schmidt« habe ich nur genommen, weil das der Allerweltsname schlechthin ist. Aber von dieser anderen Geschichte weiß ich überhaupt nichts. Wenn ich sie gekannt hätte, hätte ich den Song wahrscheinlich nicht gemacht, weil ich eigentlich ungern Geschichten aus dem Leben eins zu eins abbilde.

Immerhin sind die Geschlechterrollen vertauscht.

Das wäre mir zu plump gewesen, die Geschichte so zu kaschieren. Nein, ist völlig an mir vorbeigegangen, die Geschichte. Wurde das denn schon mal irgendwo größer behandelt?

Nein, aber davon wissen sehr viele Autoren aus Berlin und Frankfurt.

Ist er denn jetzt wieder zu Hause?

Nein.

Hält’s noch?

Scheint so. Er ist ab und zu in Berlin, und man trifft ihn. Was er so erzählt, entspricht dem, was in dem Stück vorkommt: dass die Chinesen ganz eigene Umgangsformen haben. Aber was man so hört, geht es ihm gut.

Er wird also noch nicht geschlagen? (lacht) Man weiß es nicht! Vielleicht verschweigt er’s?

Wie in Ihrem Lied, wenn der Chinese »Tanja!, Tanja« brüllt? Nein, völlig unwahrscheinlich. Das ist eine kleine zierliche Frau.

Wer weiß, was die für Techniken draufhaben! (lacht)

In der FAZ war über Sie zu lesen: »Die Kontingenz der Individualität ist sein großes Thema.« Stimmt das?

Ich habe kein großes Thema, ich habe immer nur das eine Lied. Wenn man so rangeht, dass man ein bestimmtes Thema partout in einen Song packen will, das würde nicht klappen. So was braut sich zusammen und sucht dann eine Form.

Es gibt auf dem Album viele traurige Liebeslieder, Stücke über Trennungen, Scheidungen, Abschiede.

Kommt ja auch häufig vor. Sicherlich ist das Ende dann oft traurig, aber ich mache auch Stücke wie »String Tanga Queen«, wo die Leute eine gute Zeit miteinander haben und sich dann völlig undramatisch trennen. Dass das Thema jetzt gehäuft auf der Platte auftaucht, ist keine Absicht. Eigentlich möchte ich schon mehr Optimismus verbreiten, aber es ist auch nichts Schlechtes, wie in dem Lied »Schornsteinfeger« zu der Einsicht zu gelangen, dass eine Beziehung an ihr Ende kommt, und sich dann zu trennen.

Blicken Sie eher optimistisch in die Welt?

Wenn ich morgens aufwache und mir den Himmel und die Bäume angucke, bin ich eigentlich recht froh, auf der Welt zu sein, aber sobald man vor die Tür tritt, gibt es genug Anlässe, sich zu ärgern. Grundsätzlich hätten wir die Möglichkeiten, das Leben ganz gut einzurichten. Ich finde, der Mensch macht generell zu wenig aus seinen Möglichkeiten. Dass wir immer noch auf dem Stand der Entwicklung sind, uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, ist eigentlich traurig.

Sie sind Musiker, Maler, Autor. Ist man immer alles gleichzeitig, oder gibt es unterschiedliche Phasen?

Es läuft schon meistens parallel, aber hin und wieder gibt es auch Phasen, in denen ich dann schwerpunktmäßig was mache, zum Beipiel male ich in den letzten Wochen sehr viel. In die Malerei möchte ich eigentlich auch wieder richtig rein. Damit habe ich schon noch ein bisschen was vor.

Haben die unterschiedlichen Genres den gleichen Stellenwert?

Für mich schon. Die Malerei hinkt erfolgsmäßig halt immer hinterher. Nicht dass meine Bilder nicht wahrgenommen würden, aber davon könnte ich nicht leben. Mal läuft eine Ausstellung, mal floppt sie. Das Ganze spielt sich eher im Außenseiterbereich ab.

Ist das gut oder schlecht?

Fürs Arbeiten ist es vielleicht gut. Wenn man mit einer Sache Erfolg hat, ist die Versuchung natürlich da, die Schiene weiter zu bedienen. Aber gegen etwas mehr Erfolg hätte ich auch nichts einzuwenden gehabt. Es ist nicht so, dass ich eine grundsätzliche Verweigerungshaltung hätte. Danach werde ich ja auch immer mal wieder als Musiker gefragt, ob ich mich dem Musikbetrieb verweigere, aber da muss man eben auch immer sehen, ob überhaupt mal Anfragen der Plattenindustrie kamen und Interesse in der Richtung bestand. Das war aber nicht so, bei mir rief nie jemand von den großen Plattenfirmen an und hat sich ernsthaft interessiert gezeigt, so dass ich auch nie in die Lage kam, »ja« oder »nein« zu sagen.

Was kommt musikalisch nach »Trotzdem Danke«?

Das Singer/Songwriter-Schema ist natürlich beschränkt, ich würde musikalisch gerne wieder freier arbeiten und mir einen weiter gefassten Rahmen schaffen.

interview: heike runge

»Trotzdem Danke« erscheint am 3. August auf JKP/Warner