Putsch als Südseetrauma

In Fidschi kommt es alle paar Jahre zu einem Putsch. Konflikte zwischen autochthonen Fidschianern und solchen indischer Herkunft spielen eine nicht unbedeutende Rolle. Aus der Hauptstadt Suva berichtet ulrike röhrig

Das letzte Mal bin ich gegangen, als es keinen Strom mehr gab«, beschrieb mir eine dauerhaft in Fidschi lebende Japanerin, wie sie den vorigen Mili­tärputsch auf den Fidschi-Inseln im Jahr 2000 erlebt hatte. »Der Busverkehr wurde eingestellt, und mit dem eigenen Auto durfte man auch nicht mehr fahren. Damals habe ich im Colonial War Memorial Hospital gearbeitet. Das Krankenhaus musste selber dafür sorgen, dass seine Angestellten zur Arbeit kommen und jeden zu hause abholen. Wenn ich mich recht entsinne, gab es auch mal eine 24 Stunden lange Ausgangssperre.«

Fidschianer, die alle drei vorherigen Staatsstreiche der vergangenen 20 Jahre miterlebt haben, betonen einmütig, wie schlimm der im Jahr 2000 war, und sie berichten über Plünderungen und über in Brand gesetzte Geschäfte in der Innenstadt der fidschianischen Hauptstadt Suva. Eine Freundin erzählt, dass einheimische Fidschianer während dieses Staatsstreichs Fidschianer indischer Herkunft auf der Straße attackiert hätten. Nun befürchtet sie erneut derartige Ausschreitungen.

In der Zeit vor dem nunmehr vierten Putsch wurden die Leute hier nicht müde, mir als neu Zugereister beschwichtigend die Harmlosigkeit der Staatsstreiche in Fidschi zu beteuern. Dennoch schwingt in diesen Tagen die Angst vor dem Ungewissen in ihren Stimmen mit. Auch wenn es hier nicht zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen mit Mord und Totschlag unter der Bevölkerung kommt, droht der Putsch auch die Span­nungen zwischen den Bevölkerungsgruppen eskalieren zu lassen.

Seit der Militärchef Voreqe Bainimarama vor etwa fünf Wochen das erste Mal mit einem Staats­streich drohte, haben ausländische Unternehmen, diplomatische Vertretungen und internationale Organisationen Evaku­ierungspläne für ihre Büros und Angestellten ausge­arbeitet. Nun, da der Armeechef seit dem 6. Dezember selbst ernannter Präsident der Repu­blik ist und Schritt für Schritt eine Militärdiktatur auf­baut, sind diese Pläne teilweise in die Realität umgesetzt worden. Diejenigen Ausländer, die noch hier sind, werden angehalten, sich möglichst wenig zu bewegen, d.h. zu Hause zu bleiben.

Der erste, der unter Hausarrest gestellt wurde, war jedoch der fidschi­ani­sche Premierminister Laisenio Qarase, der erst im Mai dieses Jahres wiedergewählt worden war. Am 4. Dezember, einem Montag, hatte Bainimarama mit der Vorbereitung seiner Regie­rungs­übernahme angefangen, indem er die Polizei entwaffnen und ihre Mu­nitionslager leeren ließ. Tags darauf entzog er den Ministern und höchsten Regierungsangestellten die Dienstwagen und stellte den amtierenden Premierminister faktisch unter Hausarrest, indem er die Straßen, die von dessen Haus wegführen, verbarrikadieren ließ.

Der Premierminister teilte der Bevölkerung über das Fernsehen mit, dass er mit seiner Familie zu Hause sei, betonte die Verfassungswidrigkeit von Bainimaramas Aktivitäten und weigerte sich sein Amt niederzulegen. Auf einem Tisch war eine Schüssel mit Kava zu sehen, das hiesige, aus einer Wurzel gewonnene Rauschmittel mit beruhigender Wirkung, was ihm an diesem Tag gewiss sehr dienlich gewesen sein wird.

Nachdem sich Bainimarama selbst zum Präsidenten ernannt hatte, wodurch Ratu Josefa Iloilo, der bisherige Amtsinhaber, abgelöst worden war, und Jona Senilagakali als Interims-Re­gierungschef eingesetzt worden war, wurde Qarase zunächst verbannt. Er befindet sich nun in seinem Heimatdorf Mavana auf der traumhaft schönen Insel Vanuabalavu, östlich der fi­dschianischen Hauptinsel Viti Levu, einer der 330 Inseln des Archipels, von denen nur 106 bewohnt sind. Dort sin­niert der ehemalige Bankier über eine Rückkehr in die Geschäftswelt.

Der Militärchef Bainimarama versucht derweil, sich selbst etwas Messianisches zuzuschreiben. Mit seinem Coup d’Etat, so sagt er, möchte er Fidschi »retten«. Sein Ziel sei es, die wenige Monate alte Regierung des Landes zu »reinigen«, der er vorwirft, sich durch Korruption bereichert zu haben. Zudem betont er regelmäßig, dass ihm der Frie­den des Landes sehr am Herzen liege, und hat in diesem Sinne die Haupt­stadt Suva völlig abriegeln lassen.

Einige Spitzenpositionen im Land hat er neu besetzt, für die Minis­terposten seiner Übergangsregierung beabsichtigt er, Ausschreibungen vorzunehmen, auf die sich Interessenten frei bewerben könnten. Außer­dem möchte er die korrupten Machenschaften der gestürzten Regierung untersuchen lassen.

Derzeit ist nicht so recht abzusehen, in welche Richtung sich das Land mit Bainimarama als Präsident entwickeln wird. Er kündigte Wahlen an, die eine neue Regierung nach einer Übergangszeit legitimieren sollen. Fraglich ist allerdings, ob diese Wahlen tatsächlich in absehbarer Zeit stattfinden werden und ob bis dahin der Frieden im Land erhalten bleibt. Schon kur­sieren Gerüchte darüber, dass die Wahlen womöglich erst in zwei Jahren abgehalten werden sollen.

Die derzeitige Ansammlung bewaffneter Soldaten im Regierungsviertel und an den so genannten Kontrollstellen überall in der Stadt wirkt jedenfalls nicht sehr beruhigend und konterkariert die Rhetorik Bainimaramas. Und dass das Parlament in dieser über­sichtlichen, nur knapp 200 000 Einwohner zählenden Hauptstadt genau gegenüber dem schönsten Spiel­platz der Stadt liegt, stellt sich nun als ein weiterer Nachteil heraus. Da hiesige Eltern sich und ihren Kindern den Anblick von Uniformierten ersparen wollen, müssen auch die Kinder zu Hause bleiben.

Die im Mai durchgeführten Wahlen hatten zu einer Koalition aus der Fijian People’s Party (SDL) und der Fiji Labor Party (FLP) geführt. Dabei handelte die SDL bisher meist ohne Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner. Einige der wesentlichen Errungenschaften dieser Regierung sind ein Gesetzentwurf zur Amnestierung derer, die in den Putsch im Jahr 2000 verwickelt wa­ren, ein Gesetz zur Einschränkung der Pressefreiheit und ein Gesetz­entwurf namens Qoliqoli-Bill, mit dem eine Steu­er auf die Nutzung jener Gewässer erhoben werden soll, die an Ländereien einheimischer Fidschianer liegen.

Es ist nicht genau bekannt, wer an dem Putsch im Jahr 2000 beteiligt war, und es wird gemunkelt, dass viele der gerade des Amtes enthobenen Minister unter den Putschisten waren. Vor allem ihnen hätte das Amnestie-Gesetz gehol­fen. Durch die Qoliqoli-Bill sollte sich eine neue Geldquelle für die leeren Staats­kassen auftun, eine neue Steuer sollte her, mit der die Regierung direkt vom Tourismus profitieren könnte, nachdem im vorigen Jahr erst eine Bettensteuer eingeführt worden war. Schnorcheln durch die Korallenriffs etwa wäre dann kein kostenloses Vergnügen mehr für die Besucher der ohnehin schon überteuerten Urlaubsunterkünfte. Die Touristen kommen vor allem aus Australien und Neuseeland, um sich während der dortigen Wintermonate im tropischen Klima Fidschis unter den Kokosnusspalmen ein wenig aufzuwärmen.

Verärgert über die Machenschaften der jungen Regierung, fing der Armee­chef vor fünf Wochen damit an, mit einem Staatsstreich zu drohen, sollten die geplanten Gesetzentwürfe nicht fallen gelassen werden. Davon ließ sich die Regierung nicht beirren, woraufhin Bainimarama zahlreiche Forderungen stellte, denen die Regierung aber auch nicht entsprach. Stattdessen sprach sie ihm die Kündigung aus. Die wurde wiederum von Bainimarama ignoriert – so kam es letztlich zum Putsch.

Nachdem Fidschi 1879 britische Kron­kolo­nie geworden war, holte man Inder ins Land, für die Arbeit auf den Zuckerplantagen, die die Engländer und Australier in Fidschi betrieben. Die ersten fünf Jahre mussten die Inder auf den Plantagen dienen. Danach blieben die meisten in Fidschi, entweder auf den Plantagen oder als Händler, da der Boden zum größten Teil in den Händen der einheimischen Fidschianer war und ist.

Seit der Unab­hängigkeit Fidschis im Jahr 1970, kommt es auf politischer Ebene immer wieder zu Reibereien zwischen diesen beiden traditionellen Bevölkerungsgruppen, die im Alltag zumeist friedlich nebeneinander leben.

Jeder indische Taxifahrer der Stadt, der sich vor dem Putsch zur aktuellen politischen Lage äußerte, stand hinter den Forderungen Bainima­ramas. Eingeborene Fidschianer hingegen haben zumeist die Angewohnheit, nicht nach dem Sachverhalt zu urteilen, sondern nach der Person, die etwas sagt, und danach, welchen Respekt sie in ihrer Kultur genießt. Das höchste Gremium der Fidschianer ist der »Große Rat der Häuptlinge«, der eine wichtige beratende Funktion gegenüber der Regierung ausübt und auch einige wichtige Entscheidungen des Landes trifft. Die gerade entlassene Regierung arbeitete eng mit ihm zusammen, den Putsch be­zeichnete der Große Rat als illegal.

Bisher kam es jedes Mal, wenn die eingebo­re­nen Fidschianer Angst davor hatten, »fremd­regiert« zu werden, wenn also nach einer Wahl zu viele indischstämmige Fidschianer in das Parlament gewählt wurden oder an wichtige Stellen gelangten, zum Putsch. Dabei beträgt der Anteil der eingeborenen Fidschianer an der Bevölkerung nur etwas mehr als 50 Prozent, und das Verhältnis von indischen Fidschianern zu eingeborenen Fidschianern wurde für gewöhnlich infolge eines Staatsstreichs durch eine Auswanderungswelle Ersterer zugunsten Letzterer korrigiert. Derzeit sind knapp 40 Prozent der Fidschianer indischstämmig.

Inzwischen der Vorsitzende der FLP, Mahen­dra Chaudhry, zur Kollaboration mit der Militärführung bereit erklärt. Er ging als Premierminister aus der Wahl im Jahr 1999 hervor. Allerdings wurde ihm seine indische Herkunft zum Verhängnis und löste den Coup d’Etat im Jahr 2000 durch nationalistische einheimische Fidschianer aus. Er wurde als Geisel genommen, bis Bainimarama sechs Wochen später den Staatsstreich auflöste.

Dass das Ausland die Bitten Bainimaramas um Verständnis wohlwollend zur Kenntnis nimmt, ist unwahrscheinlich. Neuseeland hatte sich vorher um eine friedliche Einigung zwischen Qarase und Bainimarama bemüht und ein Gespräch der beiden ar­rangiert, das aber nicht den gewünsch­ten Erfolg brach­te. Neuseeland war auch das erste Land, das dem nördlichen Inselstaat Sanktionen auferlegte. Abgesehen davon, dass Entwick­lungshilfegeld nicht weiter ausgezahlt wurde, hat Neuseeland auch die militärische Zusammenarbeit aufgekündigt und ein Einreiseverbot für Fidschianer mit höheren militärischen Dienstgraden verhängt. Das trifft auch den Armeechef höchstpersönlich, der enge Verwandtschaft in Neu­seeland hat und häufig zwischen beiden Ländern hin und her pendelt.

Mittlerweile haben auch andere Länder und Organisationen ihre Gelder für Fidschi eingefroren, so Australien, die USA und die EU. Der Ausschluss vom Commonwealth wurde bereits beschlossen und wird wohl auch bestehen bleiben, wenn es in Fidschi mit Bainimarama weitergeht. Beim vorigen Putsch wurde schließlich Fidschi vom Zusammenschluss der bestehenden und ehemaligen britischen Kolonien suspendiert. Um Geld im Land zu halten, bietet eine lokale Bank als Antwort auf den Putsch spontan hohe Renditen von 7,5 Prozent für eine 18monatige Geldanlage, aber ob daran gerade Interesse besteht, ist zweifelhaft, nachdem bei einem der vergangenen Staatsstreiche die Staatsbank zusammengebrochen war. Nun kann man nur abwarten, wo sich der Geldmangel im wohl am meisten entwickelten Land der Südsee als erstes bemerkbar machen wird.

Die Vereinten Nationen hatten zudem gedroht, im Falle eines Putsches jene Fidschia­ner nach Hause zu schicken, die sich als An­gehörige der UN-Friedenstruppen im Libanon und Kosovo oder als Soldaten der »Koalition der Willigen« im Irak und in anderen Krisengebieten aufhalten. 20 Prozent der lediglich 3 500 Mann starken fidschianischen Armee dienen in den Friedenstruppen. Die UN finanzieren einen großen Teil der fidschianischen Armee, um die Soldaten auszubilden. Gerade das macht das Militär hier so unabhängig von seiner Regierung.

Der selbst ernannte Präsident hat die Bevölkerung mittlerweile dazu aufgerufen, zum business as usual zurückzukehren. Dennoch drängen sich unmittelbar in das Alltagsgeschehen Erinnerungen an vergangene Staatsstreiche mit ihren Aus­gangssperren, Plünderungen, der Abwanderung von Teilen der Bevölkerung, Versorgungsengpässen bei Importgütern und der nachfolgenden schwierigen Phase des Wiederaufbaus, den die Bevölkerung mit Zusatzsteuern finanzieren musste. Es ist ruhiger geworden, aber es ist eine bedrohliche Ruhe.