Die Rückkehr der alten Garde

Die Iraq Study Group schlägt Präsident Bush direkte Verhandlungen mit dem Iran und Syrien sowie eine Rehabilitierung der Anhänger Saddam Husseins vor. von jörn schulz

Seine Chance hatte James Baker bereits. Als Außenminister war er maßgeblich verantwort­lich für die Organisation des Kriegs gegen den Irak und der Konferenz von Madrid, die im Jahr 1991 einen Friedensprozess im Nahen Osten einleiten sollte. Weder der Krieg noch die Verhandlungen haben der Region den Frieden gebracht. Auch andere Mitglieder der Iraq Study Group (ISG), die außenpolitisch tätig waren, wie Lawrence S. Eagleburger, der Anfang der neunziger Jahre den Zerfall Jugoslawiens überwachte, können nicht mit großen Erfolgen aufwarten. Man sollte also meinen, dass ihnen allen die dürftigen Erfolgschancen interna­tionaler Konferenzen bekannt sein müssten.

Nach der Veröffentlichung der lange erwarteten Vorschläge der ISG für eine neue Irak-Politik am Mitt­woch der vergangenen Woche wurde jedoch einmal mehr deutlich, dass die so genannten Realpolitiker mindestens ebenso weltfremd sind wie die Neocons. Der Bericht wurde zunächst wohlwollend aufgenommen, weil er eine halbwegs realistische Bestandsaufnahme der Verhältnisse und Probleme im Irak offeriert. Doch schon nach wenigen Tagen dominierten in den US-Medien die kritischen Kommentare.

Man muss kein Anhänger der »Schurken­staaten-Doktrin« sein, um am Nutzen der vorgeschlagenen Einbeziehung des Iran und Syriens in die Irak-Politik zu zweifeln. Mit ihnen und anderen Staaten der Region soll über die angeblich »unauflöslich verbundenen« Probleme des Nahen Ostens verhandelt werden. Die Stabilisierung des Irak an die Beendigung anderer Konflikte zu binden, wird jede Lösung unvermeidlich verzögern.

Zudem wird ohnehin mit dem Iran und Syrien verhandelt, inoffiziell oder über Ver­mittler. Letztlich geht es um eine diploma­tische Aufwertung, die nach Ansicht der ISG »ohne Vorbedingungen« erfolgen soll. Allen Ernstes wird »die fortdauernde Rolle der Vereinigten Staaten bei der Verhinderung der Destabilisierung Afghanistans durch die Taliban« als ein »Anreiz« für den Iran und Syrien an­geführt, sich an politischen Initiativen der USA zu beteiligen. Die anderen Angebote, bessere Beziehungen zu den USA und eine erleichterte Aufnahme in internationale Organisationen wie die WTO, dürften den Ansprüchen beider Regimes ebenso wenig genügen.

Auch in den vergangenen Jahren konnte von einer konsequenten Demokratisierungspolitik der USA im Nahen und Mittleren Osten nicht die Rede sein. Die ISG propagiert nun die Rückkehr zu einer Politik, die offen autoritäre Lösungen vorschlägt. Der Zentralstaat im Irak soll wieder gestärkt werden, obwohl die demokratisch gewählten Politiker des Landes nach langwierigen Verhandlungen eine föderale Staatsstruktur beschlossen haben. Die ISG glaubt, der beste Weg zur Integration der arabischen Sunniten sei es, den überwiegend aus ihren Reihen stammenden Funktionsträgern des alten Regimes ihre Privilegien zurückzugeben. Wenn die irakische Regierung die »nationale Versöhnung« nicht effektiv vorantreibt, sollen die US-Truppen frühzeitig abgezogen werden.

Die kurdischen und schiitischen Parteien lehnen die Forderungen der ISG ab. Präsident Jalal Talabani bezeichnete den Bericht als »gefährlich«, er »übergeht die Tatsache, dass wir eine souveräne Nation sind«. US-Präsident George W. Bush dürfte stärker um seine eigene Souveränität besorgt sein. Der Bericht düpiert ihn, und den Quellen der Washington Post zufolge will er den meisten Vorschlägen nicht folgen, sondern kurzzeitig ein bis zwei zusätzliche Divisionen in den Irak schicken, sich stärker als bisher auf die schiitische Koalition stützen und die konfessionellen Kämpfe ignorieren. Eine erfolgversprechende Strategie wäre das nicht. Wenn er doch noch den Vorschlägen der ISG folgen sollte, würde er jedoch die meisten irakischen Parteien und den größten Teil der Bevölkerung gegen sich aufbringen.