Zelle frei!

Konzepte von Law and Order in Hamburg gescheitert von andreas blechschmidt

Als die Hamburger CDU noch in der Opposi­tion saß, entwickelten ihre »Innenexperten« mit großer Hingabe Konzepte von Sicherheit, Ordnung und Gesetzestreue. Mittlerweile regiert die CDU die Stadt seit zweieinhalb Jahren mit absoluter Mehrheit und steht vor dem Trümmerhaufen ihrer eigenen Ideologie von Law and Order.

Mit einer geschlossenen Einrichtung für straf­fällige Jugendliche sollte der »Kuschel­pädagogik« der Kampf angesagt und der Jugendkriminalität Einhalt geboten werden. Als einen Rückschritt in eine längst überwunden geglaubte, finstere Vergangenheit bezeich­neten Kritiker diese Politik. Tatsächlich wurde der Jugendknast zum politischen Desaster für den Senat und die verantwortliche Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU), die offenbar ihre eigene Propaganda von einer quasi ins Unendliche wachsenden Zahl straffälliger Jugendlicher glaubte. Die eingerich­teten 18 Plätze waren nie vollständig belegt, nicht zuletzt wegen regelmäßiger Ausbrüche.

Auch inhaltlich ist das Konzept des Jugendknasts gescheitert. Von den 37 Jugendlichen, die bislang in der Einrichtung untergebracht wurden, sind 29 nach ihrer Entlassung erneut straffällig geworden. Zudem befasst sich seit dem vorigen Jahr ein Untersuchungsausschuss mit Grundrechtsverstößen, dem Verdacht auf staatlich verantwortete Freiheitsberaubung und den haarsträubenden fachlichen Mängeln beim Personal der Einrichtung. Statt das Ge­fäng­nis möglichst schnell zu schließen, beschloss die Sozialsenatorin vorige Woche eine »Weiterentwicklung des Konzepts«. Plätze sollen wegfallen und der Kreis der potenziellen Insassen soll erweitert werden. Demnächst könnten in Hamburg auch jugendliche Langzeitschulschwänzer, Dauerausreißer und Stricher weggesperrt werden.

Was das Scheitern von politischen Konzepten in den Niederungen des Alltags angeht, steht der parteilose Innensenator Udo Nagel seiner Kollegin Schnieber-Jastram in nichts nach. Erst im März dieses Jahres konnte er die vollständige Videoüberwachung der Reeperbahn verkünden. Doch statt sich selbst dafür zu loben, die versprochene »Sicherheit für Hamburger Bürger und Gäste« hergestellt zu haben, musste die Polizei in einer ersten Bilanz zugeben, dass die Zahl der Körperverletzungsdelikte auf dem Kiez um 16 Pro­zent gestiegen ist. Dieser Anstieg liegt weit über dem Hamburger Schnitt und lässt sich nicht allein damit erklären, dass wegen der Videoüberwachung mehr Straftaten bekannt werden. Dass Videoüberwachung einfach keine Straftaten verhindert, darf jedoch derzeit in Hamburg noch nicht öffentlich geäußert werden. Der Innensenator sagt lieber erst mal gar nichts. Für eine abschließende Bewertung des »Erfolgs« der Videoüberwachung sei es noch zu früh, ließ er seinen Mitarbeiter erklären. Und die Polizei übt sich in Demut und schickt wieder Hundertschaften auf Streife über den Kiez.