Planen ist gut, Wetten ist besser

Die Kommunistische Partei Vietnams will die Korruption in den eigenen Reihen bekämpfen. Über politische Reformen aber mochte der Parteitag nicht entscheiden. von marina mai

Nicht nur die regierende Kommunistische Partei glaubt an eine glänzende wirtschaft­liche Zukunft Vietnams. Seinen »sehr starken Optimismus« über »all die neuen Entwicklungen« bekundete auch Bill Gates bei seinem Besuch in Hanoi am vorvergangenen Wochenende. Um den Vorsitzenden von Microsoft zu treffen, verließen der Präsident und der Premierminister sogar die Sitzung des 10. Parteitags der Kommunisten Vietnams.

Der in der vergangenen Woche beschlossene Wirtschaftsplan sieht vor, dass Vietnam bis zum Jahr 2010 den Status der Unterentwicklung überwindet. Acht Millionen neue Jobs sollen bis dahin geschaffen werden, die Arbeitslosenrate soll auf unter fünf Prozent sinken, während das Bruttoinlandsprodukt wie bisher um jährlich 7,5 bis acht Prozent wächst. Weitere zehn Jahre später soll Vietnam dann ein moderner Industriestaat sein.

Eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung ist ausländischen Investoren zugedacht. Die aber erwarten Rechtssicherheit und wollen kein Bestechungsgeld mehr an Parteibürokraten zahlen. Der alte und neue Parteichef Nong Duc Manh verurteilte daher die Korruption, auch die in den Reihen der Partei, als schlecht für das Wirt­schafts­wachs­tum . Und kurz vor dem Parteitag deckte die Hanoier Staatsanwaltschaft auf, dass Beamte des Verkehrs- und Innenministeriums sowie die Direktorenriege einer staatseigenen Firma Geld in Millionenhöhe veruntreut hatten. Sie hatten Anleihen der Weltbank und internationales Entwicklungsgeld, das für den Bau von Straßen, Brücken und Häfen sowie die Erneuerung von Flughäfen vorgesehen war, in verbotene internationale Fußballwetten investiert. Mehrere Sitzplätze im Saal waren leer geblieben, weil Delegierte wenige Tage vor Beginn des Parteitags ihr Mandat hatten zurückgeben müssen.

Über die umstrittenen politischen Reformen konnte sich der Parteitag, der erstmals seit dem Kriegsende 1975 hinter verschlossenen Türen tagte, offenbar nicht einigen. Neben Manh, der innerhalb der in heftige Flügelkämpfe verstrickten KP als neutral gilt, wurden zwei weitere Männer in die neue Führungstroika gewählt, die sich in der Reformdebatte ebenfalls nicht profiliert haben. Präsident soll Nguyen Minh Triet werden, bisher Parteichef von Ho-Chi-Minh-Stadt, für das Amt des Premierministers wurde der derzeitige stellvertretende Regierungschef Nguyen Tan Dung benannt. Beide müssen noch vom Parlament gewählt werden, doch das ist in dem Einparteienstaat reine Formsache. Die 14 Politbüromitglieder sind in der Mehrheit Wirtschafts- und Militärpolitiker, eine Frau ist in dem Führungsgremium nicht vertreten.

Die Wahl von Führungskräften, die keine Frontmänner der rivalisierenden Flügel sind, gilt als Indiz dafür, dass der Parteitag die politischen Rich­tungs­ent­scheidungen aufgeschoben hat. Sollen religiöse Min­derheiten toleriert oder wie bisher als Staatsfeinde betrachtet werden? Sollen Richter unabhängig von Parteianweisungen sein? Wird es Umweltstandards geben? Angesichts der fortschreitenden Industrialisierung sind das drängende Fragen. Während des Parteitages verloren Fischer am Mekong in nur einer Nacht 200 Tonnen Fisch, weil der Fluss durch Industrieabwässer verseucht ist. Eine gesetzliche Grund­lage für Entschädigungsklagen gibt es nicht.

Den prominentesten Vertreter des Reformflügels innerhalb der Partei, den Altpolitiker Vo Van Kiet, hatte man vorsichtshalber erst gar nicht eingeladen. Vor dem Parteitag hatte er mehr innerparteiliche Demokratie, eine demokratische Kontrolle über den Geheimdienst und eine nationale Umweltpolitik angemahnt. Ihm hätte als ehemaligem Premierminister ein Platz auf der Ehrentribüne zugestanden. Dort hatten allerdings zwei Repräsentanten der Reformgegner, Le Duc Anh und Do Muoi, Platz genommen.