Widerstand statt Sachzwang!

Die Linkspartei kanalisiert nur den Unmut vieler Wähler. Ihre Anwesenheit im Bundestag hat mit linker Politik nichts zu tun. von axel klingenberg

Groß waren die Hoffnungen, die kurz vor und nach der Bundestagswahl auf die Linkspartei gesetzt wurden. Die Rettung ist nah – Lafontaine ist da! Gebracht hat ihr Wahlerfolg, wie zu erwarten war, bisher gar nichts.

Die Machtlosigkeit der Linkspartei ist offensichtlich: 54 von 614 Abgeordneten des Bundestags gehören dieser Fraktion an. Schon rein rechnerisch ist da wenig zu bewegen, es sei denn, es geht um Belanglosigkeiten. Wenn der Plenarsaal ohnehin fast leer ist, kann schon mal ein kleiner Coup gelingen. So feierten es die Oppositionsparteien als Erfolg, dass Franz Müntefering bei der Aktuellen Stunde im Bundestag zu Gerhard Schröders neuem Job per Abstimmung herbeizitiert wurde, um die Meinung der Regierung darzulegen.

Kein Grund zur Sorge also für die Regierungskoalition, zumal sie von den Scharfmachern der FDP und den Wir-machen-sowieso-jede-Schweinerei-mit-Politikern der Grünen unterstützt wird. Da kann man es sich auch erlauben, ganz unverbindlich von »neuer Gerechtigkeit« zu schwatzen. Kostet ja nix! Wer wissen will, was die Sozialchristdemokraten konkret darunter verstehen, muss nur den Koalitionsvertrag lesen. Da ist von der »Weiterentwicklung des Kündigungsschutzes, Senkung der Lohnzusatzkosten und Förderung von Existenzgründern« die Rede. Nun, der Kündigungsschutz wurde bereits abgebaut (zwei Jahre Probezeit!), und auch die anderen beiden Punkte verheißen weitere Angriffe auf die sozialen Sicherungssysteme und die Schaffung von Billigjobs, von denen keiner leben kann. Außerdem ist eine Anhebung des Rentenalters geplant, und das Lamentieren über die ach so unerwartet hohen Kosten von Hartz IV nimmt auch kein Ende.

Sozial gerecht in dem Sinne ist auch der Gesetzesentwurf für das Elterngeld. Wer viel Geld verdient, bekommt viel, wer wenig verdient, bekommt wenig, und wer auf staatliche Leistungen angewiesen ist, braucht sowieso keine Kinder in die Welt zu setzen.

Und wo sind die Montagsdemons­tranten oder die streikenden Studenten? Genau, zuhause sind sie, schließlich haben sie ja ihre Stimme abgegeben. Die Partei wird es schon richten. Dieser Herbst war mit Sicherheit nicht heiß und der Winter ist ebenfalls recht kühl.

Das alles erinnert fatal an die Zeit vor und nach den Bundestagswahlen von 1998. Damals gab es eine zumindest für deutsche Verhältnisse recht große Arbeitslosenbewegung, die jedoch den Fehler beging, sich von den Gewerkschaften und der SPD vereinnahmen zu lassen. Nach der Wahl brachen die Proteste schlagartig ab, schließlich sollten die Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit nun endlich erfüllt werden. Und Kohl ist auch endlich weg, wurde gejubelt.

Was folgte, war der größte Angriff auf soziale Sicherungssysteme in der Geschichte der Bundesrepublik überhaupt. Die Sozis lachten sich ins Fäustchen und drohten damit, dass die Unionsparteien im Bündnis mit der FDP alles noch viel schlimmer machen würden. Diese machten das Spielchen gerne mit und drohten mit einem noch weiter gehenden Sozialabbau.

Der Trick funktionierte. Alles, was sich die rot-grüne Regierung an Vorhaben zum Sozialabbau vorgenommen hatte, gelang. Und vier Jahre später eilten wieder genügend Menschen an die Urnen, um der SPD den Wahlsieg zu sichern, denn diesmal musste Stoiber verhindert werden. Bei den vorgezogenen Neuwahlen im letzten Jahr waren dann die Grünen und die SPD immerhin so unglaubwürdig geworden, dass es eine neue Partei brauchte, um die Linken zur Wahl zu zerren.

Wenn jedoch Sozialdemokraten, die an der Regierung sind, Sozialabbau betreiben, was sollen dann erst Sozialdemokraten in der Opposition bewirken? Zumal sie dort, wo sie mitregieren dürfen (wie etwa in Berlin), sich so verantwortungsbewusst wie andere Regierungsparteien verhalten. Da gibt es nur noch Sachzwänge, Sachzwänge und Sachzwänge. Die Rhetorik der Linkspartei wirkte aber anscheinend derartig überzeugend, dass sich auch gestandene Linksradikale davon blenden ließen.

Was aber gebraucht wird, ist keine Linkspartei, sondern eine außerpar­lamentarische Opposition, die in der Lage ist, langfristig zu handeln. Der Streik bei Opel hat gezeigt, wie es geht. Das ist die einzige Sprache, die das Kapital versteht.