Grüne Aura

Die internationale Reaktion auf das iranische Atomprogramm von jörn schulz

Wann wird die erste iranische Atombombe fertig sein? Bereits in zwei Jahren, vermutet der israelische Auslandsgeheimdienst Mos­sad. Mindestens drei, eher aber fünf Jahre werde es noch dauern, glauben die Analytiker des International Institute for Strategic Studies in London. Von fünf Jahren sprach auch die CIA, die im August 2005 jedoch überraschend zu dem Schluss kam, die Ayatollahs würden doppelt so lange brauchen.

Die Experten urteilen unterschiedlich über die Fähigkeit iranischer Wissenschaftler, den komplexen Prozess der Urananreicherung in mehr als 50 000 Zentrifugen und andere Aspekte des Atombombenbaus zu meistern. Die Einschätzungen der Geheimdienste dürften jedoch auch wiedergeben, für wie dringlich eine Regierung das Problem der iranischen Nuklearrüstung hält. Und der Sinneswandel der CIA deutet darauf hin, dass die US-Regierung derzeit nicht beabsichtigt, iranische Atom­anlagen zu bombardieren oder Israel bei einem solchen Unternehmen zu unterstützen.

Die Risiken wären immens. Es gibt mehrere Dutzend weitläufige und zum Teil verbunkerte Nuklearanlagen, die von jüngst erworbenen modernen russischen Luftabwehrraketen geschützt werden. Iranische Raketen können jedes Ziel in Israel und jede US-Basis im Nahen und Mittleren Osten erreichen, und die Ayatollahs könnten mit Hilfe der Hizbollah und anderer islamistischer Gruppen eine terroristische Offensive beginnen. Zudem wäre die Reaktion der schiitischen Parteien und Geistlichen im Irak unkalkulierbar.

Unkalkulierbar wären auch die Kosten. Der US-Kongress hat seit 2002 für den Irak-Krieg und die Bewältigung der Folgen 357 Milliarden Dollar bewilligt. Wenn die ökonomischen Wirkungen einbezogen werden, müssten »selbst bei konservativer Herangehensweise« die Gesamtkosten für die USA auf eine Billion Dollar beziffert werden, schreiben der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und die Harvard-Professorin Linda Blimes in einer jüngst veröffentlichten Untersuchung.

Das iranische Regime kann hoffen, dass die Angst vor den ökonomischen Folgen auch Sanktionen verhindern wird. Diese seien »ein sehr gefährlicher Weg«, da sie der eigenen mehr als der gegnerischen Seite schaden würden, sagte Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Diese Ansicht teilt der iranische Wirtschaftsminister Dawud Danesh Jaafari: »Jede Sanktion wäre für den Westen schädlicher als für den Iran.« Wenn der Iran als Lieferant ausfiele, würde der Ölpreis weiter steigen. Für die europäischen Staaten, Russland und China stehen zudem lukrative Exportgeschäfte auf dem Spiel, und sie zeigen wenig Neigung, den Wettbewerbsvorteil, den sie durch den Rückzug der USA aus dem Iran-Geschäft gewonnen haben, wieder aufzugeben.

Doch auch diese Staaten werden ihre Haltung wohl überdenken, wenn die Fertigstellung der Atombomben näher rückt. Denn bei einem Regime, dessen Präsident glaubt, bei seiner Rede vor der Uno im September vergangenen Jahres habe sich eine grüne Aura um seinen Kopf gebildet, wird sich niemand darauf verlassen wollen, dass es die neue Waffe nur als Drohmittel einsetzt. Die Eskalation ist nur eine Frage der Zeit.

Staaten wie Südkorea, Brasilien und Südafrika haben ihr militärisches Atomprogramm im Laufe des Demokratisierungsprozesses aufgegeben. Das wäre auch für den Iran die beste Lösung. Doch das islamistische Regime hat sich als nicht reformierbar erwiesen, und es ist fraglich, ob eine Revolution das Atomprogramm rechtzeitig stoppen wird, selbst wenn sich die Einschätzung der CIA als richtig erweist.