Vor Ankunft Mord

Französische Soldaten haben in der Côte d’Ivoire einen Gefangenen getötet. Den Befehl soll der kommandierende General gegeben haben. von bernhard schmid, paris

Ein bewaffneter Straßenräuber, der die örtliche Bevölkerung terrorisierte, wie die französischen Militärs behaupten? Ein Elektriker und Klempner, der in der Siedlung Dah »ein ruhiges Leben führte« und einer Selbstverteidigungsgruppe angehörte, wie der Pariser Anwalt seiner Hinterbliebenen, Fabien Ndoumou, angibt? Oder ein in den Dörfern tätiger »Erzieher im sozio-kulturellen Bereich«, wie Gabriel Blé von der Vereinigung zum Schutz der Ivoirer in Paris sagt? Man wird vielleicht nie wissen, wer der etwa 30jährige Firmin Mahé war.

Auch seine Leiche wird man vielleicht nie finden. Der Rechtsanwalt behauptet, sie sei wahrscheinlich in ein Massengrab für unbekannte Verstorbene geworfen worden. Er fordert von der französischen Militärjustiz Nachforschungen über ihren Verbleib. Das Pariser Militärgericht ermittelt seit Monaten.

So viel steht mittlerweile fest: Firmin Mahé ist am 13. Mai dieses Jahres von französischen Soldaten getötet worden, in deren Gewalt er sich befand. Der Vier-Sterne-General Henri Poncet, der von Mai 2004 bis Mai 2005 der ranghöchste französische Militär in Côte d’Ivoire war, scheint die Tötung mit kaum verhüllten Worten angeordnet zu haben.

Die Angelegenheit spielte sich in der Pufferzone ab, die zwischen dem Hoheitsgebiet des ivoirischen Regimes unter dem Präsidenten Laurent Gbagbo und der bewaffneten Opposition in der nördlichen Landeshälfte verläuft. Sie wurde und wird von der französischen Truppe der Opération Licorne (Einhorn) unter UN-Mandat bewacht. Das waren damals über 5 000 Soldaten, derzeit sind es noch 4 000.

In dieser Zone, die keiner organisierten Staatsgewalt untersteht, hatten sich Banden von Straßenräubern und Plünderern formiert. An jenem Tag behauptete ein ivoirischer Zivilist, der eine Patrouille französischer Panzerfahrzeuge begleitete, in Mahé einen Bandenchef zu erkennen. Die Insassen eines Panzerwagens schossen auf ihn und verwundeten ihn am Bein, doch Mahé konnte entkommen.

Nur zufällig fanden die französischen Soldaten den Schwerverletzten mehrere Stunden später wieder. Sie sahen sich gezwungen, ihn in ein Krankenhaus zu transportieren. Doch gegen 18 Uhr ordnete General Poncet am Telefon an: »Fahren Sie langsam, Sie verstehen mich.« Oberst Eric Burgaud gab den Befehl an seinen Untergebenen weiter, den Chefadjutanten Guy Raugel. Dessen Aussage gegenüber der ermittelnden Richterin Brigitte Ray­naud zufolge hat Burgaud seine Nachfrage, ob Mahé tot ankommen solle, explizit bejaht. Deshalb ließ Raugel während der Fahrt die Scheiben verdunkeln. Nach eigenen Worten zog er Firmin Mahé einen schwarzen Müllsack über den Kopf und sorgte durch mehrere Lagen Klebeband dafür, dass er keine Luft mehr bekam. Das Opfer erstickte planmäßig. Gegen 20 Uhr brachten die Militärs einen Toten in die Klinik, der angeblich seinen Schussverletzungen erlegen war.

General Poncet, der die ganze Affäre gegenüber seinen politischen Vorgesetzten vertuscht hatte, wurde am Dienstag voriger Woche zum Verhör in polizeiliches Gewahrsam genommen. Ein Vorgang, der ziemlich viel Staub in Armee­kreisen aufwirbelt. Bereits im Oktober, als Poncet von Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie strafversetzt worden war, empörte sich ein Teil der Presse. Das rechtsaußen stehende Wochenmagazin Valeurs actuelles, Sprachrohr des Rüstungsindustriellen Serge Dassault, titelte »Die Ehre eines Generals« und sprach von der Angelegenheit fast so, als sei Henri Poncet das Opfer einer neuen Dreyfus-Affäre. Auch die rechtsbürgerliche Boulevardzeitung France Soir sorgte sich insbesondere um die Militärs, deren Reputation in den Schmutz gezogen werde. Poncet, der die Vertuschung der Affäre zugegeben hat, gab an, er habe »keine antifranzösischen Gewalttaten« in Côte d’Ivoire auslösen wollen.