Reges Vereinsleben

Der Verein »Gedächtnisstätte« will im sächsischen Borna eine Gedenkstätte errichten. Unter seinen Mitgliedern sind Rechtsextreme aus dem Umfeld des »Collegium Humanum«. von janin hartmann

In der sächsischen Kleinstadt Borna war die Welt bis vor kurzem noch in Ordnung. Norma­lerweise ist hier überhaupt nichts los, abgesehen von einem besonders »regen Vereinsleben«, wie die Stadtverwaltung verspricht. Tatsächlich ist das Vereinsleben des Städtchens dermaßen rege, dass darüber neuerdings eine hitzige Debatte geführt wird. Denn ausgerechnet hier, inmitten der verschlafenen ostdeutschen Einöde, scheint ein rechter Verein ein überregionales Zentrum zu planen.

Bereits im März dieses Jahres erwarb der Architekt Ludwig Limmer ein Grundstück in Borna und richtete darauf ein Begegnungszentrum für Russlanddeutsche ein. Auf der feierlichen Eröffnung am 29. Oktober sagte der parteilose Oberbürgermeister Bernd Schröter, hier sei »etwas im Entstehen, das Borna nur gut tun kann«. Seine Ankündigung bezog sich offensichtlich auf eine Entscheidung des Bornaer Bauausschusses vom 11. Oktober. Damals wurde Limmer die Genehmigung für ein weiteres Projekt auf dem Gelände erteilt, eine Gedenkstätte für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges.

Doch am 6. Dezember enthüllte die Leipziger Volkszeitung, dass Limmer Mitglied des rechten Vereins »Gedächtnisstätte« ist und dass dieser Verein bereits seit dem Jahr 1992 den Bau einer solchen »Gedenkstätte« anstrebe. Bisher waren seine Bemühungen erfolglos, nicht zuletzt deshalb, weil die sächsischen Politiker von der Landrätin Petra Köpping vor Versuchen aus dem rechten Spektrum, Grundstücke zu erwerben, gewarnt worden waren.

Im Bornaer Bauausschuss hätten »alle dazu genickt«, sagte der Bürgermeister Schröter. Er selbst habe sich bei der Entscheidung für befangen erklärt, denn seine Metallbau-Firma hatte einen pikanten Auftrag von Ludwig Limmer erhalten. Die Leipziger Volkszeitung berichtet, dass die Firma des Oberbürgermeisters ein zwölf Meter hohes Metallkreuz für eine Parkanlage produzierte, die auf Limmers Gelände gelegen und einem altgermanischen Thingplatz nachempfunden sei. Als das Interesse der Medien an Bernd Schröter daraufhin rapide zunahm, verabschiedete er sich kurzerhand in einen »lange geplanten Kurzurlaub«.

Aus diesem ist er mittlerweile zurückgekehrt und bemüht sich um Schadensbegrenzung. Am 13. Dezember sagte er, das unselige »Hochkreuz« werde »entweder zerlegt, oder die Kirchengemeinde hat dafür eine andere Verwendung«. Was genau auf dem Gelände geplant ist, kann zurzeit niemand mit Sicherheit sagen. Der Oberbürgermeister spricht beschwichtigend davon, dass allein das Errichten des Kreuzes genehmigt wurde, der Eigentümer habe aber »eine Erinnerungsstätte« beantragt, wie die Leipziger Volkszeitung berichtete. Die Zeitung Neues Deutschland spricht sogar von Plänen, auf dem Gelände zusätzlich zu den bisherigen Projekten einen Konzertsaal zu eröffnen und einen rechten Verlag anzusiedeln. Der Verein »Gedächtnisstätte« will sich erst im Mai 2006 zu den Vorhaben äußern.

Der Verein, der das Bornaer Projekt mit 250 000 Euro finanziert und dessen Mitglied der Grundstückseigner Limmer ist, ist zwar »kein Gegenstand der Beobachtung« des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Aber die Adresse des Vereins ist identisch mit der des »Collegium Humanum« im nordrhein-westfälischen Vlotho (Jungle World, 22/04). In dieser rechts­ideo­lo­gi­schen Bildungsstätte halten regelmäßig bekannte Rechtsextreme und Revisionisten wie Horst Mahler Vorträge und Seminare.

Der Gründer des »Collegium Humanum«, Werner Georg Haverbeck, war unter Hitler Leiter des »Reichsbundes für Volkstum und Heimat«. Nach 1945 wandte er sich der Anthroposophie und der Ökologie zu. Dabei vertrat er einen als Umweltschutz getarnten völkischen Rassismus. »Völker sind (…) geprägt durch den Boden, aus dem sie wuchsen, durch den Raum, der sie umfängt. (…) Völker müssen vor ihrer Entfremdung, der ihnen angeborenen Eigenart gegenüber, geschützt werden«, zitiert ihn die Zeitschrift Ökolinx.

In der ökofaschistischen Ideologie Haverbecks werden die Bewohner des Trikonts zur »Umweltbelastung«, die den »Lebensraum« des »deutschen Volkes« zu »überfremden« drohen. Haverbeck und sein völkisch-biologistischer »Weltbund zum Schutze des Lebens«, dessen Seminare überwiegend im »Collegium Humanum« stattfanden, spra­chen sich auch gegen die Nutzung der Atomkraft aus, freilich nur wegen der »unabsehbaren Folgen der Radioaktivität auf das Erbgut der Deutschen«.

Haverbeck starb 1999, doch seine Witwe Ursula Haverbeck-Wetzel führt seine Projekte fort. Sie ist Vorsitzende des »Collegium Humanum«, unter ihrer Leitung wurde 2003 der revisionistische »Verein zur Rehabilitierung der wegen des Bestreitens des Holocausts Verfolgter« gegründet. In dessen Gründungserklärung heißt es: »Hier (…) wird der talmudischen Lüge der Kampf angesagt, der Lüge, die den Seelenmord am deutschen Volk seit nunmehr fast 60 Jahren ermöglicht, nämlich der Behauptung, dass wir Deutschen in Ausch­witz vier Millionen Juden durch das Giftgas Zyklon B ermordet hätten.« Haverbeck-Wetzel wurde daraufhin wegen Volksverhetzung angeklagt, und das nicht zum ersten Mal.

Sie ist die Initiatorin des Vereins »Gedächtnisstätte«, der nun in Borna die Genehmigung zum Bau einer Gedenkstätte für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges erhalten hat. Das Städtchen hat sich in den letzten Monaten offensichtlich im winterlichen Tiefschlaf befunden. Erst jetzt laufen die Ermittlungen der Behörden an, und die Bestürzung über die neuen Protagonisten des Bornaer Vereinslebens ist groß. Doch wenn die Verantwortlichen das Projekt noch verhindern wollen, müssen sie statt Kurzurlaub wohl künftig Überstunden machen. Denn die Genehmigung ist bereits erteilt.

Demnächst will die Bornaer Stadtverwaltung nachholen, was üblicherweise vor und nicht nach Genehmigungen geschieht: sich vom Eigentümer die Nutzungsabsichten für das Grundstück erklären lassen. Bürgermeister Schröter kündigte an: »Die fortschrittlichen Kräfte unserer Stadt werden sich formieren.« Tatsächlich fand am 16. Dezember in Borna die erste Demonstration gegen Rechts mit 400 Teilnehmern statt. Es dürfte nicht die letzte gewesen sein.