Alle gemeinsam

Die Botschaft der großen Koalition von freerk huisken

»Gemeinsam für Deutschland«, ist der gerade verabschiedete Koalitionsvertrag überschrieben. Für wen oder was auch sonst? Politik wird in Deutschland aus Sorge um Deutschland gemacht. Deutsche Bürger verstehen, dass die Sorgen der Politiker nicht ihnen gelten können, sondern sich höheren Anliegen wie etwa der »Staatsverschuldung, dem demographischen Wandel und dem Veränderungsdruck der Globalisierung« zu widmen haben, dass sie die »Handlungsfähigkeit des Staates« wiederherstellen und seine »außenpolitische Rolle« in der Welt stärken müssen. All das sehen Bürger ein, weil sie erstens gelernt haben, in den Sorgen der Politiker um Deutschland ihre eigenen zu entdecken; und weil diese Lehre zweitens – trotz jahrzehntelanger Erfahrung des Gegenteils – ihnen zu einem Glaubensartikel geworden ist.

So gesehen trifft die Ankündigung auch ins Schwarze: »Gemeinsam für Deutschland«. Nicht nur CDU/CSU und SPD wollen gemeinsam die »großen Herausforderungen« bewältigen, »vor denen Deutschland steht«. Der Auftrag ergeht an »uns alle«: »Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger gewinnen, diesen Weg mitzugehen!« Keine Frage, sie gehen mit. Denn: »Du bist Deutschland.« Und niemand versteht das falsch; etwa als Auftakt zu einer landesweiten Überzeugungstour von Merkel und Müntefering, in der sie sich ganz gegen alle demokratischen Regeln davon abhängig machen, ob die Bürger mit ihnen gehen wollen oder vielleicht lieber nicht. Diese haben ihre Zustimmung längst gegeben, im September am Wahltag. Gleich als Freibrief mit vierjähriger Gültigkeit. Bis zum nächsten Freibrief.

Der »gemeinsame Weg« kann begangen werden. Niemand wird ausgelassen; alle Bürger werden gleichermaßen und ganz gerecht für Deutschland in die Pflicht genommen. Wenn die Mehrwertsteuer erhöht wird, dürfen sich die einen darauf freuen, über das Einkaufen verteuerter Güter ihren Beitrag zum Abbau der Staatsverschuldung zu leisten; während die anderen dringend aufgefordert sind, über die verbilligten Lohnnebenkosten ihre Geschäfte anzukurbeln.

Auch der geplante Kombilohn nimmt beide Seiten in die Pflicht: Während die einen, vornehmlich die »gering Qualifizierten«, die ehrenvolle Aufgabe erhalten, als Bezieher staatlich subventionierter Löhne die Arbeitslosenstatistik zu schönen und dem Übel der Schwarzarbeit zu Leibe zu rücken, müssen die anderen mit ihrer Personalpolitik den Nachweis erbringen, dass sie die neuen Billiglöhner auch wirklich verdienen.

Des weiteren gibt es noch den »weiterentwickelten Kündigungsschutz«, der viel Verantwortungsbewusstsein von beiden Seiten verlangt. Während sich nämlich die einen mit noch mehr guter Arbeit dafür erkenntlich zeigen müssen, dass neuerdings beim Heuern und Feuern »für die Transparenz« und »die Rechtssicherheit« gesorgt wird, sind die anderen aufgefordert, mit der von sechs auf 24 Monate verlängerten Wartezeit vor der Festeinstellung kein Schindluder zu treiben, sondern nur ihre Gewinnmaschinerie anzukurbeln.

Und schließlich bringt die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre für die einen den Gewinn, dass sie sich um die Entlastung der durch zählebige Rentner schlichtweg überforderten Rentenkasse verdient machen dürfen, während die anderen darauf zu achten haben, dass sie diese Neuregelung nicht als die Verpflichtung missverstehen, das von ihnen schon ziemlich verbrauchte Menschenmaterial weiterhin beschäftigen zu müssen.

So hat jeder in Sorge um Deutschland das Seine zu leisten und zwar – eingedenk des Bekenntnisses des Koalitionsvertrages – »mit Mut und Menschlichkeit«.