Geboren in Genua im Juli 2001

Mit Hilfe von internen Vorwahlen will die Mitte-Links-Allianz in Italien ihren Spitzenkandidaten gegen Berlusconi ermitteln. Die globalisierungskritische Bewegung spielt mit. von federica matteoni

Die italienische Linke bereitet sich auf das Wahljahr 2006 vor und lernt dabei von den USA. Am 16. Oktober sollen Mitglieder der Mitte-Links-Allianz Unione in einer Vorwahl entscheiden, wer als Spitzenkandidat gegen Silvio Berlusconi antreten soll.

Es ist so gut wie sicher, dass der Sieger Romano Prodi heißen wird. Der ehemalige EU-Kommissionspräsident sprach sich für die Vorwahlen aus, um seinen Führungsanspruch innerhalb der sehr heterogenen italienischen Opposition mit einem soliden Mandat der Basis zu legitimieren. Allerdings hatte sich Prodi die Angelegenheit sicherlich einfacher vorgestellt. Dem breiten Wahlbündnis, das in dieser Form das erste Mal bei den Regionalwahlen am 3. und 4. April angetreten ist, gehört auch Rifondazione Comunista (PRC) an. Fausto Bertinotti, der Vorsitzende der Partei, wird gegen Prodi kandidieren.

Bereits vor den Regionalwahlen experimentierte die Unione im süditalienischen Apulien mit Vorwahlen. Das Ergebnis war für alle Beteiligten eine Überraschung: Der kommunistische Kandidat und bekennende Homosexuelle Nichi Vendola setzte sich gegen seinen gemäßigten Gegner durch und wurde zum Spitzenkandidaten der Unione nominiert. Ein halbes Jahr später gewann er auch bei den Regionalwahlen gegen den Kandidaten der Mitte-Rechts-Koalition und wurde zum ersten kommunistischen Präsidenten einer italienischen Region.

Kein Wunder, dass der Wahlausgang beim PRC große Hoffnungen weckte. »Mein Ziel ist es, die Alternative zu Berlusconi von links zu radikalisieren, deshalb kandidiere ich«, erklärte Bertinotti zum Auftakt seines Wahlkampfs. Die Vorwahlen sieht er als wichtigen Mechanismus, um die Grenzen der Koalition möglichst weit nach links zu verschieben. Unklar ist allerdings, auf welcher politischen Basis dies geschehen soll, wenn die Aktivisten innerhalb des Bündnisses sich in zentralen Fragen nicht auf eine einheitliche Haltung verständigen können. Besonders deutlich wird die Heterogenität innerhalb der Unione beim Thema Irak-Krieg. Hier reicht das Spektrum vom harschen Antiamerikanismus des PRC bis zur diffusen Sympathie mit George W. Bush, die der linksdemokratische Parteichef Piero Fassino hegt.

Während Romano Prodi mit seinem gelben Wahlkampf-Lkw durch Italien tourt, reist Bertinotti mit dem Zug und fordert die Schließung aller Abschiebelager, die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben, die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und die Einführung einer Vermögenssteuer. Er redet nicht von einem politischen Programm, sondern von der »Vision« einer so weit wie möglich »entberlusconisierten« Gesellschaft. Dafür wird er jedoch ein wenig länger brauchen als die nächsten sechs Monate.

Dass in einem Wahlkampf um die Bestimmung des Herausforderers von Berlusconi diese Inhalte überhaupt thematisiert werden, ist für italienische Verhältnisse eine Sensation. Die Vorwahlen in Apulien setzten innerhalb der Linken eine Art Kettenreaktion in Gang, die zunächst den PRC dazu brachte, sich Hoffnungen zu machen. Nicht auf eine – so gut wie unmögliche – Wiederholung des regionalen Erfolgs auf nationaler Ebene, der PRC hofft vielmehr, das Programm der Unione von links beeinflussen zu können.

Diese Chance wollte aber nicht nur Fausto Bertinotti nutzen. Es trat noch ein weiterer Kandidat an, der beweisen wollte, dass es »noch linker« gehen kann. Er ist ein Globalisierungskritiker, ein Angehöriger der Bewegung der Disobbedienti (»Ungehorsame«). Nach wochenlangen Diskussionen in linken Zeitungen und Foren, ob für die globalisierungskritische Bewegung die Parlamentspolitik mit ihren Mechanismen zur Wahrung des politischen Gleichgewichts ein Tabu sein sollte, entschieden sich die Disobbedienti dafür, auf ihre Art im politischen Spiel mitzumischen. Auf einer Pressekonferenz Mitte September stellten sie ihren Kandidaten vor.

Dass es sich dabei um eine der typischen medienwirksamen Aktionen handelte, mit denen die Ungehorsamen regelmäßig die Szene des politischen Aktionismus zu erobern suchen, war von Anfang an klar. Der mysteriöse »ungehorsame Kandidat«, der weder Frau noch Mann sein sollte, war in den Wochen zuvor in mehreren Zeitungen zu Wort gekommen und hatte sich der Öffentlichkeit vorgestellt: »Ich wurde in Genua im Juli 2001 geboren, ich kam auf einem wackligen Boot über das Mittelmeer nach Italien. Ich habe keinen Namen und kein Gesicht, ich bin ein Arbeitsloser, eine prekär Beschäftigte, ein Obdachloser, eine Migrantin.«

Der namenlose Kandidat blieb bis zum Schluss gesichtslos und trug nach zapatistischem Vorbild auch bei der Pressekonferenz eine Hasskappe. Die war jedoch nicht schwarz wie die von Subcomandante Marcos oder von den Black Blocks in Genua, sondern eine »milde Version« in Regenbogenfarben. Um ordentlich mitzuspielen, mussten die Ungehorsamen aber einige Tage später ihre Kandidatur offiziell machen, und dafür brauchten sie einen richtigen Namen. Und so bekam der »gesichtslose Kandidat« den Namen einer Frau, Simona Panzino, einer Hausbesetzerin aus Rom, »aber nur, damit man daneben ein Kreuz machen kann«, betonten die Ungehorsamen. »Unser Kandidat wird gesichtslos bleiben, wie alle Rechtlosen, die sich von den politischen Parteien nicht repräsentiert fühlen.«

Truppenabzug aus dem Irak, Existenzgeld in Höhe von 1 000 Euro monatlich, Recht auf Besetzung aller leer stehenden Häuser, Abschaffung des Immigrationsgesetzes und Amnestie für alle diejenigen, die wegen ihrer Beteiligung an den sozialen Kämpfen der letzten Jahre juristisch verfolgt werden: Mit diesen Forderungen gehen die Ungehorsamen in den Wahlkampf, ohne jedoch einen zentralen Widerspruch gelöst zu haben. Einerseits wird behauptet, mit der Teilnahme an den Vorwahlen wolle man die »rote Zone der Politik« stürmen, also Sabotage betreiben. Andererseits werden die Vorwahlen als »große Chance für die Demokratie von unten« betrachtet, als Möglichkeit für die Basis, die Entscheidungen des politischen Establishments zu beeinflussen. Ob das gelingen wird, bleibt fraglich. Wahrscheinlicher ist es, dass mit kommunistischen und vermummten Kandidaten die rechte Propaganda, die eine »kommunistische Gefahr« an die Wand malt, in nächster Zeit wirken wird.

Da an den Vorwahlen jeder italienische Wahlberechtigte teilnehmen darf, der seine Unterstützung für das Mitte-Links-Bündnis erklärt und eine Gebühr von einem oder zwei Euro bezahlt, sind Sorgen nicht unberechtigt, dass die Vorwahlen vom politischen Gegner für eine Manipulation der Kandidatenkür genutzt werden könnten. Es kann nur im Interesse der derzeitigen konservativen Regierung sein, wenn aus den Vorwahlen ein »linksextremer Kommunist« als Kandidat hervorginge oder zumindest viele Stimmen bekäme.