Danke, Deutsche!

Nach einigen regionalen Erfolgen der NPD bei der Bundestagswahl diskutieren die Rechtsextremisten ihre Strategie der »Volksfront« erneut. von andreas speit

Danke, Deutsche!« Kaum ein Landesverband der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) bedankte sich nicht bei den Wählern. Die älteste Neonazipartei konnte sich nach der Bundestagswahl über neue Wähler freuen, auch wenn der »Sturm des Reichstags« nicht gelang. Bereits nach den ersten Hochrechungen sagte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt: »Wir haben auf Bundesebene das beste Wahlergebnis seit 1969 erzielt.« Mit 1,6 Prozent der Wählerstimmen sei die NPD nun »die stärkste Kraft unter allen Parteien, die nicht im Bundestag vertreten« sind. Bis auf Nordrhein-Westfalen habe sie »in allen Ländern mindestens eine Eins vor dem Komma« erreicht. Gegenüber 2002 hat die NPD ihren Stimmenanteil vervierfacht. Kurz vor dem 18. September hatte sich Peter Marx, der NPD-Bundeswahlleiter, bemüht, die Erwartungen zu dämpfen. Aus dem Bundesvorstand wurde inoffiziell verbreitet, dass »ein bis drei Prozent« ein gutes Ergebnis seien. So konnte sich Voigt ohne Gesichtsverlust als Gewinner darstellen und weiter für seinen Kurs der »Volksfront« werben. »Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Bündelung der nationalen Kräfte«, sagte er und betonte, man habe den Wahlkampf »mit eigener Kraft, der Unterstützung der DVU (Deutsche Volksunion), vieler Freier Kräfte«, mit Anhängern aus der Deutschen Partei und »selbst einigen Republikanern« geführt. Diese Allianzen ermöglichten der NPD, in vier Bundesländern das vorhandene rechte Wählerpotenzial, welches eine rechte Grundeinstellung, eine starke politische Entfremdung und ein Gefühl sozioökonomischer Bedrohung eint, besser ausschöpfen zu können. In Sachsen erhielt die NPD 4,9 Prozent und überholte die Grünen (4,6 Prozent). In einigen Wahlkreisen bekam sie rund zehn Prozent oder sogar noch mehr: Nauwalde 12,8 Prozent, Weißig am Raschütz 14,1 Prozent, Reinhardtsdorf-Schöna 14,4 Prozent. In Thüringen gewann die NPD insgesamt 3,7 Prozent der Stimmen. Dort blieb sie in manchen Wahlkreisen nur knapp unter fünf Prozent, so etwa im Kyffhäuserkreis, in den Kreisen Greiz – Altenburger Land und Sonneberg – Saalfeld-Rudolstadt. 3,2 Prozent erreichte sie insgesamt in Brandenburg, wo sie ebenfalls regionale Erfolge feiern konnte, wie in der Gemeinde Gröden (14,1) und im Amt Schradenland (12,3). Nicht minder erfolgreich war sie in etlichen Wahlkreisen Mecklenburg-Vorpommerns. Landesweit stimmten 3,5 Prozent für sie. In Ostvorpommern erzielte sie in Bargischow 16,8 Prozent, in Neuenkirchen 16,6 und in Postlow 15,5. Auch in Westmecklenburg konnte sich die NPD regional verbessern. Die NPD-Wähler seien »normale Söhne, Mütter, Väter, Tanten, Arbeitslose«, betont Bargischows Bürgermeister Karl-Heinz Thuro (parteilos). Längst besteht in Mecklenburg-Vorpommern eine rechte Szene, die gesellschaftlich verankert ist. Nach Sachsen werde nun dort die »zweite Modellregion für die NPD geschaffen«, befürchtet Christian Sell von der Mobilen Beratungsstelle für demokratische Kultur aus Greifswald. Mittlerweile räumt der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Gottfried Timm, ein: »Es gibt hier Nester der NPD und der Kameradschaftsszene.« Deutlicher erklärt Hajo Funke, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, dass die Wahlergebnisse auf eine »doppelte Verankerung« der NPD hinwiesen. Die Partei habe sich in der »rechten Jugendszene etabliert« und »auch regionale Anerkennung bekommen, wo sie mit dem Biedermeiergesicht agiert«. Sollte sich die NPD auf kommunaler Ebene weiter etablieren, warnt Funke, könnte sie sich bei den mecklenburgischen Landtagswahlen der Fünf-Prozent-Hürde annähern. Nichts anderes hofft Thomas Wulff, der Sekretär des NPD-Parteivorsitzenden und Landeswahlkampfleiter. »Wir haben das gesteckte Ziel erreicht«, sagte er, der auch immer noch im Netzwerk der »Freien Kameradschaften« führend ist. »Mit 3,5 Prozent auf Landesebene ist meine Zielsetzung sogar noch übertroffen worden.« Der Einzug in den Schweriner Landtag sei greifbar nahe, wenn der gemeinsame »Kampf« weitergeführt werde. Leicht pathetisch mahnte Wulff: »Ich hoffe, dass ihr alle nunmehr auch bereit seid, mir (…) zu folgen, wenn ich euch aufrufe: ›Der Nationale Widerstand muss nun den einmal begonnenen Wahlkampf fortsetzen (bis) zum Einzug in den Landtag!‹« Solche Appelle scheinen nötig zu sein, denn die Kritik an der »Volksfrontstrategie« verstummt nicht. Offen schimpfte Jürgen Schwab, ein langjähriger NPD-Theoretiker, über das »fettarme Ergebnis« der »grandiosen ›Volksfront von rechts‹« und klagte: »Voigt fühlt sich wohl gezwungen, seinen potenziellen Wählern unseriöse Versprechen zu machen.« »Nationalisten« müssten aber aufzeigen, was »durch eine parlamentarische Arbeit erreichbar« sei, denn über den »Wahlzirkus« werde das System legitimiert, nicht abgeschafft. Ebenfalls verärgert riefen »Freie Nationalisten« im Internet dazu auf, die »revolutionären Nationalsozialisten in der NPD« zu unterstützen, damit die »rechte Volksbewegung« nicht weiter alleine »Ausländern die Schuld« an der »menschenverachtenden Politik« gebe, sondern auch den »Kapitalismus öffentlich angreift«. Die vermeintliche Konturlosigkeit der »Volksfront« beklagte erneut Christan Worch. Einen Tag nach der Wahl schimpfte der Anführer der »Freien Kameradschaften« sogleich über seinen früheren engsten Vertrauten Wulff. Wie sich »der Mann«, nachdem er sich »zwei Jahrzehnte« als »Nationalsozialist« verstanden habe, nun bezeichnen wolle, fragte er. Vor seinem inneren Auge sehe er bereits »Wulff seinen Namen mit dem Kürzel ›MdL‹ schmücken«. Eine solche Kritik kommt für Voigt und seine Mitstreiter nicht unerwartet. »Der Gegner« werde nichts unversucht lassen, scheinbare Gegensätze zu schaffen, sagte Voigt und verschwieg, dass er damit auch die Kameraden in den eigenen Reihen meinte. Selbst das Wahlergebnis der Republikaner von 0,6 Prozent nutzte der NPD-Vorsitzende nicht dazu, die Partei anzugreifen. Im Internet widersprachen die Rechtsextremen bisher mehrheitlich der Kritik am »Volksfrontkurs«. Der Parteivorstand dürfte sich indes, gut besoldet mit einer Wahlkampfkostenrückerstattung von rund 632 000 Euro, weiter auf den Parteiaufbau im Osten konzentrieren.