Z’heimelig

I hate Kreuzberg IV von thomas blum

Wissed se, des isch so ebbes mit dem Kreuzberg, des ko’ ma’ braggdisch garnedd richdig beschreiba. ’S isch halt immer ebbes los hier. Immer Halligalli un’ Kuldurdings. ’S isch halt gar ned wie bei uns dahoim im Schwobaländle, wo braggdisch im Prinzip noch a Ordnung herrschd. Des isch zwar irgendwie … ja, reizvoll … aber halt au’ so beänschdigend chaodisch, unordendlich. Befremdlich faschd.

Vaschdehn’s mich ned falsch. Ich hab’ nix gege’ die Radaubrüder, ich bin braggdisch liberal, aber a bissle Ordnung muss scho’ au’ sein, ned?

Zuerschd, wenn ma’ hierher zieht, isch’s scho a bissle schwierig. Die Leut’ hier könne’ ja alle kein richdig’s Deutsch. Die sage’ in der Bäggerei »Schribbe« statt »Weggle«, wenn sie a Semmel moine’. Des vaschdehd doch koi Sau. Die Leut’ hier habe’ oifach koine wirgliche Kuldur.

Un’ die ganze Türke’, die passe’ sich ja au’ überhaupt gar ned der deutsche’ G’sellschaft aa. Die laufe’ hier ’rum mit Kobbfduch un’ Koran, als wär’n se in Anadolie’ oder Timbuggtu, gell? Die lebe’ endweder auf Schdaadskoschde’ oder verkaufe’ ihr’n Fleischkäskebab, aber schaffe’ dun’s nix. Des isch scho’ a Broblem, seie’ mir amol ährlich, ned?

Aber andererseits: des isch scho’ gmüadlich, wenn mer hierherkummd und alle Forz lang Landsleud’ drifft, gell? Da kann ma’ sich’s dann einrichde’ wie bei uns dahoim im Schwobaländle. Wissed se, mir Schwoba, mir mached uns braggdisch unsere Brovinz, wo’s uns g’fälld. Wo mir sin’, da mached mir braggdisch Schluss mit dem Schlendrian und der nächtliche’ Sauferei allweil auf der Straß’. Um punkd Elf rufe’ mir die Polizei. Weil mir müsse’ schaffe’ am nächschde’ Morge’, mir könne’ ned bis Uldimo Bumsfallera und Rabatz mache’, mir sin’ doch hier ned bei de’ Neger!

Ich moin’, ned dass Sie mich jetzt missvaschdeh’n, der Karneval der Kulduren beischbielsweise, des isch ja scho’ eine ganz wunderbare Sache, da wird auch mal der Bär losgelasse’, wie ma’ so saggd. Diese Exodik und diese Farben und diese Lebensfreude, davon vaschdeh’n die schon was, diese Ausländer. Der Oriendale an sich isch’ eben einer, der hat halt den Rhyddhmus im Blut, ned? Aber wenn Schluss isch, muss Schluss sein. Wenn Sie vaschdeh’n, was ich moin’, gell? Mir sin’ doch hier schließlich ned im Urwald, gell?

Apropos Kuldur: Jetzt hamma au’ scho’ schwäbische Wirtschafte’ un’ alemannische Imbissstuba mit Mauldäschle un’ Bubaschbitzle hier in Kreuzberg, des isch scho’ heimelich hier im »Kiez«, wie der Berliner so luschdig sagt, gell? Und, jetzedle seie’ Sie amol ährlich: Sie drinke’ doch au’ lieber an Drollinger wie den Urin, den wo der Berliner a Bier nennt, gell? Isch doch so.

Aber ich muss Ihne’ scho’ sage’: Die Infraschdrukdur isch scho’ einmalich hier in Kreuzberg, ’s gibt alles, was das Herz begehrd, ned? Bioläden, veganische Nichtraucherlokale, Ökometzgerei, Wickeldische im Ikea, Yogakurse in der Volkshochschul’. Alles da. Vor der Haustür. Aber um punkt Elf wird braggdisch von uns Schwoba sauber Tabula Rasa g’macht. Ende der Fahnenstange und Zapfenstreich. Da kehrt dann braggdisch eine Ordnung ein, ned? Mir mache’ a anständige Ordnung hier. Un’ Kehrwoche! Un’ mir zeige’ dem faule’ Pack hier in Kreuzberg, wie ma’ richdich schaffd. Wie beim Daimler.

Da könne’ die ganze’ Arbeitslose’ und die schdinkige’ Schdruppis in Kreuzberg no’ was von uns lerne’, moined Sie ned au’? Weil mir sin’ braggdisch Avantgarde, wenn Sie jetzt braggdisch vaschdeh’n, was ich moin’, gell?