Wo Georgie, Condi und Dick ihren Burger essen

Eine Ausstellung zum Verhältnis von Kunst und Populismus. von jessica zeller

Populismus hat verschiedene Gesichter. Viele unterschiedliche Dinge können mit sehr gutem Grund alle als Populismus bezeichnet werden.« Mit ihrer einleitenden Beschreibung im Reader »Populism«, der begleitenden Aufsatzsammlung zur gleichnamigen Ausstellung, die zuerst in Vilnius, Oslo und Amsterdam gastierte und jetzt in Frankfurt am Main zu sehen ist, haben die Kuratoren den Begriff bereits definiert: Populismus kann fast alles sein. Das ist nicht ungewöhnlich, denn auch die Theorie und die mediale Reflexion über den Populismus zeichnen sich durch eine gewisse Beliebigkeit aus. Meistens wird die allgemeine Beschreibung dessen, was denn nun Populismus ist oder sein soll, mit einer Verurteilung der Populisten eingeleitet – von Jörg Haider über Christoph Blocher bis hin zu Oskar Lafontaine –, in der der jeweilige Kritiker anschließend sich selbst und die liberale repräsentative Demokratie als höchstes Gut verteidigt. Mögen einem selbst die Populisten mit ihrem »Appell ans Volk« auch noch so unsympathisch sein, drängt sich bei der Lektüre dieser »Analysen« oft genug die Frage auf, ob die beiden angeblichen Gegensätze – Populismus und das, was allgemein mit Demokratie gleichgesetzt wird – denn tatsächlich so unterschiedlich sind, und wenn ja, warum man dann unbedingt für letzteres votieren soll.

Man kann es den Initiatoren und Künstlern der Ausstellung deshalb nicht hoch genug anrechnen, dass sie, auch wenn sie in ihrem groß angelegten Projekt den Populismus zwar kaum zu fassen bekommen, wenigstens keine Phrasen über das zu erhaltende Parteiensystem oder eine Anklage gegen die Dummheit der Massen produzieren. Vieles, was im Frankfurter Kunstverein zu sehen ist, lässt einen zwar im Unklaren über den Begriff an sich, ist aber stattdessen witzig bis zynisch. Einiges regt sogar zum Nachdenken an.

Jeremy Deller hat sich beispielsweise für seinen Film »Memory Bucket« nach Texas begeben. Konkret zu der Tankstelle, wo George W. Bush auf dem Heimweg zu seiner Ranch in Gesellschaft von Condi Rice, Dick Cheney oder auch mal allein mit seiner Laura einen »Cheeseburger mit extra viel Zwiebelringen« zu verspeisen pflegt. Die Mitarbeiterin der Tankstelle spricht derart begeistert von ihrem Präsidenten, den »man nicht beim Essen fotografieren soll«, dass man ihr teilweise sogar schon zustimmen möchte. Man versteht für einen kurzen Moment, warum good old George eigentlich ein cooler Typ ist, und hat damit vielleicht ein bisschen von der Faszination zu fassen bekommen, die der Mann auf seine Anhängerschaft ausübt: seine unmittelbare Volksnähe.

Etwas Ähnliches kann einem bei der Dokumentation »Danes for Bush« des dänischen Filmemachers Jakob S. Boeskov sicherlich nicht passieren. Hier befindet sich der Regisseur eher in der Rolle des Michael Moore, der die interviewten Personen in ihrer Naivität vorführen will. In diesem Fall sind das die Anhänger der Republikanischen Partei, denen Boeskov glaubhaft zu versichern sucht, dass er im fernen Dänemark eine Unterstützergruppe für den Präsidenten, der gerade seinen zweiten Wahlkampf bestreitet, gegründet habe. Einige Lacherfolge beim Publikum sind zwar garantiert, die Amis sind hier jedoch tatsächlich nur die Deppen, die noch nicht einmal wissen, wo Dänemark überhaupt liegt.

Augenfällig ist in der europäischen Ausstellung sicherlich die starke Bezugnahme auf die USA, die sich nicht nur in zwei Filmen über den Präsidenten niederschlägt, sondern auch in einem Video von Sarah Morris über Starkult in Los Angeles und einer Dokumentation des Künstlers Matthieu Laurette über »Ähnlichkeitswettbewerbe« in Europa und vor allem in Amerika. Europäische Populisten scheinen zwar zu existieren, etwa der Schweizer Christoph Blocher oder der ehemalige spanische Premierminister José Maria Aznar (dieser sogar in zartem Aquarell), gegenwärtige europäische Staatsoberhäupter werden jedoch anders als ihr Kompagnon in den USA nicht in die Kritik miteinbezogen.

Als einziges Beispiel für die Auseinandersetzung mit deutschem Populismus im engeren Sinne wäre der Film »Der Fall Joseph« von Petra Bauer zu nennen. Die Filmemacherin rekonstruiert detailliert die Geschehnisse, die zum Tod von Joseph Abdulla im Freibad von Sebnitz im Juni 1997 führten, und die wechselvolle Darstellung der Geschichte in den Medien. Die Regisseurin hat dabei keinesfalls die Wiederherstellung eines sächsischen »Touristenparadieses« im Sinn, dessen Image durch das Medienecho, das den Fall Ende 2000 begleitete, schweren Schaden nahm. Mutig ist es, dass die Frage nach den Schuldigen der Tat bis zum Schluss offen gelassen und der Fokus vielmehr auf die fragwürdigen Dynamiken bei der Sebnitzer Bevölkerung, den Medien, den Ermittlern und den Politikern gelegt wird.

Betrachtet man die schriftlichen Begleitstücke zur Ausstellung, den Reader und den Ausstellungsflyer in Form einer exzellent layouteten Zeitung mit dem Titel The Populist, kommt man einer Definition von Populismus zumindest teilweise etwas näher. Die diesbezüglich aussagekräftigsten Aufsätze von Ernesto Laclau, Chantal Mouffe und Pierre-André Taguieff aus früheren Jahren dürften allerdings zumindest Kennern der Thematik vermutlich längst bekannt sein. Während Laclau Populismus ganz im Sinne seiner radikalen Diskurstheorie lediglich als bestimmte »Artikulations- und Repräsentationsform« begreift, bei der der soziale Raum mittels semantischer »Äquivalenzketten« in ein »Wir« (das Volk und der populistische Führer) und ein »Sie« (die Mächtigen, die korrupte Elite usw.) geteilt wird, stützt Taguieff seine Analyse in großen Teilen auf die These, dass Populismus, wie reaktionär er sich auch immer artikuliere, letztlich an ein Grundmotiv der Demokratie anknüpfe: die Herrschaft des Volkes. Ambivalent sei dabei die Frage, inwieweit dieses Volk als »demos«, also politisch und sozial potenziell unterdrückte Masse, oder als »ethnos«, ergo zu reinigender »Volkskörper« definiert werde. Mouffe greift schließlich in eher realpolitischer Manier das Problem des Populismus in Europa auf und beklagt die mangelnde inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Problem innerhalb des »moralisierenden Diskurses in unserer post-politischen Gesellschaft«. Notwendig sei jedoch statt einer liberal-demokratischen Konsensmaschine eine Neu-Markierung rechter wie linker Politikentwürfe. Dann, so ihre implizite Schlussfolgerung, sei auch der Populismus als politische Protestform nicht mehr von Interesse.

Sieht man von diesen drei Essays einmal ab – sicherlich einige der Perlen kritischer Populismustheorie –, scheint die Funktion der restlichen Aufsätze ähnlich wie bei der Ausstellung auch letztlich eher in der Rezeption neuester Ansätze politischer Theorie bzw. Kunst zu liegen, wobei die Frage des »Populismus« erst mal hintangestellt wird. Was man liest, ist zwar nicht banal, letztlich jedoch eine Bezugnahme auf die üblichen Verdächtigen: Negri/Hardt, Zizek, Deleuze und Agamben.

Populism. Frankfurter Kunstverein. Bis 4. September