Abbas feuert

Nach dem Gipfel in Sharm al-Sheikh von jörn schulz

Wurde die Breite des Tischs, über den hinweg sich Mahmoud Abbas und Ariel Sharon die Hand reichten, von den ägyptischen Gastgebern zuvor berechnet? Es war jedenfalls nicht ohne gewisse Symbolik, dass der Vorsitzende der palästinensischen Autonomiebehörde und der israelische Ministerpräsident sich für den Händedruck im ägyptischen Sharm al-Sheikh ziemlich weit strecken mussten.

In der israelischen und palästinensischen Gesellschaft mangelt es nicht an Kritikern, die glauben, ihr jeweiliger Repräsentant sei über den Tisch gezogen worden. Viele Palästinenser meinen, Israel müsse mehr Zugeständnisse machen, bevor ein Waffenstillstand gerechtfertigt sei. Abbas hat drei PA-Offiziere im Gaza-Streifen gefeuert, weil sie Verstöße der Hamas gegen den in Sharm al-Sheikh vereinbarten Waffenstillstand nicht verhinderten. Doch viele Israelis misstrauen weiterhin Abbas’ Versprechen, denn oft folgten einer kurzen Feuerpause Terroranschläge.

Sharons rechte Gegner haben im Januar 130 000 Demonstranten gegen den Rückzug aus dem Gaza-Streifen mobilisiert, ein Teil seiner Likud-Partei hat sich gegen ihn gewendet. Er ist nun auf die Unterstützung der zionistischen Linken angewiesen, doch allen Umfragen zufolge unterstützt die Mehrheit der Israelis seine Rückzugspläne und neue Friedensverhandlungen. Für die meisten ist jedoch ein dauerhafter Waffenstillstand die Voraussetzung für Zugeständnisse.

Abbas hat die ersten Schritte zur Festigung seiner Macht erfolgreich unternommen. Doch es ist eine Sache, drei Offiziere der in der Bevölkerung unbeliebten alten Garde Arafats zu entlassen. Eine andere wäre eine Konfrontation mit der Hamas, die bei den Kommunalwahlen Ende Januar im Gaza-Streifen 75 von 118 Sitzen gewann. Dies bedeutet keine vorbehaltlose Zustimmung der Mehrheit zur islamistischen Ideologie, viele Palästinenser halten die Hamas-Kader, die ein Netz von Sozial- und Bildungseinrichtungen unterhalten, schlicht für fähigere Organisatoren als die korrupten PA-Funktionäre.

Eine säkulare Alternative stand im Gaza-Streifen, wo sich keine Frau unverschleiert auf die Straße wagen kann, ohnehin nicht zur Wahl. Dort hat sich eine dem irakischen »Widerstand« vergleichbare Zusammenarbeit islamistischer und nationalistischer Gruppen etabliert, deren Grundlage eine antisemitische, nationalreligiöse Ideologie ist.

Abbas hofft, die diversen militanten Gruppen integrieren zu können. Aussichtslos ist dieser Versuch nicht, schließlich hat die Muslimbruderschaft, die Vorläuferorganisation der Hamas, bis 1987, etwa 40 Jahre lang, die Waffen ruhen lassen, obwohl sie damals nicht weniger antisemitisch war als heute. Ungeachtet der ideologischen Fanatisierung ist die Führung der Hamas in der Lage, strategisch zu kalkulieren. Ein längerer Waffenstillstand würde zu einer noch stärkeren Hegemonie der Islamisten im Gaza-Streifen führen.

Eine direkte Konfrontation dagegen wäre auch für die Hamas ein unkalkulierbares Risiko. Denn nach dem israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen sollen dort 750 ägyptische »Ausbilder« stationiert werden. Ägypten übernimmt damit faktisch eine Sicherheitsgarantie für die PA und Abbas.

Eine Mischung aus militärischem Druck, »Friedensdividenden« für unzufriedene Milizionäre und Integrationsangeboten könnte die Hamas, die seit Monaten mit Ägypten verhandelt, zu einem langfristigen Waffenstillstand zwingen. Der Preis dafür wäre allerdings eine Festigung und internationale Anerkennung jenes Regimes des Tugendterrors, mit dem die Hamas den Gaza-Streifen bereits jetzt weitgehend kontrolliert.