Die Waffen nieder!

In einem im Gefängnis verfassten Appell fordern sechs prominente Eta-Häftlinge das Ende des bewaffneten Kampfes gegen den spanischen Staat. von gaston kirsche

Dieser bewaffnete Kampf, den wir entwickelt haben, nützt heute nichts mehr. Es ist unmöglich, den bewaffneten Kampf auf der Basis von Erklärungen und Drohungen zu führen, die folgenlos bleiben. Der bewaffnete Kampf kann nicht entwickelt werden, wenn er durch die Repression so verletzbar ist.« So äußerten sich sechs Gefangene der baskischen Eta Anfang November in einem Kassiber an die Leitung ihrer Organisation. Der Text wurde abgefangen und von der spanischen Polizei in der Tageszeitung Diario de Noticias lanciert, die Auszüge veröffentlichte. »Der Brief ist bedeutend, denn er ist von denen geschrieben, die die Eta praktisch bis heute geleitet haben«, betonte Xabier Arzalluz, der ehemalige Vorsitzende der Baskisch-Nationalen Partei, die seit Jahrzehnten die Regionalregierung im spanischen Baskenland stellt: »Die Unterzeichner sind zwar aus dem Spiel«, sagt Arzalluz, aber »sie haben Gewicht, auch wenn sie nicht befehlen.«

»Wer die Position der Gefangenen kennen will, muss mit ihnen, nicht über sie reden«, kommentierte Arnaldo Otegi, der letzte Vorsitzende der als vermeintliche Eta-Untergliederung verbotenen Partei Batasuna, die Medienaufregung um den Brief. Auf der Basis der Veröffentlichung von durch die Polizei abgehörten Gesprächen und abgefangenen Briefen könne man nicht diskutieren. Joseba Permach, der letzte Parteisprecher von Batasuna, argumentierte ähnlich: Wer wissen wolle, was das Kollektiv der Gefangenen denke, müsse in die Gefängnisse gehen. So wurde eine Debatte um die Kritikpunkte des Briefes in der Umgebung von Batasuna komplett abgeblockt.

Kritik am bewaffneten Kampf und speziell an einzelnen, besonders militaristischen und verheerenden Anschlägen hat es aus der Eta immer wieder gegeben. Aber noch nie von Gefangenen, die allesamt wegen Leitungsfunktionen in der Eta verurteilt worden sind. Iñaki Bilbao Beaskoetxea, Karlos Almorza Arrieta, Francisco Múgica Garmendia, Kepa Solana Arrondo, Iñaki Arakama Mendia und Koldo Aparicio Benito sind zusammen zu knapp 6 000 Jahren Haft verurteilt worden. Francisco Múgica Garmendia galt bis zu seiner Verhaftung 1992 als Leiter der Eta. In der konservativen Tageszeitung El Mundo wurde er noch im Oktober als besonders hart beschrieben. Er sei auch für die Erschießung von María Dolores González Katarain verantwortlich. Yoyes, so ihr Deckname in der Eta, war eine frühe Kritikerin der Militarisierung des Kampfes. Sie wurde auf offener Straße umgebracht.

Während Yoyes die Bedeutung der sozialen Bewegungen betonte und den Sinn des bewaffneten Kampfes für eine Befreiungsbewegung in Frage stellte, geht es den sechs Unterzeichnern um eine Kritik ganz anderer Art, nämlich darum, die Niederlage im Kampf gegen den Staat einzugestehen: »Unsere politisch-militärische Strategie wurde durch die Repression des Feindes zerstört«, bilanzieren sie zu Recht. »Nie in der Geschichte unserer Organisation haben wir uns so schlecht gefühlt«, zitiert Diario de Noticias. »Nach unserem Verständnis müsste die Patriotische Linke in ihrer Gesamtheit mit den Möglichkeiten ihrer politischen Organisation die Strategie und Taktik bestimmen, um unsere Ziele als Volk zu erreichen.«

Die sechs Gefangenen weichen mit ihrer Kritik des bewaffneten Kampfes von dem ab, was die Eta von bürgerlichen baskischen Nationalisten unterscheidet: der Form, als Guerilla zu kämpfen. Was ohne den bewaffneten Kampf noch an Unterscheidung etwa zur PNV bleiben würde, ist offen. In den Zielvorstellungen der Selbstbestimmung als baskisches Volk würden die sechs Gefangenen gewiss den Schlusssätzen der letzten offiziellen Erklärung der Eta von Ende Oktober zustimmen: »Vom gesunden Menschenverstand aus ist es möglich, zu einem Frieden zu gelangen, der auf den Rechten des Baskenlandes und der baskischen Bürger basiert. Das ist der Wunsch der Eta.«