»Is’ mir Rille«

15 Jahre nach ihrem Fall wird die Berliner Mauer am Checkpoint Charlie teilweise wieder aufgebaut. Eine gute Idee? sonja fahrenhorst hat sich umgehört

Noch verdeckt eine weiße Plastikplane die Sicht auf die Geschehnisse entlang der Zimmerstraße am Checkpoint Charlie in Berlin. Aber die meisten Passanten wissen bereits Bescheid: Alexandra Hildebrandt, die Leiterin des benachbarten Mauermuseums, lässt hier aus 120 originalen Segmenten der Berliner Mauer ein 200 Meter langes Teilstück samt Todesstreifen rekonstruieren. Das Kunstprojekt soll am 31. Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Ein Ehepaar aus Kassel: »Ich find das gut, dass sie das als Mahnmal bzw. als Kultur wieder aufbauen, damit auch mal Jugendliche sehen, wie das früher ausgesehen hat. Es gibt andere Plätze, an denen die Original-Mauer noch steht? Aber hier ist ja wohl Checkpoint Charlie, und das war ja einer der Übergänge, die Weltgeschichte geschrieben haben. Dann können sie das andere von mir aus wegreißen. Hier gehört das einfach so zusammen. Das war doch hier Checkpoint Charlie, oder?«

Drei Rentnerinnen aus Augsburg: »Irgendwann sollte man das auch wirklich einmal vergessen.« »Was noch da ist, sollten sie lassen – aber neu aufbauen?« »Da halte ich nichts davon. Es könnte allerdings eine Art Beschäftigungstherapie für Arbeitslose sein und um mehr Touristen anzuziehen.«

Ein Mitarbeiter des »Bistro Dino«: »Das Museum am Checkpoint verdient einfach zu wenig Geld, weil die Händler hier sind. Und dann hat man gesagt: O.K. Dann versucht man, eine Mauer zu bauen, damit die Händler hier weggehen. Also, damit das Museum ein bisschen mehr Geld verdienen kann und für die Bildung eben. Für mich finde ich es auch interessant, das mal live zu sehen.«

Kellnerin aus dem »Bistro Dino«: »Mir ist das egal, ob die Mauer steht oder nicht. Mit Deutschland geht’s bergab.«

Ein Mann aus Chemnitz: »Als Nicht-Berliner ist es wie im Museum. Die verlangen dann bestimmt auch Geld. Die will ja das bezahlt haben, was sie aufbaut. Das ist nun keine gute Sache. Ein Mahnmal ist ein Mahnmal.«

Arbeitssuchender Jugendlicher: »Is’ mir Rille. Ich hab einfach andere Sorgen hier in dieser Stadt.«

Ein ehemaliger fliegender Händler: »Es geht um Geschäfte. Kohle. Mit Geschichte hat das nichts zu tun. Die Mauer steht 400 Meter weiter vorne in der Niederkirchnerstraße. Hinter dem Mauermuseum steht die Russenmafia.«

Ein fliegender Händler: »Sie ist selber Russin und arbeitet mit der Mafia zusammen. Für eine Person 15 Millionen Euro im Jahr, wieso reicht das nicht? Die muss es unter dem Tisch der Mafia geben, sonst kommt sie nicht klar.«

Betreiberin des »Größten Gästebuchs der Welt« (von der Hebebühne im Plastikzelt kann man die Bauarbeiten beobachten): »Jetzt haben sie die Mauer weiß angestrichen. Typisch, wie wir es heute haben: Alles schön lackiert und gestrichen. Das ist nicht originell, nicht original, das ist Mist. Ich bin erstmal sauer, dass hier alles zugehangen wird. Und wenn hinter mir dann noch irgendwelche Kreuze für erschossene Bürgerrechtler sein sollten, dann krieg ich hier den absoluten Horror. Das ist ja wie aufm Friedhof. Meine Plane ist von der Baustelle ganz verdreckt. Eigentlich könnten sie das auch mal sauber machen. Hier fliegt doch Baustaub ohne Ende.«

Eine Touristin aus London: »Ich finde es ist nicht wirklich nötig. Wenn man ein Monument zur Erinnerung haben möchte, kann man doch etwas anderes erfinden als die Mauer wieder aufzubauen.«

Verkäufer im Souvenirladen: »Ich find’s eine gute Werbeaktion.«

Ein Tourist aus Irland: »Es ist einfach Mauerdisney. Es ist wie das Kolosseum, ein Circus Maximus. Ein Mahnmal sollte von der Regierung übernommen werden, aber die haben kein Geld.«

Fliegender Händler: »Das ist schlecht. Warum weg, wenn wieder zurück und warum zurück, wenn weg ist?«