Ein Küsschen in Ehren

Kirche und Sex in Österreich

Zum großen Bedauern aller ehrlichen KatholikInnen und AtheistInnen Österreichs musste der St. Pöltener Bischof Kurt Krenn nun doch seinen Rücktritt einreichen. Freude darüber herrscht hingegen bei jenen »liberalen KatholikInnen« die von der falschen Annahme ausgehen, die katholischen Kirchen würden sich wieder füllen, wenn sie nur aus der römisch-katholischen Kirche eine evangelische machen würden. Dabei war Kurt Krenn nicht nur jener katholische Bischof, der noch am besten wusste, was gut und böse, Sünde und Verderben war, sondern auch die letzte barocke Gestalt der Gegenreformation. Fast schien es, als wäre der beleibte Bischof aus dem 16. Jahrhundert in ein Zeitloch gefallen, um zur Jahrtausendwende noch als einsamer Verfechter der reinen Lehre die Fahne des Katholizismus hochzuhalten. Dabei hatte Krenn, der nicht nur wegen seiner jugendlichen Tätigkeit als Boxer den Beinamen »Faust Gottes« erhielt, von Anfang an mit jenen liberalen KatholikInnen zu kämpfen, die dem 1991 zum Bischof der Diözese St. Pölten aufgestiegenen ehemaligen Philosophieprofessor nicht verzeihen konnten, dass er noch strikt an den Lehren und Prinzipien der katholischen Kirche festhielt. So hat sich denn auch niemand in den letzten Jahrzehnten so sehr um die Aufklärung verdient gemacht, wie der Bischof mit seinen markigen Sprüchen.

Nicht einmal die Affäre um den Kindesmissbrauch durch den ehemaligen Wiener Erzbischof Hans Hermann Groer hatte ähnlich viele Schäfchen aus der katholischen Herde vertrieben wie der Bischof, der das christliche Europa nicht nur von islamischen Einwanderern bedroht sah, sondern auch vom Liberalismus und Sozialismus. Immer wieder wurde die Prinzipientreue des Bischofs mit Demonstrationen und anderen Protestaktionen seiner Herde bestraft. 1999 wandten sich sogar acht Äbte seiner Diözese an den Vatikan und verlangten seine Absetzung.

Dass Kurt Krenn jedoch weder wegen seines religiösen Fundamentalismus noch wegen seiner Intoleranz gegenüber Anders- oder Nichtgläubigen seinen Bischofsstuhl räumen muss, sondern wegen einer Sexaffäre in seinem Priesterseminar, sagt mehr über die Doppelmoral seiner Herde aus als über ihn. Selbst die Tatsache, dass auf einem Computer im St. Pöltener Priesterseminar kinderpornographische Bilder gefunden wurden, erregte die Gemüter der liberalen KatholikInnen und anderer liberaler KritikerInnen des Bischofs weniger als jene leidenschaftliche Knutscherei, bei der sich der Subregens des Priesterseminars mit einem Seminaristen fotografieren ließ. Dass der anderen diesseitigen Freuden durchaus zugeneigte, ebenso trinkfeste wie kulinarisch bewanderte Bischof diesen Kuss als harmlosen Weihnachtskuss bezeichnete, wirkte da fast schon toleranter als die aufgeregten Kommentare seiner liberalen KritikerInnen, die, wie etwa Hans Rauscher in der ebenfalls liberalen Tageszeitung Der Standard, ständig von einem Homosexualitätsskandal in der katholischen Kirche schrieben und dabei Kinderpornographie und Homosexualität in einem Atemzug nannten. Dass Krenn als Vorsitzender der Gebetsliga für die Seligsprechung des letzten österreichischen Kaisers Karl I. nicht einmal mehr diese als Diözesanbischof erleben durfte, ist nicht nur für ihn ein harter Schlag. Der Monarch, der im Ersten Weltkieg für den Einsatz von Giftgas verantwortlich war, qualifizierte sich für die Auszeichnung, da er auf wundersame Weise eine Nonne von ihren Krampfadern heilte. Ohne die mahnenden Worte Krenns kann der Untergang des Abendlandes nicht mehr weit sein.

thomas schmidinger