Ein Einsatz zu viel

Die internationale Diplomatie hat der sudanesischen Regierung bislang nur leere Versprechen abtrotzen können. Die Lage in Darfur ist weiterhin katastrophal. von thomas schmidinger

Nicht generell ausschließen« will Verteidigungsminister Peter Struck einen Bundeswehreinsatz im Sudan. Vorausgesetzt, die Vereinten Nationen richteten eine entsprechende Bitte an die Nato oder die Europäische Union, wie Struck in der vorigen Woche sagte. Doch dazu dürfte es kaum kommen. Die sudanesische Regierung ist an einem »friedenserhaltenden« internationalen Einsatz nicht interessiert und behindert derzeit sogar die wenigen Truppen der Afrikanischen Union.

Diese gab letzte Woche bekannt, dass sie das Kontingent von derzeit 300 Soldaten aufstocken und in Darfur 3 500 Soldaten und 800 Polizisten aus verschiedenen afrikanischen Ländern stationieren werde. Die Regierung in Khartum stimmte zwar zu, doch in der Vergangenheit haben sich sudanesische Regierungsmitglieder wiederholt gegen eine internationale Einmischung ausgesprochen. Insbesondere die Soldaten aus Ruanda werden beschuldigt, Aids in das Land zu bringen. Reserviert ist das Regime nicht nur gegenüber Militäreinsätzen. Auch Hilfsorganisationen sind mittlerweile vorsichtig geworden, da jede Kritik am Regime zu Schwierigkeiten vor Ort führen kann.

Also scheint ein europäischer oder US-amerikanischer Militäreinsatz mit Billigung der Regierung in Khartum ausgeschlossen. Zu einem Kampfeinsatz dürften jedoch, nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten im Irak, weder die USA noch andere Nato-Staaten bereit sein. Auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, sagte dem Tagesspiegel, dass die Bundeswehr neben Kosovo und Afghanistan keinen weiteren Einsatz bewältigen könne. Allein die Rebellen in Darfur befürworten einen internationalen Militäreinsatz. Das Sudan Liberation Movement (SLM) bekräftigte am 4. Oktober, es wolle Darfur unter internationalen Schutz gestellt und zu einer waffenfreien Zone erklärt wissen.

Die internationale Diplomatie jedenfalls konnte die Lage in Darfur bislang nicht entschärfen. Sowohl der Besuch des britischen Premierministers Tony Blair im Sudan vergangene Woche als auch die Friedensinitiative des libyschen »Revolutionsführers« Muammar el Gaddafi brachten keine anderen Resultate als leere Versprechungen, wie sie das sudanesische Militärregime schon häufig gemacht hat. Bislang hat das Regime nur zugesagt, an einem für den 21. Oktober geplanten Gipfeltreffen in Libyen teilzunehmen, zu dem neben dem sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir auch die Führer der beiden Rebellengruppen in Darfur, SLA und JEM, sowie die Präsidenten Ägyptens, Nigerias und des Tschad eingeladen sind.

Während der internationale Druck das islamistische Militärregime im Sudan zumindest zu diplomatischen Gesprächen gezwungen hat, sieht die Lage in Darfur weiter katastrophal aus. Die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den regierungsnahen Janjawid-Milizen auf der einen und den Rebellen der SLM und der JEM auf der anderen Seite dauern ebenso an wie die Massaker an der Zivilbevölkerung. Erst in den letzten Tagen wurden mehrere Städte in Darfur von Rebellen angegriffen.

Seit Anfang dieses Jahres sind rund 1,5 Millionen Menschen aus Darfur geflohen, etwa 200 000 davon leben in provisorischen Flüchtlingscamps im Tschad. Insbesondere die Versorgung der in Darfur umherirrenden Flüchtlinge wird während der Regenzeit, die die Straßen unpassierbar gemacht hat, sehr erschwert. Zehntausende sind vom Hungertod bedroht. Eine Anfang Oktober veröffentlichten Studie zufolge, an der Experten der Organisation »Ärzte ohne Grenzen« mitwirkten, ist die Sterblichkeitsrate auf das Zehnfache gegenüber dem subsaharischen Afrika gestiegen. Nach Angaben der UN wurden seit Ausbruch der Kämpfe 50 000 Menschen ermordet.