Rülps, Klopf, Schröder

Schon beim Ansehen von »Mein großer dicker peinlicher Verlobter« kriegt man einen roten Kopf und Ekelpickel. von elke wittich

Ein perfekter Fernsehabend geht ungefähr so: Man setzt sich auf die Couch, schaltet den Fernseher ein und schaut sich Sendungen an, die weder langweilig noch blöd noch peinlich sind.

Wobei es sehr schwierig ist, etwas Nicht-Peinliches zu finden, denn sich stellvertretend für irgendjemanden auf dem Bildschirm zu schämen, gelingt meist mühelos. Ein durchschnittlicher Stellvertretendschämer schafft es an einem ganz normalen Fernsehtag mindestens fünf Mal, für andere Leute rot zu werden: für den Kandidaten bei Günter Jauch etwa, der sich gerade bei der 100-Euro-Frage blamiert, für den Sportkommentator, der keine dumme Phrase auslässt, für einen Talkshowgast, der mit viel gewichtigem Geblubber eigentlich nichts sagt, und dann vielleicht auch noch für jemanden, der sich in irgendeiner Reality-Show gerade ausgiebig zum Deppen macht.

Für solche Schämer muss die neue Sat.1-Show »Mein großer dicker peinlicher Verlobter« nichts weniger als die Hölle sein.

Denn die Hauptperson, Kandidatin Mareike, gerät sieben Folgen lang in eine superpeinliche Situation nach der anderen – hervorgerufen durch ihren »Verlobten« Gunnar.

Mareike, eine leidlich hübsche Blondine, weiß zu Beginn der Aufzeichnung nicht mehr, als dass sie in einer Reality Soap mitspielen wird. Mehrere Wochen vom Sender in Isolation gehalten, erfährt sie schließlich, dass sie sich mit einem ihr völlig fremden Mann verloben und seiner und ihrer Familie weismachen soll, dass man sich so dermaßen ineinander verliebt hat, dass nun innerhalb weniger Wochen geheiratet wird. Beide Kandidaten sollen jeweils 500 000 Euro erhalten, wenn sie es schaffen, dass die komplette Verwandtschaft am Ende zur Hochzeit erscheint und ihnen die Romanze abnimmt.

Was sich zunächst nur wie ein lustiges Verwirrspiel anhört, wird für Mareike schon nach kurzer Zeit zum absoluten Horror. Denn sie darf sich ihren Verlobten eben nicht unter einer Vielzahl attraktiver Bewerber aussuchen – Mareike muss den Kerl nehmen, der ihr vom Sender präsentiert wird.

Wobei sich der Sender wirklich große Mühe gegeben hat: Die Familie, die glücklich über so einen Schwiegersohn ist, kann es menschlichem Ermessen nach nicht geben. Der Typ ist hässlich, unerträglich prollig, hat keine Manieren, reißt ständig dümmstmögliche Witze und ist fett. Sehr fett – wie fett genau, wird sein blondes Opfer sehr bald feststellen, denn körperlicher Kontakt zwischen Mareike und Gunnar ist sehr wohl vorgesehen.

Massiert muss das Miststück werden, in Unterhose angeschaut und zu allem Überfluss auch noch geküsst.

Was sich nicht nur eklig anhört, sondern auch eklig ist, denn der Mann hält selbst die einfachsten Benimmregeln für ausgemachten Schwachsinn und verhält sich entsprechend wie ein dauerbetrunkener Dorfprolet auf einer Vip-Gala.

Was Mareike jedoch nicht ahnt: Der Drecksack ist in Wirklichkeit gar kein Kandidat, sondern der Schauspieler Tetje Mierendorf, der bisher vor allem in Musical-Produktionen mitwirkte und sich nun große Mühe gibt, das Ferkel zu mimen.

In Einspielfilmen erklärt Tetje immer wieder, warum er sich Mareike gegenüber wie verhalten hat, kommentiert dabei ihr Verhalten durchaus teilnahmsvoll und muss sich manchmal sogar vor sich selbst ekeln.

Tetje-Gunnar wird also zunächst Mareikes Familie vorgestellt, die, tapfer um Fassung bemüht, die Vorstellung des neuen Clan-Mitglieds über sich ergehen lässt.

Zarte Andeutungen, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, wenn man sich die Sache noch einmal überlegte und vor allem nichts überstürze, machen Mareike schnell klar, dass es ziemlich schwierig werden wird, ihre Eltern und Geschwister vom angeblich geliebten Mann an ihrer Seite zu überzeugen. Im US-amerikanischen Original »My Big Fat Obnoxious Fiancé« brach eine Kandidatin angesichts des geballten Unmuts der Verwandten vor dem Traualtar weinend zusammen und schrie: »Ich habe meine Familie zerstört!«

Mareike wäre dagegen im Moment sicher ganz froh, wenn Gunnar seine Familie zerstören würde. Denn das Abendessen mit dem Flodders-Anhang wird zu einer echten Katastrophe.

Das servierte Essen – Kartoffelmatsch mit holzigem Sauerkraut und glibberigen Schweinebeinen, auf deren Schwarten noch Haare zu wachsen scheinen – sieht nicht nur ungenießbar aus, sondern ist es auch, wie die Schauspieler in kurzen Einspielszenen bestätigen. Die nichtsahnende Mareike ist trotzdem tapfer darum bemüht, einen guten Eindruck zu machen, schluckt den Fraß kommentarlos hinunter und versichert ein ums andere Mal, wie wundervoll es ihr doch schmecke.

Den Mund voll ekligem Fettzeugs zu haben und nicht mal so auszusehen, als müsse man gleich kotzen, ist per se schon eine Meisterleistung – dass die Braut in spe dabei aber auch noch die Familie erträgt, gehört mit zum Großartigsten, was jemals gesendet wurde.

Denn Vater, Mutter, Schwester und Bruder sind mindestens so eklig wie der eklige Verlobte. Mama erkundigt sich gleich mal bei der lieben Schwiegertochter, ob sie den Sex mit ihrem Jungen denn trotz der Fernsehkameras genießen könne, Vater lacht dazu ein besonders schmieriges Höhöhö-Lachen, und alle fünf Minuten rülpst jemand. Rülpsen sei ein Familienspaß, erfährt Mareike, und wann immer jemandem bei Tisch ein Bäuerchen entfahre, müssten alle Anwesenden sich auf die Stirn klopfen und »Schröder« sagen. Wer nicht mitmache, bekomme eine gelangt, Mareike wird viele kleine Ohrfeigen kassieren.

Und sieht kurz so aus, als überlege sie ernsthaft, auf die 500 000 Euro zu verzichten, vor allem, als Schwester Julia einen Nervenzusammenbruch mimt und ihren Bruder tränenreich und mehr als deutlich Inzestuöses andeutend bittet, die Hochzeit doch bittebitte abzusagen.

Aber irgendwann ist das Essen vorbei, und der gemütliche Teil des Abends beginnt. Im Whirlpool, einem ganz besonders engen Whirlpool, um genau zu sein. Mit ekligen Menschen im gleichen Wasser zu sitzen, ist keine schöne Vorstellung, es zu tun übertrifft alle Befürchtungen. Mutter und Vater beginnen, nachdem sie Mareikes Körper inklusive der »langen Brustwarzen« (»Die sind gut, da haben deine Babys später was zu lutschen«) exakt begutachtet und kommentiert haben, ausgiebig miteinander zu knutschen. Der hässliche Fette lässt seine Arme auf seine künftige Ehefrau plumpsen und drückt sie fest an seinen Hängebusen. Irgendwer pupst. Und dann, als Mareike wohl gerade gedacht hatte, nun sei das Schlimmste überstanden, zieht Vattern seine Badehose aus.

»In Kiel zum Bäcker zu gehen und seltsam angeguckt zu werden ist nicht mein Traum!« wird die Blondine wenig später ihren Verlobten anschreien, trotzdem werde sie weitermachen, versichert sie ein wenig später, »denn ich weiß, du brauchst das Geld ja auch«.

Und so folgen weitere peinliche Situationen, Gunnar benimmt sich immer schweinischer, Mareike wird immer unglücklicher, aber am Ende wird sie als die Gewinnerin dastehen: Jemand, der diese Show überstanden hat, ist für alle Zeiten davor gefeit, sich für andere Leute zu schämen.