Legal zur Arbeit

Die spanische Regierung plant, über eine Million Migranten zu legalisieren. von tom kucharz, madrid

Wer schön fleißig arbeitet, darf auch in Spanien bleiben. Das sieht zumindest das »außerordentliche Regularisierungsprogramm« der sozialdemokratischen Regierung in Spanien vor. Jeder Immigrant, der nachweisen kann, dass er mindestens ein Jahr in Spanien gearbeitet hat bzw. einen gültigen Arbeitsvertrag in den Händen hält, könnte im kommenden Jahr eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten. Eine »selektive Normalisierung« nennt Arbeits- und Sozialminister Jesus Caldera diese Regelung. Nachdem sich in seinem Ministerium mehrere hunderttausend Gesuche aus der vergangenen Legislaturperiode unter der konservativen Regierung angehäuft hatten, wurden im Sommer beschleunigt mehr als 100 000 Anträge positiv beschieden.

Die Regierung kündigte in der Sommerpause zudem an, bis Ende November eine Verwaltungsvorschrift zu verabschieden, die den 1,5 Millionen Immigranten ohne Aufenthaltserlaubnis eine neue Legalisierungschance einräumen würde. Grundsätzlich ändern wird sich deshalb die rassistische Ausländerpolitik nicht. Stattdessen überlässt man den Unternehmen die Entscheidung, wer ein »Recht auf reguläre Arbeit« hat.

Das Vorgehen hat mehrere Gründe. Zum einen zeigte sich, dass die im Ausländergesetz verankerten Anwerbeabkommen ein »kompletter Misserfolg« waren, so die Meinung des Generalsekretärs der Gewerkschaft CCOO-Madrid, Javier Lopez Martin. Auf bilateralem Weg sollten mit Ländern wie Rumänien, Marokko, Kolumbien oder Ecuador nach dem Bedarf der Unternehmen Arbeiterkontingente ausgehandelt werden. Die Unternehmer meldeten aber immer weniger Bedarf an, da auf dem heimischen Arbeitsmarkt genügend »papierlose« Arbeiter miteinander konkurrierten.

Gleichzeitig wurde die Regierung von den Kirchenbesetzungen, die mehrere hundert Migranten in Barcelona im Juni unternahmen, abermals unter Druck gesetzt. (Jungle World, 39/04) Auf die Forderung »Papiere für alle« reagierte die sozialdemokratische Partei (Psoe) zwar mit einer gewaltsamen Auflösung der Proteste. Doch die Polizeirepression ließ sich in der Öffentlichkeit nicht mit dem angeblich »neuen politischen Stil« der Exekutive vereinbaren.

Ein weiterer Grund für das neue Regularisierungsprogramm ist, dass zwar viele Unternehmer von dem rechtlosen Status der Immigranten profitieren, vor allem da sie weniger Sozialversicherung und Steuern abführen müssen; doch insbesondere Kleinunternehmen hatten immer wieder um eine »Normalisierung« gebeten.

Migrantenvereine und andere soziale Organisationen kritisieren an der vorgeschlagenen Regelung die Willkür der Vergabe: Ob eine Person Papiere bekommt, hängt davon ab, ob ein Unternehmer bereit ist, sie unter Vertrag zu nehmen oder ihr zu bescheinigen, in der Vergangenheit für ihn gearbeitet zu haben. »Wie kann die Regierung erwarten, dass uns die Unternehmer legalisieren, die doch die ersten sind, die aus unserer illegalen Situation Profit schlagen?«, beschwert sich Nelson, der auf einer Baustelle arbeitet.

Die linke Gewerkschaft CGT fragt, was mit den 300 000 Frauen passiert, die »ohne Vertrag und Rechtsschutz Hausarbeit verrichten«. Ebenfalls ungeklärt bleibt die prekäre Situation der Landarbeiter. Nur wer den komplizierten Hürdenlauf der Bürokratie übersteht, kommt an die ersehnten Papiere. Ausgeschlossen ist zudem noch nicht, dass die Justiz im Fall abgelehnter Anträge Strafanzeige stellt. Wer nach geltendem Recht zugibt, in Spanien »illegal« gearbeitet und gewohnt zu haben, macht sich strafbar.

Der Polizeiverband und die konservative Volkspartei (PP) schlugen sofort Alarm, als die Initiative öffentlich wurde. Die PP-Abgeordnete Angeles Muñoz warf der Regierung vor, »verdeckt Papiere für alle« zu vergeben. Das stritt der Psoe vehement ab. Zwischen 1996 und 2004 habe die PP-Regierung mehr als einer Million Menschen Aufenthaltsrechte gewährt, hielt Arbeitsminister Caldera dagegen. In einer Art Scheingefecht versuchen die beiden großen Parteien, sich in ihrer Ausländerpolitik voneinander zu unterscheiden, obgleich sie die letzten drei Verschärfungen des Ausländergesetzes im Parlament gemeinsam verabschiedet haben.

Der Vorwurf des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten José Luis Rodriguez Zapatero, der PP habe 800 000 illegale Einwanderer zu verantworten, ist heuchlerisch. Schließlich war seine Partei in den vergangenen acht Jahren mitverantwortlich dafür, dass die Immigranten in eine rechtlose Lage gezwungen wurden. Doch ins Leere stößt auch der Vorwurf des PP-Vorsitzenden Mariano Rajoy, das Vorhaben des Psoe sei »konzeptlos«. Als Innenminister musste er 2001 ein Regularisierungsprogramm wegen des hohen Kosten- und Verwaltungsaufwands zurückziehen.

Der Vorschlag des Psoe dient nach den Protesten einerseits der Beschwichtigung, ohne dass die Probleme, denen sich Migranten tagtäglich stellen müssen, tatsächlich gelöst werden. Keine der Parteien will zugeben, dass sich eine hohe Anzahl kriminalisierter und illegalisierter Migranten wunderbar mit der Nachfrage nach billigen Arbeitskräften, dem Lohndumping und dem Abbau sozialer Rechte verträgt. Allein in der Region Madrid leben etwa 380 000 Ausländer in irregulären Verhältnissen. Nur knapp über acht Prozent der Migranten sind bei der Sozialversicherung gemeldet, doch allein in privaten Haushalten arbeiten 64 Prozent Migranten. Das Ausländergesetz führt dazu, dass im Niedriglohnsektor bzw. auf dem informellen Arbeitsmarkt bereits 24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet werden.

Während Caldera einerseits versucht, mit den »Sozialpartnern« und den anderen Parteien im Parlament einen »breiten Konsens« über die Legalisierungspläne auszuhandeln, wird andererseits die harte Abschottungspolitik Spaniens fortgeführt. Nach Angaben des Innenministeriums wurden seit Jahresbeginn 73 747 Menschen abgeschoben oder an der Grenze abgewiesen.

Die Politik der harten Hand ist Caldera keineswegs fremd. Vor zwei Jahren, als Parlamentssprecher seiner Partei, forderte er härtere Maßnahmen, um die »illegale Einwanderung« zu stoppen. Damals warnte er vor den sozialen Konflikten, die entstünden, wenn die spanischen Familien keine Sozialleistungen erhielten, weil sie an Immigranten ausgegeben würden.

Auch bei der Entschärfung des Asylrechts zeigt die neue Regierung keine Initiative. In einer im Juni veröffentlichten Studie stellte die Spanische Kommission zur Hilfe für Flüchtlinge fest, dass »die PP-Regierung täglich Verfassungsrechte, Asylbestimmungen und die Genfer Konvention« verletzt habe, um Asylgesuche abzuwehren. Von 5 793 Anträgen im Jahr 2003 wurden nur 1767 zur Prüfung angenommen. Asyl erhielten 227 Menschen.