»Was das alles kostet!«

Ein kleiner Lauschangriff an der Baustelle des Holocaust-Mahnmals in Berlin. von thorsten beck

Das hätte man doch besser machen können«, flüstert der junge Mann und sieht kurz zu seinem Begleiter hinüber, »das ist doch nichtssagend!« Einige Minuten später stellt eine Frau mit gefärbten Haaren fest, dass viel zu viel Geld ausgegeben wurde für »das alles«. Zwar sehe der Platz nun besser aus als vorher, aber was das alles koste!

Es geht um das Stelenfeld des »Mahnmals für die ermordeten Juden Europas«, kurz, um das Holocaust-Mahnmal. Immer wieder schieben sich an diesem Samstagnachmittag kleine Grüppchen am Zaun vorbei oder steigen auf die eigens errichtete Aussichtsplattform, um sich vom Stand der Bauarbeiten ein Bild zu machen. Das Wetter ist gut. »Das mit der Degussa, das war ja ein Theater«, raunt ein grau melierter Herr seinen zwei Begleiterinnen zu. »Zwei Generationen danach stellen die sich wegen so was an«, sagt er noch und sieht sich dabei etwas unsicher um. Die Frauen nicken stumm. Wen er wohl mit »die« meint?

Von einer vorübergehenden Dame um die 50 ist zu hören: »Das hätte man mal abstimmen sollen, da hätte man was anderes machen können, bei der Fertigstellung von so einem Denkmal!« Viele der Passanten und Touristen stehen, wie es scheint, der langsam Form annehmenden Gedenkstätte und damit dem so genannten Eisenman-2-Entwurf ablehnend gegenüber. Offensichtlich will aber niemand seine Kritik allzu laut äußern: Man sieht sich verstohlen um, flüstert miteinander. Auf einer der Informationstafeln, die am Bauzaun angebracht sind, kann man lesen, dass das Denkmal »Raum für persönliches Erinnern, Gedenken und Trauern« lässt. Diesen Raum will heute aber wohl noch niemand dafür nutzen.

Eine amerikanische Gruppe lauscht dem Vortrag ihres Reiseleiters. Er sagt, der Architekt Peter Eisenman habe mit seinem Entwurf das Gefühl der Angst zum Ausdruck bringen wollen, das die Juden in den Konzentrationslagern empfunden hätten. Es sei absurd, wenn Firmen, die am Holocaust beteiligt waren, nun an der Errichtung des Mahnmals verdienten.

»Was soll denn das sein?« fragt kurz darauf ein Mann mit starkem bayrischen Akzent, als er auf die Plattform klettert, von der er einen guten Blick auf den Platz hat. Ein Begleiter antwortet: »Das sind alles Sarkophage, diese Stelen, für die Toten.« »Das versteh’n mir net, mir san halt Bauern«, erwidert ein Dritter lachend, und wieder ein anderer sagt: »Da musst du drüber nachdenken, du Depp!« Schon sind sie wieder weg.

Hin und wieder bleiben einige Leute vor den Tafeln stehen, auf denen Näheres über die Geschichte des Ortes, über die Stiftung und das geplante Informationszentrum zu erfahren ist. Das Bild, vor dem sich die meisten Besucher drängen, zeigt den Platz des Mahnmals inklusive des Brandenburger Tors vor 1989. Immer wieder hört man, dass hier der »Todesstreifen« verlaufen sei, wie hoch und dick die Mauer war und wie undurchdringlich. »Wo wir jetzt stehen«, unterrichtet eine Mutter ihre Tochter, »hätten wir gar nicht stehen können, da waren keine Gebäude, gar nichts, da standen überall Soldaten!« Das Mahnmal scheint sie über dem Bild so gut wie vergessen zu haben.

Vor einem Schild, auf dem der Bundestagsbeschluss für den Bau des Mahnmals gedruckt ist, bleibt ein älteres Paar abrupt stehen. Mit spöttischem Unterton liest die Frau vor: »Mit dem Mahnmal wollen wir die Erinnerung an ein unvorstellbares Geschehen der deutschen Geschichte wach halten« und »alle künftigen Generationen mahnen, die Menschenrechte nie wieder anzutasten«. Beide drehen sich auf den Absätzen herum und eilen davon.

Dunkle Wolken haben sich über dem Brandenburger Tor zusammengezogen. Auf einer weiteren Tafel steht, dass es dem »Förderkreis Denkmal« gelungen sei, »große Teile der Öffentlichkeit für die Verwirklichung eines unübersehbaren Denkmals für die ermordeten Juden Europas zu gewinnen«. Offenbar war an diesem Tag der kleinere Teil der deutschen Öffentlichkeit an Ort und Stelle.