Cui bono?

Die Kampagne zum Film.
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Kaum ein Ereignis hat die Welt so durcheinander gewirbelt wie der 11. September 2001. Die Bücher von Verschwörungstheoretikern wie Andreas von Bülow, Mathias Bröckers und Gerhard Wisnewski wurden Bestseller. Wisnewski, dem der WDR wegen zweifelhafter Recherche-Methoden und vermutlich auch wegen seiner antisemitischen Äußerungen (Jungle World 25/2002, 26/2003 u.a.) die Zusammenarbeit aufgekündigt hat, wirft demnächst im Knaur-Verlag erneut einen Verschwörungsschmöker auf den Markt: »Mythos 9/11«. Das klingt nicht nur wie »Fahrenheit 9/11«, das soll sich auch so gut verkaufen.

Auch Michael Moore schipperte bereits mit seinem Buch »Stupid White Men« auf dieser globalen antiamerikanischen Post-«9/11«-Welle. Die Schar der Verschwörungstheoretiker stilisierte ihn zu ihrem Helden. Kaum eine Homepage aus ihren Kreisen, auf der nicht mindestens ein Banner den neuen Moore-Film bewirbt und dazu auffordert, die in den USA initiierte »internationale Fahrenheit 9/11-Kampagne« und die Verbreitung des Films zu unterstützen. »Hilf, Geschichte zu machen!« ist das Motto dieser Kampagne. Man möge doch im Kino vor dem Beginn des Films aufstehen, heißt es da, und dem Publikum erklären, dass Moore eine Website der Verschwörungstheoretiker als »must read« auf seiner Homepage verlinkt habe, und dass man sich dort Flugblätter runterladen könne.

Grundlage der Verschwörungstheoretiker ist die Frage »cui bono?«, wem nützt es? Ihre These: Der 11. 9. habe nur den Vereinigten Staaten genutzt, weil er ihnen als Rechtfertigung für die Kriege in Afghanistan und im Irak diente. Deshalb müssen die USA auch selbst dahinter stecken. Doch nehmen wir das »cui bono« einmal ernst: Wem hat das alles tatsächlich genützt? Zunächst mal den Verschwörungstheoretikern selbst und den Anti-Bush-Aktivisten, die mit ihren Filmen und Büchern reich wurden, oder wie Moore sogar einen Oscar und eine Goldene Palme einheimsen konnten. Außerdem dem internationalen Jihadismus, der in den letzten Jahren einen ungeahnten Aufschwung und Zulauf erfuhr. Den USA jedenfalls nicht, die im Irak fast ihr zweites Vietnam erlebten, deren Ansehen nicht erst seit dem Folter-Skandal in Abu Ghraib auf einem absoluten Tiefpunkt ist, der CIA nicht, die in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten steckt, und George W. Bush nicht, dem im Herbst eine Wahlschlappe droht.

Hätte die CIA eine Rechtfertigung für den Irak-Krieg gebraucht, hätte es gereicht, ein kleines Fläschchen Anthrax in einem von Saddams Palästen zu vergraben und zu finden. Dafür muss man nicht vier Passagierjets, zwei Hochhäuser und das Pentagon mitsamt tausender Menschen in die Luft jagen und eine Verschwörung konzipieren, die einige tausend Mitwisser gehabt haben müsste.

Natürlich hat es rund um den 11. 9. unzählige Versäumnisse der CIA gegeben, und es stimmt, dass die CIA selbst und auch die Bushs es waren, die Ussama bin Laden mit aufgebaut, Saddam Hussein protegiert und mit dem saudischen Königshaus Geschäfte gemacht haben. Doch Moore speist, ohne es direkt zu sagen, die von anderen verbreitete Verschwörungstheorie, dass bin Laden nur ein Erfüllungsgehilfe der Bush-Administration war und beide gemeinsam hinter den Anschlägen vom 11. 9. stecken. Die Tatsache, dass Mitglieder des Bin-Laden-Clans zwei Tage nach dem Anschlag die USA verlassen konnten, wie Moore in seinem Film nachzeichnet, ist für die Verschwörungstheoretiker keine Panne, sondern ein »Beweis«, dass Bush die Täter kannte, sie deckt und vorher von dem Plan gewusst haben muss. Fahrenheit 9/11 – cui bono? Den deutschen Verschwörungstheoretikern auf jeden Fall.