»Wir sind nicht links von der SPD«

Gerd Lobodda

Am vergangenen Wochenende wollte die Schiedskommission der bayerischen SPD über den Ausschluss mehrerer Mitglieder beraten, die mit dem Gedanken spielen, eine neue Linkspartei zu gründen. Das Ergebnis soll in den nächsten Wochen bekannt gegeben werden.

Von dem Ausschlussverfahren ist auch Gerd Lobodda betroffen. Er ist Bevollmächtigter der IG Metall in Nürnberg und sitzt im Vorstand der IG Metall Bayern. Mit ihm sprach Stefan Wirner.

Mit welchem Beschluss der Schiedskommission rechnen Sie?

Es hat sich gezeigt, dass an einem Gespräch überhaupt kein Interesse besteht, und darum ist zu vermuten, dass sie ihren Weg durchhalten und uns ausschließen.

Wie lange sind Sie Mitglied der SPD?

38 Jahre.

Wie fühlt man sich, wenn man nach so einer langen Zeit mit einem Parteiausschluss rechnen muss?

Das ist eine schwere politische, aber auch menschliche Enttäuschung. Die, die einen nun auschließen, sind ja Weggefährtinnen und -gefährten, man kennt sich schon lange. Ich habe nie geglaubt, dass jemand, der sich an die Programmatik der Partei hält, von denen ausgeschlossen wird, die das Programm mit Füßen treten.

Wie schreitet denn das Projekt der Gründung einer neuen Linkspartei voran?

Ob es zu einer Parteigründung kommt, ist noch offen. Unsere Intention ist es zunächst, diejenigen, die der Partei den Rücken gekehrt haben, zu sammeln und ihnen eine politische Heimat zu geben. Zum zweiten wollen wir denen, die nicht mehr zur Wahl gehen, die Chance eröffnen, den Grundgedanken unserer demokratischen Struktur zu erhalten. Die Parteienverdrossenheit ist vor allem im sozialdemokratischen Wählerkreis sehr stark ausgeprägt und hat sich in den vergangenen Jahren ungeheuer gesteigert.

Wie viele Interessierte haben sich da bereits zusammengefunden?

Inzwischen haben sich über 4 000 Personen zu unserer Initiative bekannt. Wir haben Regionalgruppen im ganzen Bundesgebiet aufgebaut, fast wöchentlich gründen sich neue Gruppen. Das ganze Spektrum der Bevölkerung ist darin vertreten, Betriebsräte, Ingenieure, Rechtsanwälte, Beschäftigte im öffentlichen Dienst, Ärzte, Studenten, junge und alte Menschen.

Gibt es eine Zusammenarbeit der verschiedenen Initiativen, die die Gründung einer Linkspartei in Erwägung ziehen?

Es gibt ja die Gruppe Wahlalternative, man muss sehen, wie man da zu einer Zusammenarbeit kommt. Es wird sich in den nächsten Monaten entscheiden, ob es eine gemeinsame Plattform geben wird. Aber das ist ein offener Prozess. Unsere weitere Entwicklung ist nicht abhängig davon.

Von den Inhalten her betrachtet, ist Ihre Initiative sozialdemokratisch.

Mich ärgert schon, dass es in der Presse so dargestellt wird, als würde sich da eine Partei links von der SPD gründen. Das ist nicht unsere Absicht. Unsere Forderung ist die Erhaltung des Sozialstaates, der die Geschäftsgrundlage unserer Demokratie, wie sie sich nach 1945 entwickelte, darstellt. Wir orientieren uns an den Grundintentionen, wie sie im Grundgesetz verankert sind. Wir vertreten eigentlich die klassische Position der Sozialdemokratie.

Mit der Agenda 2010 sind die Bundesregierung und die SPD von diesem Kurs abgekommen. Wenn die SPD meint, einen Lauf nach rechts machen zu müssen, dann ist das ihre Sache. Dann aber zu behaupten, dass wir uns links von der SPD ansiedeln würden, ist falsch. Wir wollen die ganze Breite abdecken, auch ein Spektrum von Politikverdrossenen aus der CDU/ CSU, die es ja auch gibt. Auch von Menschen, die von den Grünen enttäuscht sind.

Was sagen Sie dazu, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder behauptet, man müsse den Sozialstaat umbauen, um ihn zu erhalten?

Das ist ein vorgeschobenes Argument. Dass der Sozialstaat ständig weiter entwickelt werden muss, ist eine Binsenweisheit. Das haben Adenauer und Erhard ja schon in den fünfziger Jahren gemacht. Es ist auch eine Binsenweisheit, dass der Sozialstaat einen ökonomischen Unterbau braucht. Darum muss man sich darum kümmern, dass in diesem Land eine Wirtschaft organisiert wird, die Arbeitsplätze schafft. Aber wenn ich die Reichen immer reicher mache und ihnen Steuervergünstigungen verschaffe, dann muss ich mich nicht wundern, wenn die Finanzmittel fehlen, um sozialstaatliche Strukturen zu finanzieren.

Warum treten Sie nicht einfach in die PDS ein? Das ist ja eine Partei, die sozialdemokratische Forderungen stellt.

Die PDS ging aus der SED hervor, mit diesen Belastungen wollen wir uns nicht auseinandersetzen.

Sind nicht auch viele PDS-Mitglieder in Ihrer Initiative tätig?

Wir konnten nicht feststellen, dass irgendjemand von der PDS bei uns relevant aufgetreten wäre. Da würden wir uns sehr schnell distanzieren.

Warum versucht man nicht, dem Sozialabbau außerparlamentarisch stärker zu begegnen? Selbst wenn es zu der Gründung der Partei käme und sie im Jahre 2006 mit viel Glück in den Bundestag einzöge, ließen sich etwa Hartz IV und andere Reformen nicht mehr verhindern.

Den außerparlamentarischen Widerstand gibt es ja. Und die Gewerkschaften sind mittendrin. Hunderttausende haben demonstriert, es gab in Berlin den Perspektivenkongress mit Attac und den anderen Sozialverbänden, an dem viele teilgenommen haben und wo wir beraten haben, wie diese außerparlamentarische Bewegung weiter zu entwickeln ist.

Aber jede außerparlamentarische Bewegung bedarf dann letztendlich auch einer parlamentarischen Kraft. Außerparlamentarischen Bewegungen und den Gewerkschaften sind Grenzen gesetzt. Die Aufgabe der Gewerkschaften ist es, Tarifverträge abzuschließen. Sie können zu dem, was den Sozialstaat betrifft, eigene Vorschläge machen, aber letztendlich braucht man dann ein Standbein im Parlament.

Die Gesetze werden in den Parlamenten verabschiedet. Hier muss durchgesetzt werden, dass die Wirtschaft dem Menschen dient und nicht den wild gewordenen Börsenspekulanten und Deregulierern und Arbeitsplatzverlagerern. Denen muss Einhalt geboten werden. Wenn die parlamentarische Kraft hierzu nicht mehr vorhanden ist, dann muss sie erneuert werden.

Was lässt einen hoffen, dass es mit einer neuen Linkspartei anders kommen könnte als mit den Grünen oder der PDS, die ja dort, wo sie mitregieren, sich nach Kräften am Sozialabbau beteiligen oder ihn forcieren.

Es gibt in Deutschland und in ganz Europa eine neue Bewegung, die für den Erhalt des Sozialstaats eintritt. Wenn sich hieraus eine neue Kraft entwickelt und sich parteipolitisch organisiert, dann ist das eine Hoffnung. Momentan ist es noch nicht so. Darum war unser Gedanke, erstmal zu sehen, wie stark unsere Kräfte sind, und zu überprüfen, ob die SPD noch zu beeinflussen ist. Wenn die kommenden Wahlen zu schweren Niederlagen der SPD führen, wie es zu erwarten ist, wird man auch in der Partei zur Besinnung kommen. Das wird Müntefering nicht so einfach auffangen können.

Wäre das stärkste Mittel gegen den Sozialabbau nicht ein Generalstreik, wie wir ihn in Italien in den vergangenen Monaten zwei Mal hatten?

Wir haben hierzulande eine andere Streikkultur. Bei uns ist der politische Streik ausgeschlossen. Die Gewerkschaften können mit dem Mittel des Streiks notfalls Tarifverträge durchsetzen. Diese wirken dann weitaus länger und intensiver. Die Generalstreiks wie in Italien und Frankreich sind in der Regel größere Demonstrationen, ohne diese langfristige Wirkung, die wir mit den Tarifverträgen erzielen.