Deutschland mal zwei

Am kommenden Wochenende wird in Berlin-Köpenick gegen die Zentrale der NPD und den Abschiebeknast demonstriert. von arne norden

Wer sich am S-Bahnhof Grünau anhand einer Panoramakarte des Stadtteils orientieren will, wird durch das eine oder andere Hakenkreuz über eine örtliche Spezialität informiert, die in keinem Reiseführer steht. Mit der Parteizentrale der NPD und einem Abschiebeknast sind hier zwei Einrichtungen derselben deutschen Wirklichkeit ansässig. Einerseits das Hauptquartier der Partei, die sich nach dem gescheiterten Verbotsverfahren mit ausländerfeindlicher Häme auf ihren Plakaten zur Europawahl zurückmeldete (einer Flüchtlingsfamilie etwa wird eine »gute Heimreise« gewünscht), andererseits ein zentrales Element deutscher Abschiebepolitik.

Anfang des Jahres 2000 zog die Bundesgeschäftsstelle der NPD nach Köpenick. Im September 2003 begannen auf dem Grundstück die Bauarbeiten an einem »nationaldemokratischen Bildungszentrum«. Triebkraft hinter dem Projekt ist der Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, der neben Schulungsräumen und Unterkünften auch eine »nationale Zentralbibliothek« einrichten lassen will. (Jungle World, 37/03)

Nicht weit entfernt, auf der anderen Seite des beschaulichen Flusses Dahme, ist seit 1997 der Abschiebeknast Köpenick-Grünau im Betrieb. Bis 5 000 Menschen durchlaufen ihn pro Jahr. Zuletzt protestierten im Jahr 2003 die Inhaftierten mit einem Hungerstreik gegen die Haftbedingungen.

Für das Bündnis, das unter dem Motto »Endlich weg damit!« für den 6. Juni zu einer Demonstration in Köpenick aufruft, ist das Engagement gegen die NPD-Zentrale nicht von dem gegen die deutsche Flüchtlingspolitik zu trennen. Berliner Gruppen wie »Für eine linke Strömung (Fels)«, die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) und der im Jahr 2002 gegründete Antifaschistische Aufstand Köpenick (AAK) haben etliche antirassistische Initiativen als Partner gewinnen können.

Vor Ort ist die Suche nach Unterstützung jedoch schwierig. Die Forderungen nach der Abschaffung von Abschiebeknästen und einem Abriss der NPD-Zentrale gehen weit über die Vorstellungen des Köpenicker Bündnisses »Bunt statt Braun« hinaus. Dieser Zusammenschluss von Projekten der Kinder- und Jugendarbeit bildete sich aus Anlass des Umzuges der NPD und ist im Antifabündnis nicht vertreten.

Für diese Zurückhaltung gibt es nach Einschätzung von Conny Heidrich von »Bunt statt Braun« mehrere Gründe. So seien die Projekte einem gesetzlichen Rahmen verpflichtet, der eine Unterstützung des militanten Mottos der Kampagne verbiete. Auch die Vorgänge auf einer Demonstration im Herbst 2000, auf der es nach einer Attacke auf den Zaun des Abschiebeknasts zu Steinwürfen kam, seien mit einer verantwortungsbewussten Jugendarbeit nicht vereinbar.

Auf Seiten der Antifa fehle es an Rücksicht auf die lokalen Strukturen, die nach einer Kampagne mit den Folgen alleine dastünden. »Bunt statt Braun« bemühe sich eher um die Stärkung einer demokratischen Jugendkultur.

Hinzu kommt die Kontrolle der öffentlichen Einrichtungen durch das Bezirksamt. Auf diese Weise wird verhindert, dass sich vom Bezirk finanzierte Projekte in der Kritik des staatlichen Rassismus üben. Einige der in Köpenick ansässigen Cafés und Jugendclubs wollen eine Nähe zur Kampagne möglichst vermeiden.

Während der NPD vom Bezirksamt keine Steine in den Weg gelegt werden, bekommen antifaschistische Initiativen immer wieder Schwierigkeiten. Die Genehmigung für das Bildungszentrum der NPD erteilte der Baustadtrat Dieter Schmitz (SPD) ebenso selbstverständlich, wie der Leiter des Grünflächenamtes, Michael Schneider (PDS), einem linken Festival unter dem Titel »Kontrollverluste« in den beiden vergangenen Jahren einen Veranstaltungsort verweigerte, sodass das Festival in einem anderen Stadtteil stattfinden musste. Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht (SPD) gab bereits im Jahr 2003 die Devise aus, eine »stärkere inhaltliche Diskussion mit rechtsextremen Kräften« zu führen.

Die behördliche Unterstützung korrespondiert mit einer erheblichen Zunahme rechtsextremer Aktivitäten. Neben der NPD hat sich mit der Berliner Alternative Südost (Baso) eine Neonazi-Kameradschaft gegründet, die von dem ehemaligen NPD-Vorsitzenden des Kreisverbandes Treptow-Köpenick, Rene Bethage, angeführt wird. Die Baso bemüht sich vor allem um Nachwuchs, der mit Forderungen nach einem »nationalen und sozialen Jugendzentrum« rekrutiert werden soll.

Der Bezirk lässt sich ohne Übertreibung als Hochburg der Neonazis bezeichnen. Die Treptower Antifagruppe (T.A.G.) führt in ihrer Chronologie rechtsextremistischer Aktionen allein für 2004 bereits 18 Vorfälle auf, darunter Angriffe auf Jugendliche und auf Restaurants mit nicht deutscher Küche und Hakenkreuzschmierereien. Auch der Verfassungsschutz registriert im jüngsten Lagebericht eine Verlagerung der Neonaziaktivitäten in den Berliner Südosten.

Die Eröffnung des Bildungszentrums aber, ursprünglich für Ende Mai angekündigt, lässt trotz reger kameradschaftlicher Bautätigkeit auf sich warten. Zwei Bauabnahmen stehen aus, ohne die die NPD ihr Schulungsgebäude nicht in Betrieb nehmen kann. Für diesen Tag X ist eine weitere Demonstration zur Seelenbinderstraße geplant.

Bis zur Vertreibung der NPD und der Schließung des Abschiebeknastes wird noch viel Wasser die Dahme hinunterfließen. Dennoch ist der Widerspruch gegen das rassistische Treiben im Berliner Südosten nicht unsichtbar. So etablierte sich das Hauptquartier der NPD trotz polizeilicher Bewachung als bevorzugtes Ziel von Farb- und Brandanschlägen. Erst kürzlich sah sich die NPD-Zentrale eines weiteren Rückbauversuchs ausgesetzt. Ein in Brand gesetztes Auto beschädigte am 20. April Fenster und Fassade. Auch der Abschiebeknast entkam 1995 vor seiner Fertigstellung nur knapp einer Sprengung durch eine autonome Gruppe. An unbürokratischen Vorschlägen zum Abriss beider Gebäude mangelt es also nicht.

Infos unter www.koepenick-kampagne.antifa.de