Dresden ermittelt

Die Dresdner Polizei macht mit bei der Anti-Antifa und ermittelt gegen 23 Personen aus der linken Szene wegen Landfriedensbruchs. von peter conrady

Der Aufmarsch zum »Tag des Bombenangriffs der Alliierten« war ein voller Erfolg. Über 2 000 Neonazis demonstrierten am 13. Februar in Dresden gegen die Luftangriffe auf die Stadt im Jahr 1944. Die rechte Szene kann in und um Dresden auf eine gut organisierte Infrastruktur zurückgreifen. Für die zahlreichen städtischen Neonazis aus dem Kameradschafts- und Hooliganspektrum gibt es verschiedene, von Rechten betriebene Geschäfte, einige Bands und Fanzines. Dresdner Neonazis waren auch an den Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) beteiligt, die ihr Unwesen vor allem im Elbsandsteingebirge trieben.

Wer den Neonazis und ihren Aktivitäten entgegentreten will, hat es nicht leicht in Dresden. Seit Anfang des Jahres wird den Gegnern der Rechtsextremen das Leben auch noch vom Staatsschutz schwer gemacht. Er ermittelt derzeit gegen 23 Personen aus der linken und der Antifaszene. Betroffen davon ist unter anderen die Gruppe Dresden Umsonst, die gegen Kürzungen im Sozialbereich und die damit einhergehende Ausgrenzung armer Menschen protestiert. Im Sommer des vergangenen Jahres veranstaltete sie eine Aktion in einem Dresdner Freibad. 20 Personen betraten das Bad ohne zu bezahlen, verteilten Flugblätter, Luftballons und agitierten die anwesenden Badegäste. (Jungle World, 7/04)

Die weiteren Ermittlungen richten sich hauptsächlich gegen Personen, die dem antifaschistischen Spektrum zugerechnet werden. Ihnen wird Landfriedensbruch vorgeworfen. Es geht dabei um Aktionen gegen Infostände der NPD, der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen und der Bürgerrechtsbewegung Solidarität. Es sollen Neonazis angegriffen worden sein, mehrere Veranstaltungen, darunter zwei mit Jörg Friedrich, dem Autor des Buches »Der Brand«, seien gestört worden, lauten die Vorwürfe.

Ende Januar führte der Staatsschutz bei mehreren »Verdächtigen«, denen er vorwirft, an diesen Aktionen teilgenommen zu haben, erkennungsdienstliche Behandlungen durch. Bei der vorübergehenden Festnahme der Aktivisten zerstörten die Polizisten u.a. eine Haustür, nahmen die Personalien von Unbeteiligten auf und schüchterten Angehörige ein. Das Dresdner Landgericht erklärte diese Maßnahmen Ende Februar im Nachhinein in Teilen für rechtswidrig. Die dritte Strafkammer kam zu der Auffassung, dass die Polizei irrtümlich eine falsche Wohnung durchsucht habe und dass die erkennungsdienstliche Behandlung mindestens in zwei Fällen rechtswidrig und unverhältnismäßig gewesen sei.

Die Ermittlungen aber gehen weiter. Interessant daran ist, dass sie zum Teil offenbar auf Anzeigen zweier bekannter und führender Dresdner Neonazis, auf Ronny Thomas und Sven Hagendorf, zurückgehen. Augenzeugen zufolge provozierten die beiden mehrfach Personen, griffen sie an und erstatteten später Anzeige gegen sie. In anderen Fällen sind ihnen vom Staatsschutz offenbar Fotos vorgelegt worden, auf denen sie dann Personen »erkannten«, welche sie dann bestimmter Straftaten beschuldigten. Nur so können sich Dresdner Antifas die willkürliche Überprüfung mancher Aktivisten erklären.

Ronny Thomas sitzt derzeit eine Haftstrafe ab. Er ist ein notorischer Schläger, der diverse Körperverletzungen an Andersdenkenden, aber auch an Nachbarn und Polizisten verübt hat. Er griff zweimal Polizisten an, die seine Personalien feststellen wollten, und er prügelte sich mit zwei jungen Nachbarn seines Vaters, die ihn angeblich in seiner Ruhe gestört hatten. Dresdner Antifas behaupten, er habe noch weit mehr Personen angegriffen, doch die Taten seien aus Angst nicht zur Anzeige gebracht worden. Thomas ist eine Führungsfigur in der Dresdner Kameradschaftsszene.

Sven Hagendorf war wie Thomas einst Funktionär der NPD und gilt als Aktivist der Anti-Antifa. Er begleitete jahrelang die Aktionen der Dresdner Neonazis mit der Videokamera. Bei einem rechtsextremen Übergriff bekam ein Opfer zu hören: »Dich kennen wir vom Video von Hagendorf.« Dies erzählte der Betroffene der Jungle World.

Möglicherweise ist es kein Zufall, dass gerade diese zwei Neonazis als Erstatter von Anzeigen gegen Linke in Erscheinung treten. In den Anti-Antifa-Konzepten der Rechtsextremen, wie sie etwa kürzlich in Der Stormer, dem deutschen Magazin der rechtsterroristischen Gruppe Combat 18, veröffentlicht wurden, wird immer wieder gefordert, dass »bekannte Kameraden« Anzeige erstatten sollen, weil sie dadurch Akteneinsicht bekämen. Mit den so gewonnenen Erkenntnissen könnten sie dann neue Taten verüben.

In Dresden geht dieses Konzept derzeit scheinbar auf. Seinen Anteil daran hat vermutlich auch der Staatsschutz, der beflissen die abstrusesten Darstellungen der Neonazis aufgreift und gegen Linke ermittelt. Die örtlichen Neonazis bezeichnen einen der Dresdner Staatsschützer gerne auch als »einen von uns«. Auf einer Veranstaltung Anfang Februar an der Technischen Universität Dresden, bei der es um die Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg und den deutschen Opfermythos ging, stand der Beamte, der von den Antifas beschuldigt wird, mit den Rechtsextremen gut auszukommen, Zigaretten rauchend und plaudernd bei den Neonazis, die gekommen waren, um die Veranstaltung zu stören.

Eine Besucherin der Veranstaltung erzählte der Jungle World : »Er wies im Beisein der Neonazis den Veranstalter daraufhin, dass die Neonazis, sollten sie keinen Zutritt erhalten, eine Anzeige gegen den Veranstalter wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht stellen könnten. Sie könnten dann den Namen des Veranstalters erfahren. Die dabeistehenden Neonazis fanden den Vorschlag gut und nickten nur.«

Spendenkonto für die von den Ermittlungen Betroffenen: Postbank, Rote Hilfe e.V., Kontonummer: 609 760 434, BLZ: 360 100 43, Zweck: Ermittlungen; soligruppe-dresden@systemli.org